Mittagshitze in Perugia, nach einem hässlichen Streit mit der Geliebten: Der Kommunist mit menschlichem Antlitz knallt Jelenas Pass auf den Freisitz des Ristorantes, will mit seinem Renault wegfahren: "Aus der mittelalterlichen Kulisse kam durch einen steinernen Torweg ein braungebraunter Mann mit einem Stoß Zeitungen auf die Bühne gelaufen. Als er fast bei mir war, rief er nochmals mit meckernder Stimme: ,Ceccoslovacchia è occupata!'" (Aus dem Tagebuch eines Konterrevolutionärs).
So erlebt Pavel Kohout das Ende des Prager Frühlings. Da Jelena in der Damengalerie des Schriftstellers die Ehreninitiale Z trägt, ist das ungleiche Duo - sie bürgerliche Skeptikerin, er antikonformistischer Kommunist - noch immer ein Paar. So sehr Z das System hasste, dem sie für einige unwirkliche Tage in Italien entkam, und so sehr Kohout die Stalinisten des Regimes bekämpfte, die gerade zusammen mit den Bruderstaaten den real existierenden Bürokratismus wieder restaurierten, fassten sie doch gemeinsam den Beschluss: "Wir kehren zurück!"24. September 1968:"Ich sah sie, als wir uns durch die dichten, tiefhängenden Wolken hindurchgedrückt hatten und zur Landung ansetzten. Lange Reihen von Panzern standen auf den Wiesen, auf den Feldern, auf allen Hügeln." Eine halbe Million Soldaten des Warschauer Paktes patrouillieren in den Straßen von Pilsen bis Kosice, von Ostrava bis Budweis. "Wir haben gedacht, dass du dort bleibst", sagt Kohouts Friseur. "Václave", antwortet dieser doppeldeutig, "ich hab' dir doch versprochen, dass ich nie zur Konkurrenz gehe." Pavel erinnert sich, wo man den besten Schweinebraten der Stadt bekommt. Doch das "Praha" ist leer. "Haben Sie geschlossen?" Das nicht, aber man gehe jetzt nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus. "Es promenieren dort zu viele Personen fremder Nationalität, die anstelle eines Reisepasses MPs bei sich tragen."
Patronenhülsen am Fenster
Irgendwo zwischen den Jugendstilfassaden der Parížská und dem Altstädterring schert ein sowjetischer Panzerspähwagen hinter seinem kleinen weißen Fiat ein. Mit zitternder Hand schließt er seine Wohnung auf. Auf dem Schreibtisch vor dem frisch verglasten Fenster liegen Patronenhülsen von den Einschüssen. Er zieht die Jalousien hoch: "Prag, das vor mir in allen seinen Vertikalen und Horizontalen erschien, vom Petrín zum Týn, von der Moldauebene bis zu den Spitzen des St. Veits, nahm mir den Atem. Das Heimweh aller fiel auf mich, die heute fern von hier einschliefen. Ich wusste, dass ich alles tun werde, damit sie wieder zurückkehren können."
Kohout hat Wort gehalten. Zehn Jahre, bis zur Charta 77, die er maßgeblich mitinitiierte, und dem vom Regime misstrauisch beäugten zehnten Jahrestag der Invasion - um den herum sich das Politbüro nicht entblödete, den geliebten Dackel der Kohouts zu vergiften - leistete das Paar störrischen Widerstand gegen Gustáv Husáks "Normalisierung". Schließlich die Ausbürgerung 1979:"Die Soldaten werden uns in unsere Autos stoßen und dann rückwärts nach Österreich schieben. Sogleich beginnt sich dann der elektrisch bediente Panzerschlagbaum zu schließen. Mit einer Drehung des Lichtschalters versinkt, wie im Filmatelier nach beendetem Drehtag unsere alte Heimat in Dunkelheit (Wo der Hund begraben liegt)."
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.