Cham in der Oberpfalz
13.12.2022 - 17:18 Uhr

Kranker Pfleger – Urteil wegen Körperverletzung gegen Patienten

Ein Chamer Pfleger hat einem Altenheimbewohner mit einem Kissen die Luft abgeschnürt. Doch für die Vorwürfe der gefährlichen Körperverletzung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen sah das Landgericht Regensburg am Ende keine Belege.

von mib
Der Altenpfleger aus Cham vor Gericht. Letztlich verurteilten ihn die Richter wegen Körperverletzung. Bild: mib
Der Altenpfleger aus Cham vor Gericht. Letztlich verurteilten ihn die Richter wegen Körperverletzung.

„Schön rot, oder?“ Von schwarzem Humor kann bei jenem Vorfall, der sich Anfang des Jahres in einem Pflegeheim in Cham ereignet hat, nicht mehr gesprochen werden. Mit einem Kissen soll ein 24-jähriger Pfleger damals einem Heimbewohner kurzzeitig das Gesicht zugedrückt haben. Kurz vor Ende der Spätschicht mussten der nun Angeklagte und eine Kollegin den Patienten waschen und das eingemachte Bett neu beziehen. Die Kollegin war dann wenige Sekunden weg, im Gang Bettzeug zu holen.

Als sie zurück kam, rief sie den jungen Mann zweimal entsetzt an, was er da mache. Erst dann ließ der los. Als „schön rot“ soll sich der Pfleger über das Gesicht des Patienten gefreut haben. Aus Sicht der Kammer habe der Mann aber freiwillig von dem älteren Herren im Bett abgelassen. Ein Tötungsversuch liege daher nicht vor. „Er hatte die Möglichkeit, weiter zu machen“, so die 7. Kammer des Landgericht Regensburg in der Urteilsbegründung am Dienstag.

Stets hilfsbereit

Der 24-Jährige arbeitete schon länger als Fachpflegekraft in dem Heim, galt als stets hilfsbereit. War von dem permanenten Stress, insbesondere auch von der zusätzlichen Belastung in den Hochphasen der Pandemie, aber auch stark überfordert. So schilderten es mehrere Kolleginnen. Immer wieder soll der Angeklagte auch durch makabre Sprüche aufgefallen sein. Er könne locker „bis auf fünf Personen“ alle im Heim umbringen. Er würde auf eine Kettensäge zurückgreifen, um Köpfe abzutrennen. „Das geht dann schneller als mit dem Messer.“ Dieser „schwarze Humor“ sei wohl eine Art Ventil gewesen, ist die Kammer überzeugt.

Der Angeklagte leidet aufgrund in der Kindheit und Jugend erlittener Gewalt an einer posttraumatischen Belastungsstörung, gepaart mit einer Borderline-Störung. Letztere drücke sich laut dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. Dietmar Wirtz gerade bei Männern einerseits in einer übertriebenen Hilfsbereitschaft aus, führe aber auch sehr leicht zu Kränkungen.

Am Tattag sei es dann eskaliert, nachdem der Mann zunächst mit einer Hausärztin aneinandergeraten war. Hintergrund war eine falsche medikamentöse Behandlung. Dem 24-Jährigen sei dann alles über den Kopf gewachsen. Als Folge einer „besonders empfindlichen Selbstwertkränkung“ sei es laut der Kammer zu einem aggressiven „Impulsdurchbruch“ gekommen, der sich an dem Patienten entladen habe. Damit habe der Angeklagte aber gerade nicht gefühllos gehandelt. Eine Voraussetzung für den ursprünglichen Vorwurf der Misshandlung von Schutzbefohlenen. Stattdessen verhängt die Kammer eine Strafe von einem Jahr wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Keine Lebensgefahr

Schwierigkeiten bereitete dem Gericht, dass die Kollegin die einzige Augenzeugin war und das Tatgeschehen nur in wenigen Sekunden wirklich rekapituliert werden konnte. Der Angeklagte selbst machte Erinnerungslücken geltend, betonte aber, dass er die Tat nicht abstreite und dass es ihm sehr leid tue. Letztlich dürfte das Kissen nach Einschätzung der Kammer maximal 14 Sekunden auf den Patienten gedrückt worden sein. Natürlich habe der dabei Todesangst gehabt, räumte die Kammer ein. Eine wirkliche Lebensgefahr habe zu diesem Zeitpunkt aber nicht bestanden. Folgeschäden blieben aus.

Unbehandelt gehe vom Angeklagten, der nicht vorbestraft ist, aber auch künftig eine Gefahr für die Allgemeinheit aus. Seine schwere psychische Erkrankung und die „komplexe überdauernde Traumafolgestörung“ ließ der Angeklagte zuletzt schon freiwillig im BKH stationär behandeln. Noch diese Woche soll er auf einen sozio-therapeutischen Bauernhof umziehen. Das Gericht setzt dazu die angeordnete Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung nach Paragraph 63 StGB zur Bewährung aus. Flankierende Auflagen sollen den positiven Verlauf der weiteren Therapie unterstützen.

 
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