Singen, spielen, lesen und reden: Multitalent Konstantin Wecker live in der Oberpfalz

Cham in der Oberpfalz
13.03.2023 - 11:38 Uhr

Poesie und Musik können denen Mut machen, die die Welt verändern wollen, sagt Konstantin Wecker. Vor dem Konzert in Cham spricht er über die Kraft der Kunst, musikalische und literarische Lieblinge, Engagement und Träume.

Fürs Telefoninterview mit Oberpfalz-Medien unterbricht Konstantin Wecker eine Besprechung. Um dann direkt zu erklären, was es mit seinem Satz über Poesie und Musik genauer auf sich hat: „Beides kann vor allem Menschen darin bestätigen, zu sich selbst zu stehen. Sie in ihrem ganz eigenen Idealismus bestätigen. Und das ausdrücken, was tief in jedem Menschen schlummert“.

Er selbst betrachtet es als Geschenk, dass ihm schon als kleiner Junge Gedichte „passiert sind“: „Ich habe mir nichts ausgedacht“, erinnert sich der erklärte Rilke-Verehrer. „Meine Poesie war immer weiter als ich“, erzählt Konstantin Wecker und berichtet von den Jahrzehnten, die er gebraucht habe, sich vom Bilderbuch-Macho zum Feministen zu wandeln: „Aber in meinen Gedichten und Liedern war ich nie Macho“.

Dann bringt er Josef Beuys´ Erkenntnis ins Spiel, dass das Schöne und Wichtige an der Kunst sei, Ideen weitertragen zu können. „Wo stünde die Menschheit heute, wenn es diese Ideen nicht schon seit tausenden von Jahren gegeben hätte?“, ergänzt Konstantin Wecker.

Im Rückblick betrachtet er sich in erster Linie als Poet. Dieses „Hauptthema“ seines Lebens hat für ihn etwas Spirituelles. Auch wenn das in den 1970er-Jahren durchaus gefährlich war. Damals sei alles schnell ausgeartet in ideologische Kämpfe: „Es gab nur noch lauter „-isten“ und alle wollten mich in ihr Lager ziehen“. Gerettet habe ihn das, was der ebenfalls verehrte Henry Miller so formulierte: „Der wahre Künstler hat Anarchist zu sein“.

"Mit Mozart und Verdi groß geworden"

Aber natürlich ist Konstantin Wecker auch ein großer, leidenschaftlicher Musiker – und zwar längst nicht nur, was Vertonungen seiner Lieblingsgedichte betrifft. „Ich komme von der klassischen Musik, bin durch meinen Vater, einen Opernsänger, mit Mozart und Verdi groß geworden“. Bis zum heutigen Tage „kriege“ ihn klassische Musik immer. Mozart ist sein unangefochtener Favorit für alle Lagen des Lebens geblieben. Die jugendliche Begeisterung für Beethoven und Mahler dagegen hat ein wenig nachgelassen. Nicht zuletzt, weil Mahlers Musik, anders als Mozart´sche Kompositionen, eine gedrückte Stimmung nicht unbedingt hebe.

Mit dem Namen Konstantin Wecker verbindet sich aber neben Poesie und Musik auch ein mutiges gesellschaftspolitisches Engagement. Angelehnt an die Lektüre von Stefan Zweig, einem weiteren geschätzten Literaten, beschleiche ihn das Gefühl, das jetzt alles wieder beginnt wie einst vor dem Ersten Weltkrieg. Als Beispiel nennt er „die Militarisierung der Sprache, die sich breit macht und alles einnimmt“. Natürlich sei es einfacher ein Feindbild zu pflegen, als ein liebe- und respektvolles Miteinander zu haben. Gerade darum sei das Engagement zur Zeit noch viel wichtiger als sonst – auch wenn man als Pazifist wieder heftig beschimpft werde.

Ein durch sein „pazifistisches Manifest“ zu Tränen gerührtes Publikum, wie zuletzt in Hamburg, bestärkt ihn jedoch und lässt Resignation und Frustration keinerlei Raum. Die grundsätzliche Frage, „warum die Menschheit so dumm ist, Idioten wie Putin etc. zu folgen“, stellt er sich natürlich trotzdem. Und er hat auch eine Antwort parat: „Das ist ein spirituelles Problem“.

Mit Cellistin und Pianisten

Für seinen Auftritt in Cham holt sich Konstantin Wecker die Cellistin Fany Kammerlander und den Pianisten Jo Barnikel an die Seite: „Jo macht vieles besser. Fany ist eine wunderbare Cellistin“. Das warme und der menschlichen Stimme so nahe Streichinstrument hat es dem auch mit Geige und Bratsche versierten Musiker besonders angetan: „Ich liebe das Cello über alles“. Wohl aus diesem Grund ist das Streichinstrument von Anfang an immer mit von der Partie bei seinen Konzerten. Weckers erste Cellistin genießt allerdings mittlerweile den musikalischen Ruhestand in Italien.

Beim anstehenden poetisch-musikalischen Streifzug durch fünf Jahrzehnte auf der Bühne findet sich ausschließlich Eigenes auf dem Programm, Konstantin Wecker wird singen, spielen, lesen, reden und sich auch mal mit Jo Barnikel die Klaviatur teilen.

Für ihn löst ein solcher Abend immer das Gefühl aus, in der Musik angekommen zu sein, die er als Kind und Jugendlicher gelernt und geliebt habe: „Ich bin wieder daheim“. Und während Reinhard Mey sich am französischen Chanson, Hannes Wader am englischen und amerikanischen Folk orientiert habe, verortet Konstantin Wecker seinen Liedermacher-Ziehvater in Österreich: „Der Franzl Schubert“.

Der Titel seiner im Herbst startenden Tour lautet „Utopia 2.0 -Wir werden weiter träumen“. Aber hat man nach einer künstlerisch so erfüllten Karriere überhaupt noch Träume? Ja! In seiner Spiritualität weiterzukommen wäre zum Beispiel ein Ziel für den meditativen Menschen Wecker. Über ein mutiges Opernhaus, das bei ihm Wecker-Carmina ohne burana anfragt, würde er sich ebenfalls freuen. Deutlich konkreter dagegen ist das, was Gegenstand der Besprechung vor Beginn des Interviews war: Ein Live-Konzert beim Tollwood-Festival, in dem er sich nach 30 Jahren endlich einmal dem Publikum mit einem Best-of seiner zahllosen Film- und Fernsehkompositionen präsentiert.

Hintergrund:

Zur Person und Veranstaltung

  • *Konstantin Wecker*, Liedermacher, Musiker, Komponist, Schriftsteller, Schauspieler und Blogger, geboren 1947 in München, lernte Klavier, Gitarre und Geige, musikalischer Durchbruch 1977 mit der Ballade "Willy", Filmmusikkompositionen u.a. für "Kir Royal" und "Schtonk", erste Buchveröffentlichung 1978 "Ich will noch eine ganze Menge Leben", ausgezeichnet u.a. mit dem Deutschen Kleinkunstpreis 1977, dem Kurt-Tucholsky-Preis 1977 und dem Sonderpreis des Bayerischen Staatspreises für Musik 2017, lehrt seit 2006 Songwriting für Studierende in München und Würzburg, gründete 2014 sein Musiklabel Sturm&Klang
  • *Fany Kammerlander*, Cellistin, geboren 1967 in Frankfurt am Main, begleitet Konstantin Wecker seit 2014 auf Konzerten und Tourneen
  • *Jo Barnikel*, Pianist, Keyboarder und Filmkomponist, geboren 1959, klassisches Musikstudium am Konservatorium Nürnberg, seit 1993 musikalischer Begleiter von Konstantin Wecker
  • *Trio-Poesie und Musik mit Cello und Klavier* mit Konstantin Wecker, Fany Kammerlander und Jo Barnikel am Dienstag, 21. März um 20 Uhr in der Stadthalle Cham, Further Straße 11
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