Besonders vorteilhaft sah er auf dem Bild oben auf der Seite 5 (Politik) vom 5. August sicherlich nicht aus, der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Aber wer sieht schon vorteilhaft aus, wenn er ohne Schirm im strömenden Regen steht? Helmut P. wollte trotzdem wissen: "Warum kein freundlicheres Bild?" Die Deutsche Presse-Agentur (dpa), so meinte der Leser aus Tirschenreuth, "müsste doch gefälligere Bilder im Archiv haben".
Ist es Aufgabe einer Zeitung, Spitzenpolitiker "freundlich" oder "gefällig" darzustellen? "Sicher nicht", schrieb ich Helmut P. Es ist unsere Aufgabe, so gut es geht die Realität widerzuspiegeln. Der Artikel "Laschet stolpert in den Wahlkampf" ist auch eine Bewertung des bisherigen Auftretens des Kanzlerkandidaten. Dazu passt das veröffentlichte Bild wie die berühmte Faust aufs Auge und ist symbolisch. Stimmungsmache? Nein.
In einem Anhang mailte ich Helmut P. eine kleine Auswahl von Fotos, die so zuerst im dpa-Archiv erscheinen, wenn man den Suchbegriff Armin Laschet eingibt. "Machen Sie sich selbst ein Bild", bat ich unseren Leser.
Er tat dies - und antwortete: "Schlimm finde ich: Ich gebe bei Google ,dpa Bilder Laschet' ein und sehe - wie Sie auch in der Mail als Anhang gezeigt haben - sehr viele ,negative' Bilder. Bei der Eingabe ,Merkel, Baerbock, Söder, Scheuer, Seehofer' usw. bekomme ich deutlich mehr ,positive' Bilder zu sehen." Das "fast vollständige Fehlen von ansprechenden und gefälligen Bildern" von Armin Laschet im dpa-Archiv mache ihn schon nachdenklich, betonte Helmut P. und fügte hinzu: "Ich empfinde es als subtile Stimmungsmache. Neutralität - auch und besonders in Bildern - sehe ich anders. Und Bilder sieht man mit einem Blick, einem Augenblick. Einen Artikel lesen, braucht Zeit. Das Bild habe ich sofort im Kopf, den Artikel dazu, wenn überhaupt, erst nach dieser Zeit."
"Fotobombe Laschet"
Ich hatte Helmut P. zum Thema Laschet-Fotos außerdem einen Beitrag von "Übermedien" geschickt, dem Onlinemagazin für Medienkritik. In seiner Glosse "Fotobombe Armin Laschet - Ein Bild von einem Kandidaten" schreibt Hendrik Wieduwilt, der Führungskräfte bei Medienauftritten berät und zuletzt rechtspolitischer Korrespondent bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Berlin sowie Pressesprecher im Bundesjustizministerium war: "Armin Laschet hat es in den vergangenen Monaten geschafft, eine derart umfangreiche und groteske Enzyklopädie komplett verrutschter Clownfotos zu produzieren, dass das Internet vor Erschöpfung die Hände in die Luft wirft und ruft: Laschet! Hab Erbarmen!"
Auch die Flut habe Laschet nicht zu guten Bildern verholfen. Wieduwilt erinnert an den lachenden Laschet und merkt an, auch danach sei dem Kandidaten immer wieder die Bildbotschaft entglitten: Bei seinem ersten Besuch in den Flutgebieten habe Laschet Gummistiefel getragen, wenig später sei er hingegen "mit Lederschuhen und im blütenweißen Hemd durch Modder und Elend in Euskirchen" spaziert. Dann habe Laschet wieder das Katastrophengebiet besucht und es "für eine prima Idee" gehalten, dabei die Hände in den Taschen zu versenken. Hände in den Taschen seien eigentlich immer falsch. Laschet, "der Gottvater des Anti-Timings", habe es sogar geschafft, sich genau zum richtigen Zeitpunkt einmal in den Regen und einmal unter einen Schirm zu stellen. Unter den Schirm, während er neben einem nassgeregneten Arbeiter steht.
Wieduwilt beschreibt Laschets Körpersprache als "unkontrolliert", sagt, sie passe zu seinem reizbaren Naturell: Er nestele und fummele sich auch oft genug im Gesicht herum, weshalb "bei gefühlt jedem Termin ein besonders doofes Foto herumkommt". Das, merkt Wieduwilt an, nehme man als Redaktion natürlich herzlich gern an, wenn es gilt, eine unangenehme Situation zu bebildern. Das Fazit des Glossen-Autors: "Der CDU-Kandidat braucht nicht einmal mehr Fotografen, um schlechte Bilder zu produzieren." Wenn Laschet die Bildfläche betrete, sei das wie ein Film mit Leslie Nielsen: Man warte auf Slapstick, nicht Substanz. Bilder seien für Laschet ein besonderes Risiko.
Die Sprache von Bildern
Vor fast genau zwei Jahren hatte ich mich in meinem Leseranwalts-Beitrag "Die Sprache von Bildern" schon einmal mit Politikerfotos beschäftigt, nachdem in unserer Zeitung ein Eis schleckender englischer Premier Boris Johnson zu sehen gewesen war und ein Leser daraufhin unter anderem von einer "subtilen Herabsetzung der Person" gesprochen hatte. Eine Meinung, so räumte ich damals ein, kann man natürlich mit der Bildauswahl ausdrücken. Bei Politikern ist es in meinen Augen nicht ganz unwichtig, mit den Bildern, die von ihnen veröffentlicht werden, auf deren Persönlichkeit hinzuweisen. Darin finde ich nichts Verwerfliches.
Oft lange Diskussionen
Über die Fotos, die in eine Zeitungsausgabe gelangen, entscheidet die Redaktion, als letzte Instanz der Chefredakteur. Der Bildauswahl gehen redaktionelle Abwägungen, nicht selten ausgiebige Diskussionen voraus, ob ein Foto tatsächlich geeignet ist, man es lieber weglassen oder ein anderes Motiv nehmen sollte. Ethische Überlegungen können hier ebenfalls eine Rolle spielen. Und gewiss persönliche Einstellungen. Was den einen Kollegen begeistert, muss dem anderen nicht gefallen. Es ist denn auch belebend, wenn eine Redaktion nicht einer Meinung ist. Und es ist für die tägliche Arbeit wichtig, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Den "Eis-Johnson" fand ich damals übrigens gut: Das Bild unterstrich, dass er ein Politiker ist, der aus dem üblichen Rahmen fällt und in der Öffentlichkeit den besonderen Auftritt geradezu sucht.
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