Deutschland und die Welt
29.01.2024 - 17:32 Uhr

Der wiederkehrende Vorwurf der einseitigen Berichterstattung

Ein Leser ist der Ansicht, diese Zeitung folge dem Mainstream, der vorherrschenden gesellschaftspolitischen Richtung. Eine Zusammenfassung seiner Kritik und eine Entgegnung.

Menschen demonstrieren am 21. Januar in München gegen Rechtsextremismus. Bild: Karl-Josef Hildenbrand, dpa
Menschen demonstrieren am 21. Januar in München gegen Rechtsextremismus.

Er habe sich die letzten Berichte „über Demokratie, AfD, Umsturzfantasien, Einsatz für Demokratie usw.“ durchgelesen, schreibt uns Leser A. S. unter dem Betreff „Berichterstattung einseitig“. Er finde diese „nicht ausgewogen, da immer nur von rechts Gefahr droht“. Doch beim Parteitag der Linken in Augsburg habe zum Beispiel Reinhard Neudorfer öffentlich zur Gewalt gegen Politiker der AfD aufgerufen, wenn diese anderweitig nicht dezimiert werden könne. Die Antifa habe Privatadressen der AfD veröffentlicht und ebenfalls zur Gewalt gegen diese Politiker aufgerufen. Minister Habeck rede vom Umsturzversuch. „Sie haben Angst vor Machtverlust“, schlussfolgert A. S. daraus.

Er erwähnt auch die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie habe die AfD als „großen Haufen Scheiße und die Wähler als Fliegen, die auf der Scheiße sitzen“, bezeichnet. Vor zwei Wochen hätten die Bauern demonstriert, es habe keinen verletzten Polizisten gegeben. „In Berlin fand vor kurzem eine Demo aus der linken Szene statt, 20 verletzte Polizisten, das ist nicht der Rede wert.“ Bundeskanzler Scholz habe vor circa drei Monaten gesagt, es müsse im großen Stil abgeschoben werden, „da gab es kein großes Geschrei“.

Das ist noch nicht alles an Kritik von Leser S.: „Wenn das Medienhaus Correctiv Millionen Unterstützung von der Regierung bekommt, ist eine neutrale Berichterstattung eher nicht zu erwarten.“ Am 18./19. Januar seien Lkw-Fahrer in Berlin gewesen, um zu protestieren, „auch hier keine Berichterstattung“, klagt S. Leider habe er den Eindruck, so Leser A. S. abschließend, „dass Ihre Zeitung dem Mainstream folgen soll. Wenn ich noch weiter zurückschaue, auf die Corona-Zeit, auch in Ihrer Zeitung wurde gegen Impfgegner gehetzt, und es wurden die Dinge zu wenig kritisch hinterfragt.“

Das antwortet der Leseranwalt

Ist die Berichterstattung tatsächlich unausgewogen? Hat die in die Kritik geratene Redaktion hier die eine Seite bevorzugt und die andere benachteiligt? Aus meiner Sicht nicht. Bei der täglichen Arbeit als Redakteurin und Redakteur dürfen Sympathien oder Antipathien für bestimmte Parteien, Organisationen oder politische Geschehnisse in der Berichterstattung keine Rolle spielen. Eine Redaktion schreibt sich zunächst einmal eine gewisse Gleichbehandlung auf die Fahne. Das Stichwort lautet hier: gerechte Darstellung. Eine Aussage darüber, ob es am Ende wirklich gerecht zugeht, lässt sich nicht anhand einer oder am Beispiel weniger Zeitungsausgaben treffen.

Anders zu betrachten ist natürlich eine Kommentierung. Bei einem Kommentar geht es nicht um eine objektive Darstellungsweise, sondern ganz bewusst um die Meinung des Verfassers. Darum darf ein Meinungsbeitrag durchaus einseitig sein. Und schnell passiert es dann, dass Autoren- und Lesermeinung eben nicht übereinstimmen. Toleranz ist hier wünschenswert.

Wie ein Leser eine Berichterstattung wahrnimmt, hängt zu einem nicht unbedeutenden Teil davon ab, welche individuelle Meinung er dazu hat. So ein Leser glaubt dann: Die Zeitung positioniert sich gegen meine Meinung.

Es ist richtig, dass Reinhard Neudorfer (76) aus Waiblingen, der auch in einem DGB-Kreisvorstand sitzt und weiter hinten auf der Liste zum EU-Parlament kandidiert, im November 2023 auf dem Linken-Parteitag in Augsburg mit umstrittenen Äußerungen aufgefallen ist. Dazu finden sich auch entsprechende Videos im Netz, die das belegen. So sagte Neudorfer unter anderem: "Wenn die AFD versucht, in einer Kneipe was zu machen, dann sind wir rechtzeitig da, reden freundlich mit dem Wirt, damit er die wieder auslädt. Wenn er sie nicht auslädt, reden wir nochmal nicht ganz so freundlich. Und wenn das noch nicht gereicht hat, gibt es weitere Möglichkeiten, die ich hier nicht öffentlich darlegen möchte."

Ja, es war nach Internet-Recherchen die Frankfurter Antifa, die im Sommer 2023 Privatadressen von hessischen AfD-Landtagskandidaten ins Netz gestellt und geäußert hatte, es sei "längst überfällig, die Partei und ihre Individuen entschlossen zu bekämpfen". Es stimmt, dass die Bundestagsabgeordnete Strack-Zimmermann kürzlich beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf an ihre Parteifreunde appellierte, ihre Stimme gegen die AfD zu erheben. Der Zulauf zu populistischen Parteien mit extremistischen Positionen, sagte sie, müsse gesellschaftlich gestoppt werden. Falsch ist jedoch die Behauptung, Strack-Zimmermann habe die AfD als "großen Haufen Scheiße" und deren Wähler als "Fliegen, die auf der Scheiße sitzen", bezeichnet. Das korrekte Zitat lautet: "Je größer der Haufen Scheiße, umso mehr Fliegen sitzen drauf."

So finanziert sich Correctiv

Zum Recherche-Netzwerk Correctiv, das über ein Geheimtreffen von AfD-Leuten und Neonazis berichtet hatte: Die Aussage, Correctiv erhalte "Millionen Unterstützung von der Regierung", ist so nicht zutreffend. Das Medienhaus, eine gemeinnützige GmbH, schreibt auf seiner Internetseite: "Unsere Arbeit wird durch ein Drei-Säulen-Modell finanziert: Spenden von Bürgerinnen und Bürgern, Förderungen durch Stiftungen und die öffentliche Hand, eigene wirtschaftliche Aktivitäten." Durch diese Mischung erreiche man eine unabhängige und stabile Gesamtfinanzierung. Das Verhältnis zwischen den Einnahmen aus der Stiftungsfinanzierung und denen aus privaten Spenden sei 2023 etwa ausgeglichen gewesen. Zu den staatlichen Förderungen erklärt Correctiv: "Unser Transparenzanspruch gilt auch für öffentliche Gelder. Hier legen wir viel Wert auf die Nachvollziehbarkeit der Förderungen. Mit öffentlichen Geldern werden klar abgegrenzte Projekte gefördert. Wir erhalten staatliche Förderung ausschließlich für unsere Medienbildung und Strukturförderung. Einige Beispiele aus den letzten Jahren: Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat verschiedene Workshop-Reihen unterstützt sowie die Weiterentwicklung unseres Kursangebots unserer Onlineakademie Reporterfabrik. Die Staatskanzlei NRW (Ruhrkonferenz) fördert den Aufbau unserer Jugendredaktion Salon 5. In der Vergangenheit förderte sie die Entwicklung einer Software für Community-basierten Journalismus. Beide Projekte dienen der Bildung. Von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erhielten wir eine Förderung, die uns ermöglicht, nachhaltig die Vernetzung und die Strukturen im Lokaljournalismus zu stärken. Die Förderungen werden ausschließlich für die Umsetzung dieser Projekte verwendet. Wir nehmen keine staatlichen Förderungen für unsere investigativen Recherchen, Faktenchecks oder redaktionelle Arbeit an." Von der Bundeskasse flossen nach Correctiv-Angaben im Jahr 2023 beispielsweise rund 431 000, von der Landeshauptkasse NRW etwa 145 000 Euro.

Unser Platz ist endlich

Über die Proteste von Lkw-Fahrern in Berlin berichteten wir zwar nicht in der gedruckten Ausgabe, aber online im Onetz. Die Demo der linken Szene in Berlin mit wohl über 20 verletzten Polizeibeamten stand nicht in dieser Zeitung. Keine böse Absicht, kein Versuch, etwas zu verschweigen oder unter den Teppich zu kehren. Wir sind ein Medienhaus mit regionaler Ausrichtung. Unser Schwerpunkt liegt auf Themen aus der Oberpfalz beziehungsweise mit sehr engem Bezug zu den Menschen in der Oberpfalz. Die Deutsche Presseagentur (dpa) versorgt uns täglich mit bis zu 1000 Meldungen. Also müssen wir immer Abstriche machen und können nur einen Überblick mit Schlaglichtern bieten. Unser Platz in der Zeitung ist endlich, wir können nicht über alles berichten, was in Deutschland und der Welt passiert.

Ich weiß, dass Leserinnen und Leser gerne Beispiele anführen, auf welche Beiträge wir stattdessen hätten verzichten können. Wir versuchen jedoch, das Informationsbedürfnis möglichst vieler Menschen abzudecken.

Abschließend noch einige wenige Worte zur Corona-Zeit, die ebenfalls angesprochen wurde. Ich glaube nicht, dass wir gegen Impfgegner gehetzt haben, es gab Kritik an ihnen, durchaus. Vielleicht war der Umgang mit Nichtgeimpften in vielen Medien doch etwas zu hart. Es mag sein, dass manche Dinge zu wenig kritisch hinterfragt wurden. Mit dem heutigen Kenntnisstand wäre einiges anders gelaufen. Die Frage ist immer, ob man Menschen mit anderer Meinung herabwürdigen darf.

Deutschland und die Welt04.08.2023
 
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