Sein lange geplanter, vierter Auftritt in der Kulturscheune Elbart sollte eigentlich kein One-Man-Show werden. Nachdem aber Tochter und Percussionistin Sabine letzte Woche die Großfamilie Pyrker um die Enkel Nummer zehn und elf erweitert hatte, verwandelte Martin Pyrker das angekündigte Boogie Woogie-Doppel kurzerhand in ein furioses Solo für Piano.
Wenn den Granden der Blues- und Jazzszene mal der Sinn nach Abwechslung von großen Bühnen und Sälen steht, geben sie sich mit schöner Regelmäßigkeit die Klinke zur gemütlich-distinguierten Kulturscheune in die Hand. Nach Christian Christl und Jan Luley war die Reihe diesmal also an der österreichischen Boogie Woogie-Ikone Martin Pyrker.
Anfang der 1970er-Jahre entdeckte der technisch brillante Pianist die bis dahin noch häufig im Verborgenen schlummernde Welt des Boogie Woogie für sich. Aus der damals entstandenen Freundschaft mit den gleichgesinnten Hamburger Pianisten Vince Weber, Hans-Georg Möller und Axel Zwingenberger sowie Schlagwerker Torsten Zwingenberger entwickelte sich schnell eine umjubelte Kult-Gemeinschaft, die diese Musikrichtung im deutschsprachigen Raum nachhaltig befeuerte und sogar das bis dahin strikt klassische Wiener Konzerthaus im Sturm eroberte.
Die lebenslange Leidenschaft durchströmte auch an diesem Abend in Elbart jede der gespielten Nummern, die alle fest und ausnahmslos im Genre verwurzelt waren. Das Fehlen der Schlagwerk-Unterstützung kompensierte Martin Pyrker mühelos mit der linken Hand, die den Beat aus dem Flügel herauskrallte, während die rechte Hand davon völlig losgelöst über die Tasten segelte.
Als Konzept wählte Martin Pyrker einen durchdachten Mix aus klassischen Standards etwa von Albert Ammons, Leroy Carr oder Jimmy Yancey und eigenen Kompositionen, die sich an den Gegebenheit und besonderen Momenten seines Lebens orientieren: „The Spirit“ für Enkel Nummer neun, „Sabine´s Jive“ für die mittlerweile nicht minder renommierte Tochter oder der melancholische Abschied „Goodbye Mum“.
Aber auch eine quälend lange Fahrt durch einen brüllenden Orkan fand Niederschlag in Notenform. Wobei: Noten sucht man an diesem Abend natürlich vergeblich – ein professionelles Urgestein wie Martin Pyrker hat seine Songs in Fleisch und Blut. Das ist umso höher wertzuschätzen, als das Grundmuster ja immer ähnlich und markante Melodielinien rar sind.
Dass das Konzert dennoch zu keinem Zeitpunkt ins eintönig Redundante kippte, lag am bescheiden auftretenden Meister auf dem Klavierschemel. Mit Hingabe kitzelte er unzählige Tempovarianten und Klangfarben aus dem Flügel und gab damit jedem der vorgestellten Titel seine ureigene Originalität.Insgesamt entpuppte sich das vorab versprochene Feuerwerk als farbenprächtige, lebensfrohe und mitreißende Realität, die man in dieser Qualität auch nicht alle Tage erleben darf.
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