Das Schlagwort "Digitalisierung" geistert seit Jahren Deutschlands Wirtschaft. Wer sie ganz konkret sehen und begreifen weil, ist im Erbendorfer Kreinzlweg richtig. Gegenüber der Sportanlage des TSV Erbendorf sieht es zunächst nicht nach "Silicon Valley" aus. Und doch: Beim Garagentor-Spezialisten Pöllath leben und arbeiten die rund 60 Mitarbeiter durch und durch digital.
Papier spielt nur mehr eine Nebenrolle, in Heftern abgelegte Rechnungen gibt es gar nicht mehr. Der Betrieb setzt auf eine eigene Pöllath-App, die Vertrieb und Monteure im Außendienst direkt mit dem Warenwirtschaftssystem verbindet. Beide Komponenten sind auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten. Der Mitarbeiter im Büro kann direkt auf die Daten zugreifen, die der Vertriebler eben noch auf der Baustelle ausgemessen hat. Das System plant anhand der abzuarbeitenden Aufträge sogar die Routen für Vertriebler und Monteure. Drittes digitales Element ist das Dokumentenmanagementsystem, das die Ablage überflüssig macht und dabei viel Zeit spart.
Dass die Josef Pöllath GmbH als eines der ersten mittelständischen Unternehmen im Freistaat den "Digitalbonus Plus" als Förderung für die App bekommen hat, ist eng mit dem Geschäftsführer verbunden. Schon im BWL-Studium habe er sich für das Thema interessiert, erklär Albert Pöllath. Seit dem Eintritt in die väterliche Firma bemühe er sich, die Potenziale zu erschließen und in den Firma zu verankern. "Das machen wir seit 20 Jahren", sagt Pöllath. Entsprechend skeptisch ist er, wenn Digitalisierung per "Beschluss" eingeführt oder als rein finanzielle Investition erkauft werden soll. "Wo wir heute stehen, ist Ergebnis eines langen Prozesses". Und ein Ende dieses Prozesses sei nicht absehbar.
Es sei ein Fulltimejob, die Entwicklung zu verfolgen und zu erschließen, was für den eigenen Betrieb sinnvoll ist. Funktionieren könne das alles nur, wenn ein Insider die Richtung vorgibt. Nach mehreren enttäuschenden Versuchen sitzt Pöllath heute bei den wichtigsten Entwicklungsschritten mit dem ausführenden Programmierer am Tisch. Nur so sei sichergestellt, dass Lösungen entstehen, die Firma und Mitarbeitern wirklich weiterhelfen.
Bei den Mitarbeitern sieht Pöllath inzwischen einen Knackpunkt in Sachen Digitalisierung. Es gehe dabei gar nicht um fehlende IT-Kenntnisse. Die Pöllath-App sei so aufgebaut, dass dafür keine Kenntnisse nötig wären, auch Warenwirtschafts- und Dokumentationssystem seien fast selbsterklärend. Die Schwierigkeit sei vielmehr, die Mitarbeiter zu überzeugen, vertraute Abläufe aufzugeben. "Das kann man nicht anordnen, das muss man vorleben", sagt Pöllath. Und manchmal müsse man eben auch hartnäckig und unbequem sein.
Diese Hartnäckigkeit zahle sich aber aus. Es sei nicht immer einfach in Euro und Cent zu messen, schon deshalb, weil für die Digitalisierung zunächst Geld kostet. Die Pöllath-Geschäftszahlen zeigen aber, dass der Umsatz zuletzt stark angestiegen ist - ohne dass es Mitarbeiter gibt. Messbar sei zudem die eingesparte Zeit. Aber Pöllath hat auch andere Effekte bemerkt: "Es ist heute viel ruhiger in den Büros." Warenwirtschaftssystem und App liefern zuverlässig und passgenau alle benötigten Informationen, Nachfragen und Telefonate werden so auf ein Minimum beschränkt.
Richtig sei auch, dass Digitaltechnik den Bedarf an Arbeitskräften senkt. Pöllath hat die Ersparnis bei der Bearbeitung der Eingangsrechnungen berechnet: Pro Rechnungen geht es Dank der heutigen Dokumentation etwa zwei bis fünf Minuten schneller. "Bei monatlich rund 1000 Rechnungen entspricht das 33 bis 83 Stunden", rechnet Pöllath vor. Obwohl sich der Umsatz zuletzt verdoppelt hat, werde die Buchhaltung nach wie vor von zwei Kräften erledigt. "Und eine Kraft arbeitet heute Teil- statt Vollzeit."
Allerdings gab es wegen der Digitalisierung noch nie eine Entlassung im Betrieb. Gute Mitarbeiter seien längst Mangelware, es gebe zu tun. Und dann ist da noch der Wettbewerb, die Margen in der Branche seien gering. Effizienzsteigerungen durch die Digitalisierung helfen, diese Margen und letztlich auch die Arbeitsplätze zu erhalten. So kostet Digitalisierung keine Stellen - im Gegenteil
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