„Gestern beim Unterwirt“ – da war anscheinend wieder jede Menge los. Auf alle Fälle so viel, dass Toni Lauerer damit sein neuestes Buch füllen kann. Untertitelt ist es mit „Wirtshausg’schichten aus Bayern“. Was es mit den Wirtshäusern, Stammtischen und brisanten Themen im Dorf so auf sich hat, hat der Autor und Kabarettist aus Furth im Wald im Gespräch mit der Kulturredaktion verraten.
ONETZ: Herr Lauerer, der „Unterwirt“ steht stellvertretend für viele andere bayerische Dorfwirtshäuser. Was macht Ihrer Ansicht nach so einen „Unterwirt“ aus?
Toni Laurer: Dass er in aller Regel von Einheimischen besucht wird und sich selten Feriengäste, liebevoll auch „Preißen“ genannt, zu ihm verirren. Natürlich sind auch diese gern gesehene Gäste. Sie müssen sich allerdings damit abfinden, dass sie von den Stammtischmitgliedern nicht oder kaum beachtet werden. Auch findet man hier keine umfangreiche und komplizierte Speisekarte vor. Wurstsalat, saurer Presssack, warme Wiener oder Leberkässemmel reichen aus. Für noble Sachen wie Schnitzel oder gar für dekadente Luxusspeisen wie ein Filet geht man in ausgewiesene Speiselokale - für so etwas hat der Unterwirt weder die Zeit noch die Küche.
ONETZ: Das „Verlautbarungsorgan“ beziehungsweise die „Kommunikationszentrale“ eines jeden Dorfes ist bekanntlich nicht die Tageszeitung, sondern der Stammtisch im Dorfwirtshaus. Warum sollte man also unbedingt dort dabei sein?
Toni Laurer: Eigene Anwesenheit ist die Garantie dafür, dass man nicht zum Objekt von Gesprächen oder gar Gerüchten wird. Aufnahme in einem Stammtisch findet man meist, indem man von einem Mitglied mitgebracht und von den anderen Stammtischlern für würdig befunden wird. Humor sollte man auf jeden Fall haben und dünnhäutig sollte man nicht sein, denn liebevolle Kommentare wie „mei, bist du ein Rindviech (wahlweise auch Depp)“ muss man schon aushalten können. Wobei ich auf meine Tageszeitung nicht verzichten möchte, mit ihr kann ich allerdings nicht reden.
ONETZ: Der Hosenkauf, die Polizeikontrolle, das Geschenk zum Hochzeitstag und natürlich die „Gerüchteküche“ – Sie machen auf amüsante Art und Weise deutlich, dass es offensichtlich nichts gibt, worüber der Stammtisch nicht Bescheid weiß und nicht auch den ein oder anderen Tipp parat hält. Woher nur nehmen die Stammtischbrüder ihre fast schon grenzenlose Allwissenheit?
Toni Laurer: Die Themen, die am Stammtisch besprochen werden, sind nahezu grenzenlos. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft ein Stichwort genügt und schon fällt einem Anwesenden eine passende Geschichte oder zumindest ein Gerücht ein. Und es gibt nichts Interessanteres als ein Gerücht, womöglich sogar noch über Leute, die im Ort „was Besseres“ sind! Allwissend sind die Stammtischbrüder nicht, aber das hindert sie nicht daran, zu jedem Thema ausgiebig Stellung zu nehmen.
ONETZ: Der Stammtisch im „Unterwirt“ ist ein exklusiver Verein – nur Männer sind dabei. Was halten Sie eigentlich von Frauen- beziehungsweise „gemischten“ Stammtischen?
Toni Laurer: Dass keine Frau am Stammtisch beim Unterwirt sitzt, ist reiner Zufall! Denn von Frauenstammtischen halte ich viel - wie ich auch aus dem eigenen Bekanntinnenkreis weiß, haben die Mädels immer eine Riesengaudi, wenn sie sich treffen und vorwiegend über die Tölpelhaftigkeit von uns Männern sprechen. Gemeinsames Lachen tut sowohl der männlichen als auch der weiblichen Seele gut! Das gilt natürlich auch für „gemischte“ Stammtische.
ONETZ: Mit dem Sterben der Dorfwirtshäuser geht auch das Verschwinden der Stammtische einher. Was geht der bayerischen Identität dadurch verloren? Von Corona mag ich gar nicht erst reden…
Toni Laurer: Dass immer mehr Dorfwirtshäuser aufgeben müssen, tut mir echt weh. Die Tendenz, dass jeder möglichst für sich dahinlebt und man sich nicht mehr einfach „zammsitzt“ und „ratscht“, hat sich in den letzten Jahren leider verstärkt, Corona und die sogenannten „sozialen“ Medien tun ein Übriges. Da geht ein gewaltiges Stück bayerischer Identität verloren. Vielleicht kann ich mit meinen lustigen Stammtischgeschichten vom fiktiven „Unterwirt“ a bissl dazu beitragen, dass die Stammtische in einem positiven Licht gesehen werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Toni Lauerer, Gestern beim Unterwirt. Wirtshausg'schichten aus Bayern, Battenberg-Gietl-Verlag (ISBN: 978-3-86646-390-5), 14,90 Euro
Lesungen
8. November: Neustadt/WN, Stadthalle
22. November: Mitterteich, Josefsheim
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.