Deutschland und die Welt
14.12.2018 - 08:44 Uhr

"Gemein machen" mit der Verfassung

Für die einen ist sie ein Feindbild, für andere eine furchtlose und mutige Journalistin. Jetzt hat Anja Reschke den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis bekommen - und eine bemerkenswerte Dankesrede gehalten. Wir stellen sie zur Diskussion.

Die bekannte Fernsehjournalistin Anja Reschke mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Bild: Daniel Bockwoldt/dpa
Die bekannte Fernsehjournalistin Anja Reschke mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

Die Moderatorin des ARD-Politikmagazins "Panorama" und des NDR-Medienmagazins "Zapp" wurde für ihre Überzeugungskraft und die aufklärende Wirkung investigativer Berichterstattung ausgezeichnet, die sie als Leiterin der Abteilung Innenpolitik des NDR-Fernsehens verantwortet. Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis würdigt seit 1995 herausragende Leistungen des kritischen Fernsehjournalismus.

In der Begründung der Jury heißt es: Anja Reschke "zeigt Haltung ohne Arroganz, Toleranz ohne Beliebigkeit und Stehvermögen ohne Sturheit". Ihre Kommentare muteten den Zuschauern Meinung zu. In Zeiten, in denen Journalismus unter Lügenverdacht gestellt werde, stärke Reschke denjenigen Redaktionen den Rücken, die auch bei schwierigen Themen und trotz Gegenwindes der Wahrheit auf der Spur blieben.

Um die Ohren gehauen

"Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten." Das sei ja das Motto des Friedrichs-Preises, sagte Reschke in ihrer Dankesrede. Im Grunde genommen beschäftige sie sich erst seit drei Jahren mit diesem Satz, seit Journalisten offen und öffentlich so stark kritisiert, ja auch angegriffen würden. "Seit wir uns selbst ständig hinterfragen, was wir richtig und was wir falsch machen. Wenn Hajo Friedrichs wüsste, wie oft er Thema ist, in meinen Auseinandersetzungen mit verärgerten Zuschauern. Die mir Manipulation, Parteilichkeit, Propaganda vorwerfen. Und gerne mit den Worten enden: Frau Reschke, halten Sie es wie Ihre Vorgänger, berichten Sie neutral, ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass mir Hajo Friedrichs seit drei Jahren fast täglich um die Ohren geklatscht wird. Er ist also in meinem Leben heute präsent wie nie."

Allerdings werde Hanns Joachim Friedrichs seit Jahren falsch zitiert, beziehungsweise sein Satz aus dem Zusammenhang gerissen. Seine Worte, dass man sich mit keiner Sache gemein macht, so erläuterte Reschke, stammten aus dem letzten Interview, das er kurz vor seinem Tod dem "Spiegel" gegeben hat.

Das sagte Friedrichs wirklich

Auf die Frage, ob es ihn gestört habe, als Nachrichtenmoderator ständig den Tod präsentieren zu müssen, antwortete Friedrichs: Nein, er habe es stets mit dem Grundsatz gehalten, den er bei der BBC gelernt hatte: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken. "Es ging in diesem Kontext also darum, wie man es schafft, auch die schlimmsten Katastrophen-Meldungen vorzutragen, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ging in dieser Frage und in der Antwort nicht darum, ob man sich als Journalist neutral verhalten müsse", betonte Reschke.

Man tue Friedrichs also unrecht, wenn man ihn als Journalisten ohne Haltung darstellt. Und trotzdem sei dieser eine Satz von ihm geblieben: Man macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten. "Ich nehme an, Hanns Joachim Friedrichs wäre nicht einverstanden damit, dass er benutzt wird von bestimmten Gruppierungen, die damit ihre persönliche Sicht durchsetzen wollen, was Journalismus darf und was nicht", sagte Reschke und fügte hinzu: "Wissen Sie, ich habe lange nachgedacht, in diesen vielen Auseinandersetzungen, ob ich das kann, mich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten. Ob wir Journalisten das können. Ob wir das überhaupt sollen. Wir müssen nicht darüber reden, dass auch wir als Journalisten keine neutralen Wesen sind, dass wir unsere Haltung in uns tragen, dass wir trotzdem unser Handwerkszeug von Recherche und Ausgewogenheit beachten können."

Kampf für das Grundgesetz

Und weiter: "Aber ich denke, wir müssen uns gemein machen mit einer Sache. Und zwar mit einer guten. Unserer Verfassung. Wir, die Presse, die öffentlich-rechtlichen Sender im Besonderen, haben einen Auftrag bekommen von den Alliierten nach dem Krieg. Teilhabe an der freien demokratischen Meinungsbildung zu gewährleisten. Mündige Bürger, Deutschland zu einem demokratischen Land zu machen und diese Demokratie zu bewahren. Wo politische Gruppierungen mit Kampagnen, verbalen Entgleisungen und bewussten Grenzüberschreitungen versuchen, unser Grundgesetz anzugreifen. Wo auch Vertreter etablierter Parteien mal einfach so Artikel des Grundgesetzes infrage stellen oder so tun, als würden sie sie infrage stellen, weil sie glauben, damit verlorene Wähler zurückgewinnen zu können - da müssen wir uns mit dem Kampf für das Grundgesetz und die Menschenwürde gemein machen.

Nie wurden unsere Demokratie, unsere Errungenschaften, vorneweg die Pressefreiheit, so offen infrage gestellt wie jetzt. Ich glaube, dass sich auch Hanns Joachim Friedrichs eingebracht hätte in diesen Kampf."

Ihre Meinung?:

Stimmen Sie mit den Aussagen von Anja Reschke überein? Oder haben Sie einen anderen Standpunkt? Ich würde mich freuen, wenn Sie mir schreiben: leseranwalt[at]oberpfalzmedien[dot]de

 
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