Im Wohnzimmer des Hauses in Gleiritsch (Kreis Schwandorf) strahlt der Kachelofen wohlige Wärme aus. Nur ein paar Meter weiter steht ein Möbel mit diversen Schubfächern. Fast so, wie es einst Kenny Rogers in seinem Song "Lucille" besang. Das Lied begann so: "In a Bar in Toledo. Across from the Depot..."
Kenny Rogers berichtete von einer Frau, die am Tresen ihren Ring vom Finger nahm. Das würde Annelies Bräutigam nie tun. Denn Ehemann Michael, der in Pfreimd eine Arztpraxis führt, ist nicht nur eng vertrauter Lebensgefährte. Der Mediziner tritt auch als Kritiker auf, wenn die Gemahlin einem Hobby nachgeht, das sie zwischenzeitlich zur in Fachkreisen viel beachteten Profession entwickelt hat. Dem Doktor werden Getränke zum Probieren vorgesetzt. Dann verkostet er und trägt zur Meinungsbildung bei.
Auf Zertifikaten steht Annelies Bräutigam. Doch wer sie Lisa nennt, hat bei ihr einen Stein im Brett. Die heute 51-Jährige begann, weil stark interessiert, im Jahr 2003 mit dem Mixen von Cocktails und orientierte sich dabei an Vorgaben aus dem Bayerischen Kochbuch. "Cuba Libre" und "Daiquiri", außerdem den "Old Fashioned". Lisa Bräutigam schaffte sich einen Vorrat an Schnäpsen, Likören, Säften an und erfreute Gäste.
Enorme Kreativität
Gewohntes und Bekanntes, das rund um die Welt an Bartresen kredenzt wird, reichte ihr nicht. Lisa Bräutigam wollte mehr. Zumal ihr im Lauf der Jahre bewusst geworden war, dass das Mixen von Drinks eine Kunst ist und enorme Kreativität von Leuten verlangt, die den Shaker in die Hand nehmen. Die Frage ihrer meist männlichen Beobachter lautete dabei: Kann das auch eine Frau? Durch die Köpfe geisterte dabei Tom Cruise, der in seinem Kultfilm "Cocktail" fast schon artistisches Können als Barkeeper an den Tag legte. Cruise konnte es nicht. Er ließ sich doubeln.
"Kann man Wissen lernen?", fragte Lisa Bräutigam im Jahr 2016 einen renommierten Spirituosenhändler. Der wies ihr den Weg zu Lehrgängen, Kursen, Fortbildungen. Die Frau aus Gleiritsch war quer durch die Republik unterwegs und wurde schließlich durch Vorstandsbeschluss in die "Deutsche Barkeeper-Union e. V." aufgenommen. Weil sie Mixgetränke zusammenstellte, die durch Raffinesse bestachen und die Frage aufwarfen: "Was ist da drin?"
Sehr seltene Spirituosen
In der Gleiritscher Hausbar stehen Hunderte von Flaschen. Gängige und sehr seltene Spirituosen, dazu Säfte und Gewürze, frisches Obst wie die Limette und weiße Schokolade. Schnaps muss nicht zwingend dabei sein, wenn die Keeperin den Shaker schüttelt. Denn auch absolut Alkoholfreies fügt sie zusammen. Mit Lametta-Puschel und Zuckerrand am Cocktailglas serviert. Augenweide und Gaumenfreude perfekt auf den Punkt gebracht.
Lisa inhaliert das Lob ihrer Gäste. Meist in der Jacke, die von Mitgliedern der Barkeeper-Union getragen wird und ständig auf der Suche nach neuen Drinks. Draußen im Flur steht die transportable Bar der 51-Jährigen. Sie wird überall dort aufgeklappt, wo man bei Feiern und Events nach ihr verlangt. Die Oberpfälzerin spricht vorher mit den Gastgebern und forscht nach, was mitzubringen ist. Denn Champagner ist teurer als Sekt und der "Gentleman Jack" aus Lynchburg/Tennessee liegt im Preis höher als "Jim Beam".
Eine Frau und ihr Hobby. Mit dem Vorbild des legendären Barkeepers Charles Schumann aus Kirchenthumbach und dem Anspruch, perfekte Drinks zu machen. Da kann dann auch Absinth mit dabei sein, auf den der Genießer nie kommt. Weil ihn andere Zutaten grandios umhüllen und das Getränk zum Erlebnis machen.
Das Bergwunder
Lisa Bräutigam tüftelt oft viele Stunden lang an an ihren Rezepten für wohlschmeckende Cocktails. Eines davon nennt sich „Bergwunder“, und es geht so:
2 cl Mangosirup, 2 cl Lime-Juice und 10 cl Schweppes Indian Tonic. Alles zusammen mit Eis-Cubes in ein Highball-Glas geben und mit Kräuterlikör auffüllen. (hou)
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