Der politische Aschermittwoch feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Immer wieder wird der Abgesang auf den "größten Stammtisch der Welt" angestimmt. Überholt sei die Veranstaltung, zu brav, ohne richtige Typen, ein richtiger Langweiler. Auch wenn an all den Kritikpunkten etwas dran ist: Das Polit-Potpourri zum Start der Fastenzeit darf nicht sterben.
Immer wieder wird CSU-Ikone Franz Josef Strauß als leuchtendes Beispiel für ein rhetorisches Feuerwerk vor dem bierseligen Parteivolk genannt. Doch die Zeiten der Giftattacken, der Polarisierung sind vorbei. Dieses Spiel betreibt höchstens noch die AfD. Die anderen Parteien sind viel zu sehr miteinander in Koalitionen verwoben, als dass sie an Aschermittwoch verbrannte Erde hinterlassen könnten.
Für die politische Kultur bedeutet das keinen Verlust. Die Pointen können auch ohne Polemik sitzen. Dabei ist es auch eine Wohltat, dass das Streitthema Migration nicht mehr im Vordergrund steht. Auch sichere Beifallsthemen wie der Kruzifixstreit spielten bei der CSU diesmal keine Rolle. Dafür dominierte der Europawahlkampf das Passauer Terrain. Keine Überraschung, der Niederbayer Manfred Weber soll ja EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beerben. Ein Top-Posten also in Händen der Christsozialen. Dass Weber in der CSU offenbar ein kleines Europa-Feuer entfacht hat, ist die beste Nachricht dieses Tages. Vor einem Jahr gab es da von Horst Seehofer noch ganz andere Töne zu hören.
Der politische Aschermittwoch gilt als Seismograph für Stimmungen. Für den Wähler dient er bei aller Überspitzung als Orientierung. Und da klang vieles in diesem Jahr eher konstruktiv als kratzbürstig. Das macht Hoffnung auf einen Wahlkampf, in dem für ein starkes Europa an einem Strang gezogen wird. Ein Prosit auf diese Botschaft vom "größten Stammtisch der Welt"!
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.