Kaum darf man wegen Pandemie und Ukraine-Krieg mal vier Jahre nicht zum Starkbieranstich, schon überschlagen sich die Ereignisse. Andere Köpfe grüßen von der Singspiel-Bühne, Merkel ist nur noch ein Sidekick und Söder hat ein neues Double. Weil sich offenbar partout kein Mann und auch kein Schlumpf finden ließ, um stilecht in die Rolle des Bundeskanzler zu schlüpfen, haben sie halt eine Frau genommen, was sich als gute Wahl entpuppte. Wenigstens eines ist geblieben: Das Bier haut rein wie eh und je!
Genauso übrigen wie der Maxi Schafroth. Nach vier Jahren darf auch er endlich wieder auf die Bühne – das Warten hat sich gelohnt. Man fragt sich, warum Markus Söder und Hubert Aiwanger so selten in den Landtag kommen, aber freiwillig und unbedingt auf den Nockherberg. Denn in Hohen Haus ein paar Hundert Meter die Isar runter werden sie selten so sauber abgewatscht wie vom Fastenprediger Schafroth. Söders politische Bilanz erinnert ihn an einen alten Tintenstrahldrucker: Langsam, aber laut. Und das Vertuschen von Pannen wie bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München klappt bei der CSU auch nicht mehr so gut. "Ich hab den Eindruck, seit so Leut wie der Scheuer weg sind, habt ihr einen Fachkräftemangel im Bereich strategisches Bescheissn", lästert Schafroth. Kleiner Tipp hinterher: "Es sind Kirchenvertreter da, die haben Connections, lasst euch von denen erklären, wie ma handwerklich sauber vertuscht."
Aiwanger als "außer Kontrolle geratener Brennstab"
Der Aiwanger Hubert, sagt Schafroth, sei ein "außer Kontrolle geratener Brennstab", so wie der auf Twitter nichts unkommentiert lasse. Wie ein "reizüberflutetes Kind" komme der daher. Nur in der Regierung sei er zahm. "Der Hubert hat's sich im Söder-Schwitzkasten bequem gemacht. Denn wer aus der konventionellen Landwirtschaft kommt, kann auch mit einem Metallbügel um den Hals ein Freiheitsgefühl entwickeln." Was Söder und Aiwanger gemeinsam ist, hat Schafroth auch schön analysiert: Das Weltmännische eines Robert Habeck. Der Robert sei der "Selfmade-Man, der mit weicher Stimme ausm Reclam Sartre zitiert, in einer Zeit, wo die Herren hier vorn noch mitm Pixi-Buch überfordert waren". Grüne und FDP bekommen auch ihr Fett ab, nur die SPD, die ist Schafroth nur zweieinhalb Nebensätze wert. Höchststrafe auf dem Nockherberg.
Statistische 32,5 Restjahre
Zum Ende hin kühlt Schafroth den Saal wieder ein wenig herunter, wird ernst und nachdenklich. Er spricht darüber, wie gut wir es doch hierzulande hätten, im Frieden leben könnten. Er dürfe hier frei reden und die Mächtigen derblecken, ohne befürchten zu müssen, dafür eingesperrt zu werden. Wer dieses "Glück der Freiheit" nicht schätze, der solle "Platz machen für Leute, die zu uns wollen und an der Freiheit teilhaben möchte". An dieser Stelle schwillt tosender Beifall an, der Saal steht auf, ein, zwei Minuten lang. Aber Schafroth hat noch nicht fertig, sondern einen Appell an die Mächtigen vorne an den Tischen: Man möge doch die jungen Leute, die sich auf die Straßen kleben, nicht einfach wegsperren, sondern ihre Anliegen ernst nehmen. "Die haben noch länger auf diesem Planeten als ihr mit euren statistischen 32,5 Restjahren."
Schafroth räumt die Bühne für das traditionelle Singspiel, wo die Bayernkoalitionäre Söder und Aiwanger - mit einem bemitleidenswerten CSU-Generalsekretär Martin Huber oder so ähnlich - auf einer einsamen Insel stranden und dort das Berliner Ampel-Trio treffen. Es geht, wie gerade im richtigen Leben, um das Bewältigen einer schweren Krise. Die Bayern tun das geschäftig, aber irgendwie ziellos, die Berliner bedächtig und streitend, aber glücklos. Die Bayern finden das doof und sich selbstredend besser - halt auch wie im richtigen Leben. Frech ist's, treffend und sehr weite Teile auch lustig. Am Ende hat die Gschicht sogar eine Moral. Vielfalt tut der Demokratie gut, aber – aufgemerkt! – Krisen bewältigt man am besten gemeinsam.
Dass Olaf Scholz von einer Frau (Nikola Norgauer) gedoubelt wird, hat man spätestens nach zwei Minuten vergessen, weil sie redet und gestikuliert wie der echte. Im Fußball würde man sagen: Ein Königstransfer. Dafür fremdelt man noch etwas mit dem neuen Söder (Thomas Unger), der seinen grandiosen Vorgänger Stefan Zinner noch aus den Köpfen des Publikums spielen muss. Aber, wie zuletzt eigentlich immer auf dem Nockherberg: Tolles Ensembles, die Auftritte mitunter besser als die der Originale. Wer's nicht gesehen hat, dem sei ein Besuch der BR-Mediathek dringend empfohlen.
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