Was Josef Ziegler 1991 bei seinem ersten Besuch in Krankenhäusern der Ukraine sah, konnte er nicht vergessen: "Alles war kaputt, es gab keine Geräte, es wurde nicht steril gearbeitet. Ich war erschüttert und konnte nicht glauben, noch in Europa zu sein." Als Landarzt in Pfreimd begleitete der gebürtige Weiherhammerer damals als Chefarzt des BRK Schwandorf den ersten Hilfskonvoi mit humanitären Gütern, den der Schwandorfer Landrat Hans Schuierer kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die Ukraine schickte. Im Norden des Landes sollte den Menschen geholfen werden, die aus dem atomar verstrahlten Gebiet von Tschernobyl geflohen waren.
Die "katastrophale Ausstattung" der Krankenhäuser und die große Dankbarkeit der Menschen in der Ukraine waren der Anstoß für Ziegler, die Hilfe bis heute fortzuführen. "Ich habe mir gedacht, so darf und kann es nicht bleiben", sagt der 78-Jährige. "Die medizinische Versorgung war schlimmer als in einem Feldlazarett."
1,3 Millionen aus der Oberpfalz
1992 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Angelika die "Aktion Tschernobyl". Der Pfreimder Hilfsverein mit seinen aktuell rund 80 Mitgliedern erhielt von der Bundesanstalt für Zivilschutz aus ganz Deutschland medizinische Güter und Geräte, die in die Nordukraine gebracht wurden. Zudem kamen bisher allein aus der Oberpfalz Spendengelder in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro zusammen, sagt Ziegler. Anfang des Jahres erhielten drei Vereinsmitglieder für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz.
Alles ist dramatisch veraltet. Es ist ein ganz anderes Niveau, als es die Bayern kennen.
Auf die Hilfe aus der Oberpfalz wurde das ukrainische Gerneralkonsulat in München aufmerksam. Am Montag reiste Konsul Dmytro Shevchenko an, um den Helfern der "Aktion Tschernobyl" und den Menschen in der Region dafür zu danken. Der 36-Jährige machte Station beim Gymnasium in Nabburg, dessen Schüler seit Jahren für die Ukraine Spenden sammeln. In Hirschau nahm Shevchenko zwei von der Conrad-Stiftung finanzierte Sanka entgegen und in Pfreimd trug sich der offizielle Vertreter seines Landes ins Goldene Buch der Stadt ein.
200 Kilometer zum Krankenhaus
Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien sagte der Diplomat, der in Berlin Rechtswissenschaften studierte und seit 2017 im Münchener Konsulat arbeitet, es habe in den 1990er Jahren eine große internationale Hilfsbereitschaft gegeben. "Aber viele Organisationen haben sich im Laufe der Zeit zurückgezogen. Umso dankbarer sind wir, dass Herr Ziegler uns nicht vergessen hat."
Die Ukraine würde noch immer unter einer hohen Zahl an Krebserkrankungen und genetischen Veränderungen leiden. "Wir sind sehr dankbar für diese Hilfe, und auch in Zukunft brauchen wir weiter Hilfe." Doch warum ist nach fast 30 Jahren Unterstützung das Gesundheitswesen noch immer marode?
"Laut ukrainischer Verfassung übernimmt die medizinische Versorgung komplett der Staat. Bürger müssen keine Krankenversicherung zahlen wie in Deutschland und sich um nichts kümmern. Doch das ist nur Theorie", sagt der Konsul. Auf dem Land würden alle Geräte noch aus Sowjet-Zeiten stammen. "Manchmal liegt das nächste Krankenhaus über 200 Kilometer entfernt. Alles ist dramatisch veraltet. Das ist ein ganz anderes Niveau, als es die Bayern kennen."
Die "Aktion Tschernobyl" unterstützt vier Partnerkrankenhäusern in Kiew, Jagotin, Uljanovka und Naroditschi (am Rand der evakuierten Zone von Tschernobyl) und hat schon viel erreicht. "80 Prozent der modernen Geräte, die Sie bei uns im Krankenhaus sehen, kommen aus dem Ausland." Das Problem liege im System. Die Krankenhäuser seien finanziell "chronisch unterversorgt und die Kommunen dürfen nicht selbst über die Gelder verfügen". Hinzu komme Korruption als ein weiteres Problem. Laut Shevchenko liegen die Hoffnungen auf Reformen des neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Aber: "Der Hilfsbedarf ist so groß wie vor 20 Jahren. Und der Angriff Russlands auf die Krim und die Ostukraine 2014 hat es nicht besser gemacht."
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