"Lasertag"-Spiel mit Panzern: Wie die US-Armee und ihre Partner in Hohenfels den Krieg üben

Hohenfels
16.09.2023 - 16:39 Uhr
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Wer "stirbt", muss 24 Stunden in einem Zelt warten: Auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels trainieren derzeit tausende Soldaten für den Fall, dass die Nato in Osteuropa angegriffen wird – mit Platzpatronen, Lasersystem und Fake-Verletzungen.

Die auf dem Panzer montierte Lampe blinkt orange, wie eine Warnleuchte für Straßenbaustellen, und das bedeutet nichts Gutes. "Der Panzer ist zerstört", sagt Major John Ambelang und zeigt auf das Blinken. Eine panzerknackende Mine war's. Der Stryker ist damit außer Gefecht, obwohl er unversehrt ist, nicht einmal einen Kratzer hat. Es ist alles nur eine Übung.

Die Mine war ein olivfarbener Sandsack – und wurde von der eigenen Einheit gelegt, vom Panzer dann aber übersehen. "Deswegen trainieren wir", sagt Ambelang vom Pressebüro des US-Truppenübungsplatzes Hohenfels. Damit so etwas im Ernstfall nicht geschieht.

Auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels trainieren aktuell rund 4000 Soldaten aus 16 Ländern, Nato-Mitglieder und Partner. Unter anderem aus Großbritannien, Frankreich, Polen, Armenien und natürlich den USA. Auch eine US-Einheit aus Vilseck ist dabei, für sie ist es die "wichtigste Übung des Jahres", sagt Ambelang. Es sei eine komplexe Großübung, Dauer: vier Wochen. Name: Saber Junction 23. Man will die "Stärke der Allianz demonstrieren", hieß es in der Pressemitteilung zu Beginn der Übung Ende August. Es geht aber auch um die Zusammenarbeit der verschiedenen Länder. "Wir müssen als Team arbeiten", sagt der Major in Hohenfels. Man müsse bereit sein für den Fall, angegriffen zu werden. Die Übung soll deswegen so realistisch wie möglich ablaufen.

"Verletzte" müssen ins Lazarett

Apache- und Blackhawk-Hubschrauber fliegen über die Bäume, auch Stryker-Panzer und Haubitzen sind im Einsatz. Ab und zu knallt es irgendwo. Soldaten tragen richtige Maschinengewehre – nur ein farbiger Aufsatz zeigt, dass damit nicht scharf geschossen wird.

Platzpatronen, damit wird hier hantiert, egal ob bei Gewehr, Panzer, Haubitze oder Hubschrauber. Ob jemand oder etwas getroffen wird, zeigt ein Computersystem an, erklärt Major Ambelang, der an einem der Übungstage Journalisten und Fotografen durch den Truppenübungsplatz führt. Feuert ein Soldat eine Platzpatrone ab, wird gleichzeitig ein Laser abgeschossen, der am Gewehr befestigt ist. Die Soldaten tragen Sensoren an Oberkörper und Helm. Ein Lesegerät, das zur Ausrüstung gehört und in etwa so groß ist wie ein Handy, sagt ihnen, wenn sie getroffen wurden. Es sagt ihnen auch, wie stark sie getroffen wurden, ob sie "verletzt" sind oder "tot". Wie "Lasertag" – ein Spiel, ähnlich wie Paintball – sei das, so Ambelang, nur halt viel größer. Mit Panzern, Minen, Hubschraubern. Und mit echten Konsequenzen.

Wer "verletzt" wird, bekommt eine Karte, auf der steht, wie schwer die Verletzung ist, erklärt der Major, während er durch kniehohes Gras stapft. Dass man einen Arm verloren hat, zum Beispiel. Dann muss es schnell gehen. Wer zu spät ins Feldlazarett gebracht wird, überlebt nicht. Und wer "stirbt", wird in ein Extra-Zelt geschickt und muss dort für 24 Stunden bleiben. Schiedsrichter überwachen alles.

"Bedrohung der Nato"

Vor dem Feldlazarett warten fünf armenische Soldaten. Ein Sanitätspanzer der US-Armee rollt an, die Armenier schnappen sich eine Trage, laufen los, nehmen einen Verletzten auf, schleppen ihn ins Zelt. Dort liegen bereits ein paar Patienten, einer hat ein verbundenes Auge, bei einem klebt der Verband am Bauch. Geräte piepen, olivfarbene Rettungsdecken rascheln, die Armenier wuseln durch das Zelt. Die Karten der eingelieferten Soldaten zeigen, welche Verletzungen sie haben. Dann müssen die Sanitäter entscheiden, was zu tun ist, ob der Patient operiert werden muss oder nicht. "Wir wissen vorher nicht, wann wer kommt und was er hat", erklärt der armenische Major Karen Ghukasyan, der die Einheit führt. Vergangene Nacht, so erzählt er, kam es zu einem plötzlichen Einsatz: "Eine Einheit wurde bombardiert, 26 Verletzte." Die Armenier arbeiteten fast die ganze Nacht durch.

Der Truppenübungsplatz Hohenfels kann fast alles abbilden, was die US-Armee für Übungen braucht, sagt Captain Harold Shorter. Wald, Hügel, offenes Gelände. Panzer gegen Panzer, Artillerie. Auf dem Gebiet befinden sich kleine Städte, kleine Dörfer, mit Minarett, mit UN-Flüchtlingsstation. Es gibt Leute, die Zivilisten spielen, die Reporter spielen. "Wir haben sogar ein Fake-Twitter", sagt Major Ambelang. Da werden Infos gestreut, der Geheimdienst muss diese dann auswerten. Eine 500-Köpfe-Einheit ist ständig auf dem Übungsplatz stationiert – die Soldaten, immer in schwarzer Uniform, spielen die Gegner. Früher waren das oft Taliban. Dieses Mal ist es niemand spezielles, sagt Ambelang. Nicht China, nicht Russland. Simuliert wird eben einfach nur eine "Bedrohung der Nato in Osteuropa".

Langeweile im Versteck

In einer Senke bauen Vilsecker US-Soldaten mehrere Haubitzen auf, graben Löcher, decken die Geräte mit Tarnnetz ab. Die Geschützrohre richten sich auf die bewaldete Anhöhe. Dort wird der Gegner vermutet. Ein paar Kilometer entfernt sitzen französische Soldaten auf einem dicht bewachsenen Hang am Waldrand. Von der Straße aus sind sie nicht zu sehen, von ihrem Beobachtungspunkt aus haben sie aber jede Menge im Blick. Ein Franzose liegt unter einem Tarnnetz, die Hände hinter dem Kopf zusammengefaltet. "Langweilig ist es", sagt er und lacht. "Wir haben hier nichts zu tun." Seit sechs Tagen harren die Soldaten in ihrem Versteck schon aus. Sie schlafen dort, essen dort. Wenn sie mal müssen, graben sie sich ein Loch. Im Krieg gibt es an solchen Orten ja auch kein Dixi-Klo.

Manchmal läuft's einfach schlecht. Major Ambelang will den Journalisten und Fotografen, die teilweise aus den Niederlanden angereist sind, zeigen, wie eine Shadow-Aufklärungsdrohne mittels Katapult startet. Die Wolken hängen aber zu niedrig, der Start wird abgesagt. Und auch ein Panzer streikt. Der sollte eigentlich einen 30 Prozent steilen Berg hinauffahren, tut es aber nicht. Motor überhitzt, heißt es, für eine Übung sei das jetzt zu riskant. "Im Krieg", sagt einer der Soldaten, "hätten wir es wahrscheinlich trotzdem versucht."

Hintergrund:

Truppenübungsplatz Hohenfels

  • Lage: Der Übungsplatz liegt bei Hohenfels (Landkreis Neumarkt). Im Nordwesten grenzt er an Utzenhofen, im Nordosten an Schmidmühlen (beide Landkreis Amberg-Sulzbach).
  • Größe: Etwa 16.000 Hektar groß.
  • Verwalter: Die USA, genutzt wird er von der US-Armee.
  • Einzigartigkeit: In seiner Funktion der Einzige in Europa. Es gibt noch zwei weitere gleichartige Einrichtungen - die befinden sich aber in den USA.
  • Unterschied zu Grafenwöhr: Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird mit scharfer Munition geschossen, in Hohenfels werden mit Platzpatronen und einer Lasertechnologie Manöver geübt.
 
 

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