14.02.2024 - 15:55 Uhr

Hubert Aiwanger ganz zahm: Nicht der kleinste Seitenhieb gegen die CSU

Der Politische Aschermittwoch steht traditionell für deftige Verbalkost. Eigentlich wie gemacht für Hubert Aiwanger. Doch dieses Mal lässt er sich nicht einmal von Fouls der CSU provozieren. Echte Aiwanger-Sätze gibt es trotzdem zu hören.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wetterte am Politischen Aschermittwoch gegen die Politik der Bundesregierung und der Europäischen Union. Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wetterte am Politischen Aschermittwoch gegen die Politik der Bundesregierung und der Europäischen Union.

Um diesen überraschend unkrawalligen Aschermittwoch bei den Freien Wählern zu verstehen, muss man ein paar Tage zurückblicken. Am anderen Ende der Telefonleitung ist Florian Streibl, der Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag. Man redet über die Koalition in Bayern, über sinkende Umfragewerte und kommt dabei auch auf Hubert Aiwanger zu sprechen. Streibl atmet an dieser Stelle erst einmal tief durch. Auch ihm ist zuletzt immer wieder aufgestoßen, wenn sein Parteichef auf Demos plumpe Parolen gedroschen oder sich ehrenrührig über die Konkurrenz geäußert hatte.

Kurze Stille also im Telefonhörer, dann gibt Streibl eine differenzierte Antwort: "Hubert Aiwanger hat oft eine sehr direkte Wortwahl, die aber auch breit verstanden wird." Dabei sei es doch so, dass sich viele Bürger, aber auch Medienschaffende, Politiker wünschten, "die das Herz auf der Zunge tragen und als Charaktere oder Originale gelten". Man dürfe sich deshalb "nicht so arg beschweren", wenn es mal wieder einen solchen gebe. Auch wenn Aiwanger manchmal über das Ziel hinausschieße. "Manche reden halt etwas deftiger", meint Streibl. Aber er sagt auch: Jetzt, wo die Bauern-Demo-Welle allmählich abflaue, brauche es eine Rückkehr zur sachlichen Tagespolitik. Er bezieht Aiwanger da ausdrücklich mit ein. Immerhin hätten die Freien Wähler im Wahlkampf mit dem Slogan "Anpacken für Bayern" geworben. "Das müssen wir jetzt umsetzen", fordert Streibl.

Keine Erwähnung der CSU

Und damit in die Stadthalle Deggendorf und zum Hauptredner Hubert Aiwanger. Rund 1000 Menschen sind gekommen zur "größten Veranstaltung des gesunden Menschenverstands in Deutschland", wie Aiwanger in die Menge ruft. Die meisten warten, dem Anlass traditionell angemessen, auf deftige Kost. Schon allein deshalb, weil Markus Söder als Chef des Koalitionspartners CSU am Vortag noch mit kleinen Fouls bezüglich der demokratischen Gesinnung der Freien Wähler provoziert hat und noch kurz vor Aiwangers Auftritt bei seiner Aschermittwochsrede in Passau seinen Vize-Regierungschef hat wissen lassen, dass dieser regieren und weniger demonstrieren solle.

Aiwanger aber lässt sich dadurch nicht aus der Reserve locken. In einer einstündigen Rede, die im Landtag – mit Abstrichen – auch als Regierungserklärung durchgehen könnte, verwendet er die Buchstaben C, S und U in dieser Reihenfolge kein einziges Mal. Nicht einmal der kleinste Seitenhieb auf Söder. Stattdessen eine Hommage an den Bauern- und den Mittelstand und eine klare Verortung der Freien Wähler in der Mitte der Gesellschaft: "Wir sind das starke Bollwerk der Demokratie in der Mitte, wir verhindern, dass die Gesellschaft auseinandergetrieben wird und dass die Ränder links und rechts immer mehr Futter bekommen."

Cannabis-Legalisierung verantwortungslos

Ansonsten arbeitet sich Aiwanger an der Berliner Ampel ab, die mit ihrem Tun die politischen Ränder stärke und den Wohlstand Deutschlands ruiniere. "Ampel, kehr um! Du machst grandios falsche Politik", wettert er. Um die wirklichen Sorgen und Probleme der Menschen solle sie sich kümmern, "und nicht den Leuten mit woken Themen in der Nase bohren". Das kommt an bei der Zuhörerschaft. Es geht um die Wirtschaft, das Bürgergeld, die Bürokratie, die Migration und die Cannabis-Legalisierung. "Völlig verantwortungslos" sei diese Drogen-Freigabe. "Den Agrar-Diesel können wir uns nicht leisten, aber diesen Unsinn sollen wir uns leisten können", fügt Aiwanger in einem weiten Bogen zusammen, was eigentlich nicht viel miteinander zu tun hat. Das gelingt ihm auch beim Blick auf Europa: "Da machen sie in Brüssel eine Hygienerichtlinie für die Dorfmetzgerei, aber schaffen es nicht, die Außengrenzen zu sichern." Als übergreifendes Fazit formuliert Aiwanger schließlich: "Wir müssen die Probleme an der Wurzel lösen und nicht nachher, wenn die Dinge eskaliert sind, in Krokodilstränen ausbrechen."

Florian Streibl redet auch in Deggendorf. Er übernimmt die Antwort auf die jüngsten CSU-Schmutzeleien in Richtung der Freien Wähler. 15,8 Prozent habe man bei der Landtagswahl geholt, zweitstärkste politische Kraft sei man geworden. "Wir sind nicht mehr der kleine Partner, wir sind erwachsen geworden, liebe CSU", schickt er herzliche Grüße die Donau runter nach Passau. Und einen eingängigen Beweis, dass die Freien Wähler die politische Mitte repräsentieren, hat Streibl auch: "Wenn man in einen Krapfen beißt, dann ist die Aprikosenmarmelade in der Mitte - und die ist orange" – so wie die Parteifarbe der Freien Wähler. Auf der Heimfahrt von Deggendorf erreicht man Streibl über die Auto-Freisprechanlage. Ob Aiwangers Rede nach seinem Geschmack gewesen sei? "Ja, das war eine gute und ausgewogene Rede", antwortet Streibl. Er klingt erleichtert und beschwingt zugleich.

 
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