Langsam dürfte der EU dämmern, dass ihr die größten Gefahren nicht von außen, sondern von innen drohen. Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Brexit, und dann noch die Demokratiedefizite in Polen und Ungarn. Auch ein Gebilde wie die Europäische Union kommt ohne ein Mindestmaß an Gemeinsamkeiten im Geiste nicht aus.
Jetzt also zeigt die EVP, der Zusammenschluss der konservativen Parteien Europas, Ungarns Regierungschef Viktor Orban endlich die gelbe Karte. Besser spät als nie. Und dennoch ist gerade der CSU vorzuwerfen, dass sie Orban bis zuletzt hofiert hat - mit wiederholten Einladungen zu den Parteiklausuren und nach München. Manfred Weber muss jetzt die Suppe auslöffeln, die ihm Horst Seehofer eingebrockt hat.
Jean-Claude Juncker wird vielleicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der Europa auch in schwierigen Zeiten zusammengehalten hat. Der Preis dafür aber ist hoch. Denn Juncker hat sich zu lange auf der Nase herumtanzen lassen. Von den Briten. Von den Polen. Von den Ungarn.
Ob Weber, der Niederbayer, das Zeug dazu hat, die EU nach den Europawahlen im Mai wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen? Immerhin kämpft er um europäische Prinzipien. Langwierige Vertragsverletzungsverfahren sind sicher ein Weg dazu, der zeitweise Ausschluss aus der Parteienfamilie auch. Aber noch effektiver wäre es, den Dauer-Querulanten den EU-Geldhahn zuzudrehen.
2002 wurde Orban zu einer der Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei (Dachverband der christlichen Parteien, u.a. CDU, CSU, ÖVP etc.) gewählt. Zuvor war Viktor Orban Vorsitzender des Kommunistischen Jugendbundes (KISZ), der Jugendorganisation der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Er hat mit der Gründung seiner rechts-nationalen Partei FIDESZ inzwischen das gesamte politische Spektrum durchlaufen. Durch eine Reihe von fragwürdigen Gesetzen werden die Justiz, NGO´s und die Pressefreiheit in Ungarn stark eingeschränkt. Alle Schaltstellen der Macht werden von einer Clique Orban-Getreuer besetzt, die sich seit der gemeinsamen Jugendzeit in der KISZ kennen. Die öffentlich-rechtlichen Medien in Ungarn wurden unter Orban praktisch „gleichgeschaltet“, stellten EU-Beobachter fest. Die EU hat mehrere Verfahren wegen Verletzungen mehrerer EU-Verträge gegen Ungarn eingeleitet und Menschenrechtler prangern Ungarn scharf an. Inzwischen hat sich Orban mit Waffenkäufen in Russland wieder stark seinem alten Freund Putin angenähert. Trotz großer Versprechungen hat Orban das Land in die wirtschaftliche Krise geführt. Ungarn hat sich unter seiner Führung zu einem „europäischen Schurkenstaat“ entwickelt, wie die „Welt“ schreibt. Ehrlicher wäre ein Austritt Ungarns (und einiger anderer osteuropäischer Staaten) aus der EU, doch dann müsste man ja auf die liebgewordenen Zahlungen aus Brüssel verzichten. Orban hat bereits angekündigt, sein Veto gegen eine Verurteilung Polens einzulegen und lässt damit die EU-Sanktionen gegen die Entdemokratisierung Polens ins Leere laufen. Im Jahre 2001 wurde Orban der Franz Josef Strauß-Preis verliehen, der sich als eine „Auszeichnung für hervorragende Leistungen in Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur“ versteht. Noch 2018 war Orban bei einem CSU-Treffen in Seeon. Man fragt sich, wieso die CSU einem ausgewiesenen Antieuropäer, der in seinem Demokratieverständnis Sultan Erdogan gleicht, immer wieder eine politische Bühne bot? Eines Tages, nach dem Ende der EU, wird man sagen, mit Orban hat alles angefangen.
Manfred Weber, der Vorsitzende der Fraktion der konservativen Volkspartei (EVP) spielte dabei stets eine unglückliche Rolle und war immer einer der größten Verteidiger Orbans. Statt klarer Ansagen gab es stets nur butterweiche Kritik. Bei seinem Besuch in Weiden 2017 verteidigte Weber noch Orban vehement.
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