Theo Waigel ist dieser Tage 85 Jahre alt geworden. Der CSU-Ehrenvorsitzende und frühere Bundesfinanzminister hatte aus diesem Anlass politische Prominenz und Weggefährten zu einer Feier in eine der nobleren Adressen Münchens eingeladen. Eigentlich eine unverfängliche Veranstaltung, aber eine Meinung zum Tagesgeschäft in Berlin und München hat der Politpensionär Waigel trotzdem noch. Und so klärte er an diesem Abend, wie Anwesende später berichteten, so ganz nebenbei die Frage der Kanzlerkandidatur für CDU und CSU. Zumindest jedenfalls in diesem Kreis.
Als Gast mit dabei war nämlich CDU-Chef Friedrich Merz. Man kennt und schätzt sich noch von früher aus dem Bundestag. Waigel ergriff also den Berichten zufolge im Laufe des Abends das Wort, wobei er sich launig als "altes Schlachtross" vorstellte. An Merz gewandt kündigte er dann an, dass er im nächsten Bundestagswahlkampf noch einmal in die Schlacht ziehen wolle - "und ich würde das gerne an deiner Seite tun". Markus Söder war übrigens trotz Einladung nicht gekommen, wegen anderer Termine. Vielleicht hatte er ja auch eine Vorahnung.
"Wie aus einem Guss"
Andererseits hatte der CSU-Chef seine eigenen Ambitionen auf das Kanzleramt schon ein paar Stunden vorher in der Parteizentrale ziemlich heruntergedimmt. Er nahm dafür einigen Anlauf. Zunächst ließ er sich über den Zustand der Ampel in Berlin aus. Das jüngste Positionspapier der FDP sei "nichts anderes als eine Scheidungsurkunde", weil SPD und Grüne den darin enthaltenen Punkten nie und nimmer zustimmen würden. "Wenn man raus will, dann soll man es auch tun", richtete Söder einen Appell an die FDP und plädierte für Neuwahlen. "Eine eineinhalbjährige Zeitverzögerung, um nur noch an Ämtern, Dienstwagen und Gehältern zu kleben, ist unwürdig."
CDU und CSU seien auf den Fall der Fälle vorbereitet, fuhr Söder fort, die Zusammenarbeit, auch die mit Friedrich Merz, laufe "wie aus einem Guss". An diesem Punkt leitete Söder vorsichtig zu den "Personalfragen" über. Denn egal wann die nächste Bundestagswahl sein wird, einen Kanzlerkandidaten wird die Union dafür brauchen. Dieser, erklärte Söder, werde im kommenden Herbst bestimmt, "Favorit ist ganz klar die CDU". Als ob Söder darüber selbst etwas erschrocken gewesen wäre, fügte er schnell an: "Klar ist auch: Es geht nur mit einer starken CSU, und ohne einen starken Ministerpräsidenten aus Bayern gibt es keine Mehrheit für die Union in Deutschland."
Seine persönlichen Pläne? Da holt Söder noch einmal etwas aus. Er sehe auf der Kandidatenliste für die Bundestagswahl "keinen bayerischen Minister", zumindest nicht von der CSU. "Ich brauche Minister, die 120 Prozent brennen für Bayern und nicht die Hälfte ihrer Zeit woanders sind." Mit diesem Satz, der natürlich auch ein Seitenhieb auf Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger war, war Söders Bogen endlich weit genug gespannt, um auf sich selbst zu sprechen zu kommen. "Als Kanzlerkandidat kandidiert man für den Bundestag. Wenn man das aber nicht tut, ist klar, dass der Platz in Bayern ist", sagte Söder. Käme ja auch schlecht, wenn der Chef seinen Ministern die Kandidatur verbieten, aber selbst auf der CSU-Bundestagsliste stehen würde. Überhaupt: "Ich bin lieber ein Super-Ministerpräsident als ein Superminister."
Schäuble im Weg
Nun hatte Söder schon vor der Bundestagswahl 2021 stets erklärt, sein Platz sei in Bayern, um sich unter diesem Deckmantel als Alternative für den designierten CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in Position zu bringen. Aber dieses Mal scheint die Lage anders. Zwar lebt Wolfgang Schäuble nicht mehr, der damals die Ambitionen Söders dank seiner Aura als graue Eminenz der CDU mit einem Machtwort beendete. Aber während Laschet den Rückhalt seiner Partei nach und nach verloren hatte, sitzt Merz aktuell ziemlich unumstritten im Sattel. Die Umfragewerte für die Union sind, auch dank des Zustands der Ampel, stabil gut. Und selbst wenn die CDU bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten verlieren sollte, glauben Kenner der Szene nicht daran, dass dies Merz intern in Bedrängnis bringen würde.
Es ist in der CSU eine Binse, dass einer der ihren nur dann eine Chance aufs Kanzleramt hat, wenn dafür aus akuter eigener Personalnot oder innerer Zerstrittenheit der Ruf aus der CDU kommt. So war das 1980 bei Franz Josef Strauß, der sich am hanseatischen SPD-Sturkopf Helmut Schmidt die Zähne ausbiss, so war es - wenn auch knapper - 2002 bei Edmund Stoiber, den der Bonvivant Gerhard Schröder an sich abperlen ließ. Es scheint so, als würde sich Söder nun mit diesen Gesetzmäßigkeiten abfinden. Das Schlachtross Theo Waigel würde andernfalls wohl auch im Stall bleiben.
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