In einem gemeinsam veranstalteten Festakt im Maximilianeum haben der Landtag und das Innenministerium an die Verkündung des Grundgesetzes vor 75 Jahren erinnert. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte, das Grundgesetz habe seither "nichts von seiner Faszination verloren". Aktuelle Entwicklungen bedrohten aber die Demokratie. "Das Grundgesetz hat uns 75 Jahre geschützt, jetzt müssen wir das Grundgesetz schützen", betonte sie. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete das Grundgesetz als "Glücksfall in unserer Geschichte – auch und gerade für uns in Bayern". Er spielte damit auf die Ablehnung des Grundgesetzes 1949 im Landtag an. Dieser bewertete damals den Föderalismus in der Verfassung als nicht ausgeprägt genug.
Aigner hob hervor, dass das Grundgesetz Basis für Frieden, Freiheit und Wohlstand in Deutschland sei. Es erfülle sie aber mit Sorge, mit welcher Entschlossenheit einige der Demokratie ein gewaltsames Ende setzen wollten. Aigner verwies auf die mutmaßliche Verschwörertruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, der gerade der Prozess gemacht werde. Man dürfe es nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn eine Gruppe um einen bislang unbekannten Prinzen offenbar einen bewaffneten Umsturz geplant habe. "Diese Leute meinen es ernst, diese Leute sind gefährlich", sagte Aigner. Man müsse diesen und anderen Feinden der Demokratie das klare Bekenntnis entgegenhalten: "Wir wollen keinen anderen Staat!"
Kein Führerstaat, kein Kalifat
Nach den Worten Herrmanns hat sich Deutschland unter dem Grundgesetz zu "einer stabilen Demokratie, einem vorbildlichen Rechts- und Sozialstaat und einem verlässlichen europäischen und internationalen Partner entwickelt". Gegenüber den Feinden der Demokratie dürfe es keine Toleranz geben. "Fanatisch Intolerante" dürften nicht wieder die Macht übernehmen. "Das wollen wir nie mehr erleben, weder mit Neonazis, noch mit Stalinisten, auch nicht mit Neo-Imperialisten oder Islamisten", zählte Herrmann auf. "Wir wollen nie mehr einen Führerstaat, wir wollen auch kein Kalifat!" Die Demokratie müsse jeden Tag verteidigt werden, wozu alle Bürger aufgerufen seien. "Wir alle sind die Hüter der Verfassung, Demokratie braucht Mitspieler, keine Zuschauer", sagte Herrmann.
Erforderlich: Offenheit für Argumente
Als Festredner nannte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, als Wesenskern einer Demokratie, dass diese ihre Legitimation vor allem daraus ziehe, "dass die Minderheit die Chance hat, durch Wahlen zur Mehrheit zu werden". Das unterscheide die Demokratie von autoritären und totalitären Systemen. Erforderlich für eine funktionierende Demokratie sind laut Voßkuhle vor allem die "Achtung des Anderen" sowie die Offenheit für Argumente und Kompromisse.
"Der politische Gegner darf nicht zum Feind mutieren, die eigene Position darf nicht als allgemeingültig und absolut gesetzt werden, und man darf sie schon gar für den echten Volkswillen halten", mahnte Voßkuhle. In einem Ausblick warb er für eine Ausweitung der Elemente direkter Demokratie über Wahlen hinaus.
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