München
24.04.2023 - 16:27 Uhr

Verfassungsschutzbericht: "Reichsbürger"-Szene in Bayern wächst

Corona, Ukraine-Krieg, Inflation, Energieknappheit - Extremisten aller Couleur versuchen auf den vielfältigen Krisen ihr Süppchen zu kochen. Details zu den Gefahren listet der neue Verfassungsschutzbericht für Bayern auf.

Die "Reichsbürger"-Szene in Bayern ist deutlich gewachsen. Herrmann betonte, dass die Entwaffnung der "Reichsbürger" konsequent fortgesetzt werde. Symbolbild: Uli Deck/dpa
Die "Reichsbürger"-Szene in Bayern ist deutlich gewachsen. Herrmann betonte, dass die Entwaffnung der "Reichsbürger" konsequent fortgesetzt werde.

Extremisten aus verschiedenen Spektren sowie ausländische Agitatoren versuchen, die aktuellen Krisen für ihre Zwecke und eine Destabilisierung der Demokratie zu nutzen. Zu diesem Befund kommt der neue Verfassungsschutzbericht für Bayern, den Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag vorstellte. "Das Dauerfeuerwerk aus Fake News, Hetze, abstrusen Verschwörungstheorien und verzerrten Fakten kann mittelfristig die Widerstandskraft der Gesellschaft gegen derartige Einflüsterungen unterminieren", erklärte Herrmann. Man habe es mit einer "schwer zu durchschauenden und vielgestaltigen Agigationsmixtur" zu tun.

Hybridkrieg gegen Deutschland

Als besonders bedrohlich stufte Bayerns Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner die über russische Medien sowie das Internet verbreitete russische Propaganda ein. "Russland führt einen Hybridkrieg gegen Deutschland und andere Staaten", sagte Körner. Durch Bots und Trolle in den sozialen Netzwerken werde versucht, mit Falschmeldungen und Verschwörungsmythen die Gesellschaft zu spalten. Als Verstärker träte dabei die AfD auf. "Die AfD trägt dazu bei, dass russische Propaganda sich erfolgreich verbreitet", erklärte Körner. Auch deshalb begrüßte er wie Herrmann den Beschluss des Verwaltungsgerichts München aus der Vorwoche, wonach der Verfassungsschutz die AfD vorerst weiter wegen des Verdachts der verfassungsfeindlichen Bestrebungen beobachten dürfe.

Insgesamt ist die Zahl extremistischer Straf- und Gewalttaten im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Im Bereich des Rechtsextremismus lag das Minus jeweils bei gut 50 Prozent auf 787 Straf- und 23 Gewaltdelikte. Auch die Zahl der bekannten Rechtsextremisten sank leicht 2590. Konstant 1070 davon galten als gewaltorientiert. Sorgen bereitet den Sicherheitsorganen das Anwachsen des nicht in Parteien oder Organisationen gebundenen Personenpotenzials. Dies stelle die Verfassungsschützer vor neue Herausforderungen, bilanzierte Herrmann.

Starker Zuwachs in der "Reichsbürger"-Szene

Deutlich gewachsen ist dagegen die "Reichsbürger"-Szene. Sie erreichte mit 5360 Personen einen erneuten Höchststand (Vorjahr 4605). Zudem stieg die Gewaltbereitschaft. Insgesamt wuchs die Zahl der aus der Szene heraus verübten Straftaten von 425 auf 699 an. Herrmann betonte, dass die Entwaffnung der "Reichsbürger" konsequent fortgesetzt werde. 2022 seien 525 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen und dabei 1095 Waffen abgegeben worden. Die Behörden zogen zudem knapp 100 Waffen von Rechtsextremisten ein. In dieser Szene erhielt der Verfassungsschutz Kenntnis von Schieß- und Kampftrainings auf Schießständen in Tschechien, unter anderem in der Nähe von Eger (Cheb). Dort seien auch Übungen mit Kriegswaffen möglich, die in Deutschland verboten seien.

"Letzte Generation" ist nicht extremistisch

In der linksextremistischen Szene hat laut Verfassungsschutzbericht die Mobilisierungsfähigkeit nachgelassen. Bei Demonstrationen sei die Zahl der Teilnehmer aus dieser Szene weit hinter den Ankündigungen zurückgeblieben. Der Szene wurden 2022 3200 Personen zugerechnet, 500 weniger als im Jahr davor. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten ging von 471 auf 364 zurück, die der Gewalttaten von 47 auf 42. Laut Herrmann agieren die Gewalttäter aber "enthemmter" und gezielter. Wie Körner mitteilte, ist es Linksextremisten bislang nicht gelungen, die Aktionen von Klimaaktivisten zu prägen oder zu steuern. Gruppen wie "Fridays for Future", aber auch die "Letzte Generation" seien "noch im bürgerlichen Lager verankert". "Die allermeisten dieser Bewegungen sind nicht extremistisch, ihre Aktionen sind nicht gegen den Staat oder die Demokratie gerichtet", urteilte Körner.

Als "unverändert" bezeichnete Herrmann die Bedrohungslage durch islamistische Gruppierungen. Die größte Gefahr gehe allerdings von Einzelpersonen ohne Anbindung an eine bestimmte Organisation aus. Die Agitation der in Bayern tätigen Islamisten verlagere sich zusehends von öffentlichen Auftritten auf Info-Ständen hin zu vor allem bei Jugendlichen beliebten sozialen Netzwerken wie Instagram und TikTok.

 
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