Er hat es sich angeeignet, so wie viele andere auch. "Ohne" komme man heute kaum noch aus. Aber es sei die Zeit gekommen gewesen, in der Mathias Tretter nun auch diesen geheimen Studiengang "Völkisch" entdeckt habe. "Wichtiges Merkmal: Es gibt nur Präsens und Singular", so Tretter. "Der Jude", "der Moslem", "der Schwule" - das könne man beliebig weiterführen. Sobald solche Studenten des "Völkischen" eine Tastatur erblicken, "geht die Erika Steinbach mit ihnen durch". Und nur weil Rechte schreiben, führe das noch nicht zur Rechtschreibung.
Wenn Menschen in ihrem Hass auf Profis lieber Amateuren das Ruder überlassen, dann passiere es eben auch, dass Donald Trump Präsident wird. "Und das im selben Jahr, in dem David Bowie starb", ist Mathias Tretter am Donnerstagabend im Nabburger Schmidt-Haus immer noch fassungslos. Er trauert dem Bildungsbürger nach, der auch wirklich gebildet gewesen sei. Im Anschluss habe man es mit dem Wutbürger zu tun gehabt und heute grassiere überall der Hetzbürger: "Da fehlt zwar jede Allgemeinbildung, sie wissen es aber immer am besten."
Es ist also Zeit, eine neue Partei zu gründen, wie Tretter im Gespräch mit seinem fiktivem Kumpel Ansgar, promovierter Philosoph und jetzt als "Caretaker" (Hausmeister) an der Uni beschäftigt, diskutiert. Die Parteiprogrammatik sei schon ziemlich klar - rechts von der AfD und links von den Grünen, in der Hauptsache populistisch. Ziel müsse ein völlig religionsfreier Staat sein, gegen den die DDR im Vergleich als Gottesstaat erscheine. Als Wählerpotential werden die Atheisten ausgemacht, die die "warme Gemeinschaft der Gottlosen" bilden. Und nebenbei wird ein Widerspruch aufgelöst - "Atheisten machen Kreuze".
Atheismus also als Lösung für alle Probleme? Tretters fiktiver Freund Ansgar könnte darüber wohl stundenlang philosophieren. Denn es sei doch offensichtlich, dass sich bisher noch kein Terrorist auf Ungläubigkeit berufen habe. "Wir wollen die Gottlosigkeit an den Menschen bringen", so Ansgar. Das Gegenteil von Religiosität sei nämlich Gelassenheit und Lebensfreude, betont der Missionar des Atheismus.
Tretter überzeugt das Publikum mit Sprachwitz und ist keineswegs thematisch festgelegt. Er erörtert, was ein Lippenstift - den er übrigens ganz dick aufgetragen hat - mit einem Twingo und einem Porsche zu tun hat und zieht erstaunliche Parallelen von Thilo Sarazzin zu Karl Dall. Er seziert Helene Fischer als "trällernden Eintopf in Hot Pants" und ersetzt das euphemistische "Surfen" im Internet durch das, was es wirklich ist - nämlich "im Internet schwabbeln". Dass Ballermann und Gebärmutter über Gemeinsamkeiten verfügen, mag zwar anfangs überraschen, tut es nach den Tretter'schen Erklärungen doch nicht mehr.
In jene verrückte und absurde Welt passe es, Sicherheit in die Hände von Schützenvereinen zu legen, denn dann könne sich die Bundeswehr ausschließlich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren - nämlich die Brauchtumspflege. Fazit: Ein Kabarettabend, der nicht nur witzig ist, sondern auch nachdenklich stimmt.
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