06.12.2025 - 04:02 Uhr

Vom Nachtclub zur Kunst: Ein Besuch bei Mäzen Brabant

Frank Brabant lebt inmitten einer hochkarätigen Gemäldesammlung – sogar die Küche ist voller Bilder. Wie der Nachtclub „Pussycat“ sein Leben prägte und welche Rolle ein Teddybär spielt.

Frank Brabant ist ein Mäzen der ungewöhnlichen Art. Der 87-Jährige lebt in seiner Wiesbadener Dachgeschosswohnung inmitten Hunderter Bilder, der geschätzte Wert der Sammlung geht in die Millionen. In den Räumen findet sich kaum ein freier Fleck, auch nicht in der Küche oder im Bad, die Fenster sind teils von Kunst verdeckt.

Die hochkarätige Sammlung der klassischen Moderne ist in Fachkreisen bekannt. Ist doch mal eine Lücke an der Wand zu sehen, dann ist das Werk gerade an ein Museum weltweit verliehen. Seine Bilder seien „wie seine Kinder“, sagt Brabant. Knapp 700 Werke sind es inzwischen, darunter welche von Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und Alexej von Jawlensky.

„Die Sammlung Brabant ist vor allem aufgrund ihrer ungeheuren Dichte an Künstlerinnen und Künstlern der 1920er-Jahre einzigartig“, sagt der Kustos Roman Zieglgänsberger vom Landesmuseum Wiesbaden. In Brabants Wohnung hingen die größten Namen neben völlig Unbekannten und alles verschmelze zu einem gleichwertigen Kunstkosmos. 

„Frank Brabant hat über die Jahrzehnte völlig autodidaktisch ein untrügliches Gespür für Qualität entwickelt und hatte nie Scheu vor unbekannten Namen“, ergänzt Zieglgänsberger. „Viele seiner Künstlerinnen und Künstler wurden erst später groß entdeckt, etwa Elfriede Lohse Wächtler oder Hanna Nagel.“ Ihre Bilder hätten schon lange an seinen Wänden gehangen, als sie in Dresden oder Mannheim in Einzelausstellungen geehrt wurden.

Erstes Bild musste er in Raten bezahlen

Brabants erstes Bild ist ein Holzschnitt von Max Pechstein. Er besuchte zufällig eine Vernissage der Kunsthändlerin Hanna Bekker vom Rath in Frankfurt. Nach zwei spendierten Gläsern Wein wollte er nicht gehen, ohne etwas zu kaufen und suchte sich das günstigste Werk aus. „Den Preis von 300 Mark zahlte ich in Raten“, erzählt Brabant. Einige Jahre später eröffnete er 1968 mit der finanziellen Unterstützung seines langjährigen Lebenspartners das „Pussycat“, eine legendäre Schwulenbar und ein Szenetreff in Wiesbaden. Mit den Gewinnen aus dem Nachtclub baute Brabant seine Sammlung auf.

Dem 87-Jährigen merkt man sein Alter nicht an. Zugewandt und offen empfängt er Besucher, hellwach und manchmal fast spitzbübisch antwortet er auf Fragen und erzählt aus seinem bewegten Leben. 

Er halte sich mit täglichem Sport fit, sagt Brabant. Dazu zählen Seilspringen, Gymnastik und ein Heimtrainer. Bei der Ernährung setze er auf wenig Fleisch und viel Gemüse. „Ich versuche, so gesund wie möglich zu leben.“ Zudem nimmt er jeden Morgen zwei Löffel Lebertran, was mit Erfahrungen aus der Kindheit zusammenhänge: In den von Not und Hunger geprägten Jahren nach Kriegsende sei seine Mutter über ein Tauschgeschäft an eine Flasche Lebertran gekommen.

Den Zweiten Weltkrieg hat er in seiner Geburtsstadt Schwerin und in Stettin bei seinen Großeltern überlebt. In den Bombennächten spendet sein Teddybär ihm Trost. Das Stofftier wird ihm nach dem Einmarsch der Alliierten von einer Russin aus den Händen gerissen und weggenommen - ein Vorfall, der ihn sehr belastet hat und der viel später in seinem Leben noch ein Nachspiel haben wird. 

Brabant hadert mit dem DDR-Staat, stellt bei Parteiveranstaltungen kritische Fragen. Schließlich landet er in Stasihaft. „Drei Tage hielten sie mich fest und befragten mich, ob ich Kontakte in den Westen hätte. In meiner Zelle ging jede Stunde das Licht an“, erzählt er. Nach dem Vorfall packt der 20-Jährige einen kleinen Koffer, flieht per Zug in den Westen - zunächst nach Mainz, wo er Arbeit in einem Kaufhaus findet. 

„Zuerst habe ich in einem Schlafsaal mit 18 Leuten übernachtet, bevor ich in ein kleines Zimmer umziehen konnte“, erzählt Brabant. Allerdings wird er kurze Zeit später denunziert. Denn homosexuelle Handlungen sind bis etwa 1970 noch strafbar. „Meine Wirtin öffnete meine Post und fand den Liebesbrief eines Mannes. Sie ging damit zur Personalabteilung des Kaufhauses.“ Brabant verliert seine Arbeitsstelle und sein Zimmer. 

„Ich stand auf der Rheinbrücke und überlegte, ins Wasser zu gehen“, erzählt der 87-Jährige. Aber er rappelt sich wieder auf, zieht nach Wiesbaden und findet einen neuen Job bei einer Versicherung. Da ihm als Nachtschwärmer das frühe Aufstehen schwerfällt, eröffnet er den Nachtclub „Pussycat“.

Brabant hat nur in wenigen Ausnahmefällen ein Bild wieder verkauft. Er sei auch nicht schwach geworden, als ihm ein Russe acht Millionen Euro für ein Jawlensky-Werk bot, das lebensgroß eine Dame im roten Kleid zeigt. Wegen des Vorfalls mit der Russin und seinem Teddybären sei es für ihn unvorstellbar gewesen, sein Bild nach Russland zu verkaufen, sagt Brabant. Er schenkte das Gemälde dem Museum Wiesbaden.

© dpa-infocom, dpa:251206-930-387274/1

 
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