Kevin Coyne war ein unangepasster Zeitgenosse, wie Menschen, die ihn kennenlernen durften, beinahe unisono bestätigen. Was nicht negativ verstanden werden muss. Dem Mann aus dem englischen Derby, geboren am 27. Januar 1944, dürfte diese Einschätzung seiner Person vermutlich schnurz sein. Schließlich hat er sich am 2. Dezember 2004 von diesem Planeten verabschiedet. Nicht ohne uns staunenden und erstaunten Eigenbrötlern ein reichhaltiges Werk zu hinterlassen, das man hören, anschauen und bewundern kann.
Kevin Coyne entwickelte sich in den 1980ern zum Vagabunden: Er war einerseits verheiratet und hatte zwei Söhne, nahm regelmäßig Alben auf und war "on the road". Gleichzeitig konsumierte er Alkohol und Drogen in immer raueren Mengen. Was 1981 zu einem Nervenzusammenbruch führte.
Zweite Liebe in Nürnberg
Im Verlauf seiner Rehabilitation stellte Coyne den ureigenen Lebensentwurf infrage. Auf seiner Reise zu sich Selbst verschlug es den Rastlosen nach Nürnberg. Dort lernte er seine zweite (und letzte) Ehefrau Helmi kennen und lieben. 1985 bezog er sein Domizil in Franken, wo er am 2. Dezember 2004 in den Armen der Gattin friedlich entschlafen sollte.
Nürnberg tat Coyne gut, die Stadt nahm den Briten wie einen verlorenen Sohn mit offenen Armen auf. 1992 erhielt er gar den renommierten "Preis der Stadt für Kunst und Wissenschaft". Coyne selbst malte und musizierte unentwegt. Die Anhängerschaft wuchs langsam, aber stetig. Selbst als er Ende der 90-er die lebensbedrohliche Krankheit Lungenfibrose attestiert bekam, ließ er sich in seinen Aktivitäten nicht bremsen.
„Er machte auf mich persönlich keinen todkranken Eindruck. Ich war wie erstarrt, als mich Helmi am nächsten Morgen gegen acht Uhr anrief, um mir mitzuteilen, dass Kevin in der Nacht friedlich entschlafen sei.“
"Das größte Problem ist die Luft", meinte er zu den "Nürnberger Nachrichten" in einem letzten Gespräch. "Ich muss ständig große Sauerstoffflaschen dabei haben, was speziell auf Tournee äußerst lästig ist." Es bleibe ihm nichts anderes übrig, als die Krankheit zu akzeptieren, fügte er hinzu. "Sonst ist man ständig depressiv oder schlecht gelaunt, das will ich nicht sein", bekräftigte er. Wenige Stunden nach diesen Sätzen war Coyne tot. Und zur Legende geworden.
Autor dieses letzten Interviews ist der fränkische Journalist und Autor Steffen Radlmaier. Der 66-Jährige war über viele Jahre Feuilletonchef der "Nürnberger Nachrichten", ehe er am 1. April altersbedingt in Rente ging. Radlmaier ist Hauptautor der Biografie "The Crazy World Of Kevin Coyne".
Seine Erinnerung an die Unterhaltung am Abend des 1. Dezember 2004 ist noch vollkommen präsent. Sie war letztlich auch der Startschuss fürs Buch. "Kevin wollte an diesem Mittwochabend in seiner Wohnung unbedingt ein Interview geben, samt Fotograf", berichtet Radlmaier. "Es ging um neue Projekte, die er angehen wollte, wenngleich gesundheitlich angeschlagen. Er machte auf mich persönlich keinen todkranken Eindruck. Ich war wie erstarrt, als mich Helmi am nächsten Morgen gegen acht Uhr anrief, um mir mitzuteilen, dass Kevin in der Nacht friedlich entschlafen sei." Radlmaier kannte den Barden und Maler all die langen Jahre seiner Nürnberg-Zeit. "Auch in der Ära, als er noch stark alkoholabhängig war", gesteht der Autor. "Er war ein launiger Mensch. Doch ab dem bestimmten Glas zu viel konnte er durchaus unangenehm werden, etwas aggressiv. Dann wiederum am nächsten Tag äußerst freundlich, er hat sich für seine Gemeinheiten entschuldigt."
Ehefrau Helmi, die heute den umfangreichen Coyne-Nachlass verwaltet, war in den Augen von Radlmaier "über etliche Jahre hinweg sein personifizierter Schutz- und Rettungsengel", sagt der gestandene Journalist. "Sie half ihm, wo sie nur konnte, hat sich aufgeopfert. Was bei diesem verzwickten Charakter garantiert nicht immer leicht war."
Mitte der 90er absolvierte Kevin Coyne einen Alkohol-Entzug, der ihm nicht leichtfiel. "Er musste mit dem Trinken aufhören, ansonsten wäre er viel früher gestorben", konstatiert Radlmaier. "Er war schwerer Alkoholiker, konnte manchmal tagelang nicht essen, war launisch und mental angeschlagen. Und dennoch war er ständig kreativ tätig, was ich ihm hoch anrechne. Er hat an Büchern geschrieben, Hörspiele verfasst, Bilder gemalt, er war regelmäßig auf Tour, es sind mehr als 40 Alben entstanden. Alles in allem ein gewaltiges Werk. Und nicht nur das: Kevin hat eine Menge Musiker über Jahrzehnte mit seiner Arbeit beeinflusst - und tut das bis heute ."
Weil Steffen Radlmaier verhindern möchte, dass dieses Werk langsam in Vergessenheit gerät, hat er zusammen mit anderen Fans und schreibenden Adepten die liebevoll-aufschlussreiche Biografie verfasst. "Wir wollen Kevin mit dem Buch als eine Art Gesamtkunstwerk präsentieren", meint Radlmaier. "Daher hat es lange mit der Veröffentlichung des Buchs gedauert. Ein solch komplexes Leben in 400 Seiten zu packen, das bedarf viel Zeit, das kostet nicht gerade wenig Recherche. Doch die hat sich gelohnt. Kevin Coyne war ein ganz spezieller Mensch, den es zu würdigen gilt."
"The Crazy World of Kevin Coyne - Künstler und Rockpoet", Herausgeber Steffen Radlmaier in Zusammenarbeit mit Michael Bader und Manfred Rothenberger, Starfruit-Verlag, 384 Seiten, 28 Euro, ISBN: 978-3-922895-40-4
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