Von Holger Stiegler
Fanget an!" Es war sicher kein Zufall, dass NS-Gauleiter Julius Streicher am 8. August 1938 mit diesen berühmten Bühnen-Worten von Hans Sachs den Abriss der Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz in Nürnberg befahl. In Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" ist Sachs nicht nur eine der Hauptfiguren, das Werk ist auch untrennbar mit den Nürnberger Reichsparteitagen und der Geschichte des Nürnberger Opernhauses verbunden. In welcher Relation Propaganda und Musiktheater in Nürnberg zueinander standen, vermittelt die Sonderausstellung "Hitler.Macht.Oper", die bis einschließlich 3. Februar 2019 im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände gezeigt wird. Konzipiert wurde die Ausstellung in Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg sowie dem Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth (fimt).
Sie ist in sieben Bereiche unterteilt, in der 530 Quadratmeter großen Halle werden über 350 Exponate mit wissenschaftlichen Texten sowie Audio- und Videoschleifen präsentiert. Die dabei entstandene Ausstellung ist damit nach Angaben der Kooperationspartner die größte ihrer Art zum Thema Musiktheater im Nationalsozialismus seit 1988. "Die Propaganda und die Inszenierung haben wir ins Zentrum gerückt", betont Kurator Anno Mungen, Leiter des fimt. Dabei solle die enge Beziehung zwischen Ästhetik, Urbanität und politische Machtausübung deutlich werden.
___ Dokumente und Bilder ___
Dem Besucher wird gleich zu Beginn auf einer dem Intendanten-Zimmer nachempfundenen Fläche die Bedeutung der Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" anhand vieler Dokumente und Bilder für das Opernhaus selbst, aber auch für die Propagandaveranstaltungen der Nationalsozialisten vor Augen geführt. Es war am 10. September 1935, als mit der Richard-Wagner-Oper der Reichsparteitag der NSDAP eröffnet wurde. Hitler selbst entschied über die Besetzung und ließ sich Entwürfe für Bühnenbilder und Kostüme vorlegen. "Die Aufführung durch ein hochkarätiges Starensemble und in der opulenten Ausstattung Benno von Arents hatte Mustercharakter für künftige Inszenierungen im Dritten Reich", so Mungen.
Bis einschließlich 1938, dem letzten der Reichsparteitage in Nürnberg, wurden die Großveranstaltungen mit den "Meistersingern" eröffnet. Und auch sonst bestimmten die Nationalsozialisten in Person des Reichsdramaturgen Rainer Schlösser, was es zu sehen gab - Spielpläne mussten genehmigt werden, die Ausführenden wurden auf "ideologische Zuverlässigkeit" geprüft, an Hitlers Geburtstag wurden meist "Lieblingsopern" des Führers gegeben.
___ Gezielte Lichtregie ___
Theatralik und Inszenierungen gab es aber nicht nur im Opernhaus, sondern auch auf dem Zeppelinfeld, was beispielsweise ausgestellte Aufmarschpläne verdeutlichen. "Die Reichsparteitage waren sehr genau durchchoreographiert", erklärt Mungen. Ergänzt wurden sie durch eine gezielte Lichtregie, Lichtdome kamen zum Einsatz und auf diese Weise wurden in der Stadt der Meistersinger die Mächtigen des "Dritten Reichs" in Szene gesetzt. Die ganze Stadt wurde selbst zur Bühne und Kulisse.
Am Ende des Nürnberger Opernbetriebs in der NS-Zeit stand übrigens eine weitere Wagner-Oper: Am 31. August 1944 - Joseph Goebbels hatte kurz zuvor die Schließung aller Theater und den "totalen Kriegseinsatz" aller Beschäftigten befohlen - ging - fast schon eine Ironie der Geschichte - die "Götterdämmerung" unter der Regie von Wieland Wagner über die Bühne. Im Aufführungsbuch der Altistin Hella Ruttkowski ist der Theaterzettel dieser Vorstellung zu finden - auf der nächsten Seite handschriftlich ergänzt durch die Hinweise "Das Theater wird geschlossen!" und auf ihren bevorstehenden Arbeitseinsatz bei Siemens-Schuckert.
Service
Ausstellung: „Hitler.Macht.Oper“ bis 3. Februar 2019.
Ort: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Bayernstraße 110, 90478 Nürnberg
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr). Der Eintritt in die Sonderausstellung ist frei.
Kontakt: 0911/2317538
Katalog: Im Imhof-Verlag ist der Ausstellungskatalog erschienen. Er kann im Buchhandel und an der Kasse des Dokumentationszentrums erworben werden.
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