Demonstrantin wollte nicht fotografiert werden

Oberpfalz
28.01.2022 - 10:49 Uhr

„Das verbitte ich mir!“ Der Leserin am Telefon gefiel es nicht, dass sie als Teilnehmerin einer Demo auf einem Bild in der Zeitung zu sehen war. Darf ein Foto ohne Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden?

Jede Woche finden Demos und sogenannte „Spaziergänge“ gegen die Corona-Politik und -Maßnahmen statt. Die Aufnahme vom 29. Dezember 2021, entstanden in der Münchener Innenstadt, zeigt Demonstranten, die von der Polizei angehalten und eingekesselt worden waren.

In Orten unseres Verbreitungsgebietes treffen sich Menschen zu sogenannten "Spaziergängen", um damit ihre Unzufriedenheit mit der Corona-Politik zu artikulieren. Mich erreichte jüngst wiederholt Kritik von Lesern, dass die Lokalredaktionen mitunter nicht ausführlich genug über diese Zusammenkünfte berichten würden. Nun aber wurde ich mit einer Beschwerde konfrontiert, mit der ich hier eher nicht gerechnet hätte.

Eine Frau meldete sich per Telefon und beklagte sich darüber, dass sie als Teilnehmerin einer Demo gegen Corona-Maßnahmen gegen ihren Willen fotografiert worden sei und dieses Bild in der Zeitung zur Berichterstattung über die Veranstaltung gestellt wurde. Eines vorweg: Das Foto zeigte zahlreiche Teilnehmer eines Marsches um die Altstadt, eine Nahaufnahme war es nicht. Dennoch glaubte zumindest die Leserin, dass man sie erkennen könne - weil sie ja auch keine Maske getragen habe.

Wie sich die Themen oft gleichen, mit denen sich Leseranwälte befassen: Der Würzburger "Main-Post"-Kollege Anton Sahlender, der auch Vorsitzender der Vereinigung der Medien-Ombudsleute (VDMO) ist, hat dieser Tage in seiner Kolumne "aus aktuellem Anlass, nach entsprechenden Anfragen und Beschwerden" unter anderem geschrieben: "Wer an unangemeldeten ,Spaziergängen' oder an angemeldeten Demonstrationen auf öffentlichen Wegen und Plätzen anzutreffen ist, um seine Haltung gegen oder für Corona-Maßnahmen, Impfpflicht oder andere Vorgänge kundzutun, sollte schon zuvor darüber im Bilde sein, dass sie oder er hinterher in Zeitungen auf Fotos oder gefilmt in Medien erkennbar werden kann." Schließlich sei es ja sehr wahrscheinlich, dass bei solchen Ereignissen auch Journalistinnen und Journalisten anwesend sind, um darüber zu berichten.

Das Recht am eigenen Bild

Was Journalisten bei ihrer Arbeit unter anderem zu beachten haben, ist das Recht am eigenen Bild, eine besondere Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Durch Fotos, so hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, wird das Persönlichkeitsrecht stärker tangiert als durch eine Wortberichterstattung.

Gesetzlich geregelt ist das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz (KunstUrhG), das - man möchte es kaum glauben - aus dem Jahr 1907 stammt und heute immer noch gilt. Der Paragraf 22 hält dort zunächst fest: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden." Keine Einwilligung erforderlich ist laut Paragraf 23 zum Beispiel dann, wenn es sich um "Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben", handelt.

Die Presserechts-Experten der "Initiative Tageszeitung" haben dazu erläutert: "Bedeutsam ist die Vorschrift vor allem für Demonstrationen. Die beteiligten und erkennbar werdenden Personen müssen nicht bloßes Beiwerk sein, sie dürfen aber nur im Rahmen des Vorganges gezeigt und nicht herausgehoben oder portraitiert werden. Bildausschnitte und die Darstellung von Rednern sind zulässig, soweit sie den Vorgang, der das Thema des Bildes ist, repräsentieren."

Demos sind Zeitgeschehen

"Führt jemand ein Transparent oder eine Tafel sichtbar mit, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, damit auf Fotos erkennbar zu erscheinen. Solche für ein Ereignis typischen Szenen ergänzen die Nachricht visuell. Sie werden deshalb von Redaktionen gerne verwendet. Das ist erlaubt. Persönlichkeitsrechte verletzen würde es, Personen individuell, ohne jeden Bezug zur Veranstaltung zu zeigen", schreibt Anton Sahlender in der "Main-Post".

Die Einwilligung des Abgebildeten ist auch dann nicht nötig, wenn das Foto laut KunstUrhG aus dem "Bereich der Zeitgeschichte" stammt. "Der Bundesgerichtshof legt den Begriff ,zeitgeschichtliches Ereignis' im Interesse der Meinungsfreiheit weit aus", betont Medienrechtler Dr. Oliver Stegmann in einem Beitrag für das Lokaljournalismus-Forum "Drehscheibe". Für treffender hält er den Begriff Zeitgeschehen. Als zeitgeschichtliches Ereignis, so schreibt Stegmann, würden also nicht nur Geschehnisse wie der Fall der Mauer oder Ähnliches angesehen, sondern auch solche, "die nur auf regionaler oder lokaler Ebene von Bedeutung sind". Die sogenannten "Spaziergänge" oder Demonstrationen mit Bezug zu den Corona-Maßnahmen zählen hier sicherlich dazu.

Amberg27.09.2019
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