Leyla McCalla - Sun Without The Heat (Anti)
Die einstige Cellistin der Bluegrass-Folk-Band The Carolina Chocolate Drops ist als Solistin musikalisch bedeutend breiter aufgestellt. Hier mischen sich ihre karibischen Wurzeln (die Singer/Songwriterin und Aktivistin stammt aus Haiti) mit amerikanischem Folk, Afropop, Blues, Gospel, Tropicalismo, Soul und gar ein wenig schrägem Jazz oder Country. Erinnert ein wenig an eine Mischung aus Tracy Chapman und Joan Armatrading, nur dass die McCalla ihre Arrangements differenzierter und ja, raffinierter spinnt. Und sie ist ebenfalls eine (dezent) politische Chronistin ihrer Umwelt. Sie schöpfe dabei laut Label-Info ihre Inspiration unter anderem "aus den Schriften der schwarzen feministischen afrofuturistischen Denkerinnen Octavia Butler und Adrienne Maree Brown". Wer jetzt an verkopfte Großstadtmusik denkt, kann beruhigt werden, diese Platte ist äußerts unterhaltsam, trotz oder gerade weil diese Melodien direkt ins Herz gehen (und von diesem kommen).
Everyone's Getting Involved: A Tribute to Talking Heads' Stop Making Sense (A24 Music)
Die Compilation, „Everyone's Getting Involved: A Tribute to Talking Heads' Stop Making Sense“ erscheint anlässlich der Wiederveröffentlichung von Jonathan Demmes kultigem Konzertfilm gleichen Namens und dem 40-jährigen Jubiläum des dazugehörigen Soundtrack-Albums. So weit, so gut und an sich schon ein Grund zum Feiern. Nimmt man sich aber einige der sechzehn „Tributanten“ zur Brust wird die Sache auch noch wahnsinnig spannend und interessant. Das Herausragende dieses Tribut-Albums ist nämlich, dass sich die Beteiligten nicht im reinen Kopieren ergehen, sondernd wirklich Neues in diesen grandiosen Songs ausloten. Zudem sind Musiker zu finden, die man in diesem Kontext eher nicht vermutet hätte. Okay, The National oder Toro Y Moi zählen hier vielleicht nicht dazu, aber wer hätte Miley Cyrus („Psycho Killer“) oder gar Lorde („Take Me To The River“) auf dem Zettel gehabt? Oder Blondshell, die „Thank You for Sending Me an Angel“ in einen ordentlichen Rocker verwandeln. Oder die Argentinier Él Mató a un Policía Motorizado, die „Slippery People” ins Spanische übersetzen. Oder DJ Tunez, der das hypernervöse „Life During War Time“ in einen cool groovenden, afrikanischen Bossa-Nova mit Mariachi-Trompete transformiert. Oder Jean Dawson, der „Swamp“ mit wehmütiger Fidel auf eine Lichtung mit Lagerfeuere in den Appalachen verpflanzt. Oder, oder, oder. Es gibt natürlich auch Musiker, hierzu zählen z.B. Kevin Abstract, Chicano Batman oder Badbadnotgod, feat. Norah Jones, die sich nicht all zu weit vom Original wegbewegen wollten, eine wirkliche Niete findet man auf dieser Platte jedoch wahrlich nicht.
Broadcast - Spell Blanket - Collected Demos 2006 – 2009 (Wrap)
Nach dem plötzlichen Tod von Sängerin Trish Keenan 2011 hat sich das experimentelle Elektronik-Projekt Broadcast aufgelöst. Stereolab sind nun noch die einzigen Verfechter dieser psychedelischen Spielart der Indietronica. "Spell Blanket - Collected Demos 2006-2009" umfasst Songs und Skizzen aus Trishs umfangreichem Archiv an 4-Spur-Kassetten und MiniDiscs. Die Aufnahmen legen den Grundstein für das, was das fünfte Album von Broadcast hätte werden sollen, und bieten einen Einblick in den kreativen Prozess von Trish und James Cargill in der Zeit nach "Tender Buttons" von 2006 bis 2009. Die im Artwork verwendeten Fotos stammen von Trish und James, das Artwork selbst wurde vom langjährigen Broadcast-Mitarbeiter Julian House entworfen.
Pokey LaFarge - Rhumba Country (Bertus)
Der Singer/Songwriter und Schauspieler aus Illinois ist inzwischen in Maine heimisch geworden und arbeitet dort auf einer Farm. Diese körperliche Arbeit war nach eigenen Aussagen ungemein inspirierend für ihn und hat ihn veranlasst das Leben und die Musik nicht mehr in „dunkelblau, sondernd in Technicolor zu sehen“. „Rhumba Country“, der Titel sagt es ja schon, ist ein fröhlich-beschwingter, tanzbarer Liederkranz, der sich aus Latin-Rhythmen, Country, aber auch Rocksteady, Soul und amerikanischen Rock'n'Roll aus der Mitte des Jahrhunderts speist. Das hat Schmiss, ein Ohrwurm reiht sich hier an den anderen.
The Supersoul Brothers - By The Way (Dixiefrog)
Der Sieg bei der French Blues Challenge machte das Septett aus Pau zu einem der französischen Vertreter bei der diesjährigen International Blues Challenge, die jährlich in der Beale Street, der "Heimat des Blues", in Memphis, Tennessee, ausgetragen wird. Aus einem Teilnehmerfeld von über 200 Bands und Solomusikern konnten sich die Supersoul Brothers ins Halbfinale und somit in die Top 4 des Wettbewerbs vorspielen. So viel der (verdienten) Lorbeeren um ein wenig Lust auf eine frankophile Blues- & Soul-Combo zu machen. Wer doch noch wankelmütig ob dieser sicherlich recht traditionellen und auch schon oft gehörten Mischung ist, sollte Sänger David Noël mit seinem intensiven Reibeisen-Organ vollends überzeugen. Aber auch seine Mitstreiter verzieren jeden Song mit kleinen solistischen Einlagen, bei denen der Tastenmann auch mal eine schöne Brise Jazz mit einstreut. Geballte, pechschwarze Soul`n`Blues Power mit Gebläse (einer blütend weißen Kapelle) und die neue Background-Sängerin Claire Rousselot-Paillez ist auch hörenswert.
Marco Glühmann – A Fragile Present (Soulfood)
Eigentlich ist das erste Solo-Album des Sylvan-Sängers überhaupt keines, setzt sich die Band doch aus Sylvan-Mitstreitern und der halben RPWL-Cast zusammen, RPWL-Mastermind Yogi Lang hat zudem produziert. Als Gäste sind Marillion-Gitarrist Steve Rothery und Billy Sherwood von Yes mit dabei. Da konnte handwerklich schon mal nichts anbrennen. Und natürlich erfindet der Sänger das Prog-Rad auch nicht neu, seine Melodien greifen die der Mutterband auf, klingen vielleicht nur einen Tick rockiger. Insgesamt geht es recht bedeutungsschwanger und opulent zur Sache, Prog-Rock halt in seiner typisch teutonischen Ausführung.
Strand of Oaks - Miracle Focus (Cargo)
Das Musikprojekt von Tim Showalter geht in die achte Runde. Inzwischen hat der Mann zu Malen begonnen (das Artwork zeigt eines seiner Werke), außerdem spielte er einen schurkischen Biker in einer Fernsehserie (was man sich gut vorstellen kann). Privat hat er ganz unschurkisch zu meditieren begonnen, was sich in matraartigen Texten niederschlägt und auch das Klangbild ein wenig prägt. Viele Synthesizerspuren werden hier zusammen mit Vocodern aufeinandergestapelt und mit pulsierenden Rhythmen unterlegt, was dann laut Presseinfo eine „gesunden Mischung aus Ram Dass, Yoga, Freddie Mercury, Alice Coltrane und den Beastie Boys“ darstellen soll. Mit ordentlich Dope in der Birne kann man tatsächlich auf diese doch recht krude Mischung kommen. Showalter ist jedenfalls ein begabter wie leicht verrückter Sound-Bastler in der Tradition eines Todd Rundgren oder Roy Wood.
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