Kolumne: Prinzipiell glücklich

Oberpfalz
28.08.2023 - 08:47 Uhr

Wie wichtig sind dir Prinzipien? Sind sie unverrückbare Grundsätze in deinem Leben oder nimmst du es mit ihnen nicht ganz so genau? LEO-Redakteurin Julia Hammer hat sich im Laufe der Jahre viele auferlegt und sich penibel an sie gehalten.

LEO-Redakteurin Julia Hammer hat in allen Lebenslagen ihre Prinzipien – prinzipiell ist sie also glücklich.

Gewohnheiten. Vorstellungen. Eigene Regeln. Lange war ich damit zufrieden. Ein wenig eingefahren, aber ja, glücklich. Doch dann habe ich gemerkt, wie befreiend es sein kann, sich von den einen oder anderen Prinzipien zu verabschieden.

Kleine Rituale und große Leitlinien haben mein Leben jahrelang geprägt. Doch was genau verstehen wir unter Prinzipien? Und wie entstehen sie? Der Duden definiert sie so: „Feste Regeln, die jemand zur Richtschnur macht, durch die er sich in seinem Denken und Handeln leiten lässt.“ Meine haben sich durch persönliche Erfahrungen entwickelt. Aus Situationen, die sich für mich bewährt haben. Aus schlechten Erlebnissen, die ich durch meine Regeln künftig vermeiden will. Prinzipien geben mir Sicherheit. Das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Prinzipiell bin ich damit glücklich – besser gesagt war ich es. Sie haben sich vielfältig auf mein Leben ausgewirkt. Nehmen wir meine Alltagsprinzipien. Feste Strukturen, mit denen ich mein Leben organisiere. Da wäre mein täglich identisches Morgenritual. Kaffee. Podcast. Ruhe. Alleinsein und mich auf den Tag vorbereiten. Störungen? Inakzeptabel. Auch in meinem Job habe ich einen Plan, an den ich mich halte. Festgelegte Abläufe, Zeitpläne, Listen. Weiter geht es mit meinen Sporteinheiten, von denen ich aus Prinzip niemals abweiche. Feste Wochentage, feste Zeiten, festes Programm. Auch in meiner Wohnung erkennst du schnell: Alles hat seinen geregelten Platz. Ich hasse Unordnung, etwas suchen zu müssen. Ein bisschen zwanghaft? Vielleicht. Aber meine Regeln machen mein Leben leichter.

Gleichzeitig habe ich mir feste moralische Prinzipien auferlegt. Genaue Vorstellungen davon, welche Grundsätze ich vertreten kann und will – und welche nicht. Ich lege großen Wert auf Ehrlichkeit und Loyalität. Das erwarte ich von mir genauso wie von meinem Gegenüber. Ich halte mich an Versprechen und verlasse mich auf das Anderer. Ich schätze und schütze meine persönliche Freiheit und versuche, auch die meiner Mitmenschen zu achten. Kommen wir zu meiner emotionalen Lebensplanung, für die ich meine wohl striktesten Prinzipien festgelegt habe. Konkret bedeutet das: Ich bin seit fast einem Jahrzehnt ohne feste Bindung. Bewusst. So, wie ich es will. Keine Familienplanung. Keine Beziehung. Die Freiheit, genau das zu tun, was ich möchte. Und so sollte es auch mein Leben lang bleiben. Ich bin gut im Alleinsein, weil ich gleichzeitig nie einsam bin. Meine Erfüllung liegt in der Zeit, die ich mit meinen Freunden verbringe, in der ich durch den Wald jogge oder einen Stephen-King-Roman lese. Eine Beziehung? Niemals. Zu viel Kompromisse, zu viele Diskussionen, zu viel Stress. Ich war der typische glückliche Single und wollte das bleiben. Um jeden Preis. Ja, was soll ich sagen. Manchmal kommt es anders im Leben, als man denkt. Als ich meine Jugendliebe wieder getroffen habe, ist mein wichtigstes Prinzip plötzlich ins Wanken geraten. Natürlich wollte ich das nicht. Ich hatte eine fixe Lebensplanung, in der auch nicht die kleinste Abweichung denkbar gewesen wäre. Ich habe lange gehadert, abgewogen. Und dann entschieden, der Sache eine Chance zu geben. Weil sie es wert ist und mich diese selbst auferlegte Regel das erste Mal seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr erfüllt hat.

Es ist nicht leicht, die eigenen Prinzipien und somit seine Sicherheit aufzugeben. Wie es gelungen ist, mich von ihnen zu verabschieden? Manchmal hilft es, sich Sachen ganz konkret vorzustellen. Gedanklich alles neu zu hinterfragen und Schritt für Schritt das wahrscheinlich anzunehmende Szenario durchzugehen. Sich die Chance zu geben, seinen Horizont zu erweitern und durch etwas Neues glücklich zu werden. Riskant, ja. Doch es hat mein Leben bereichert. Natürlich fällt mir der Verlust des Gefühls von Kontrolle immer noch schwer. Und ich werde auch weiterhin an vielen meiner Prinzipien festhalten. Aber dieser eine Bruch hat mich auch andere Normen hinterfragen und loslassen lassen. Eingefahrene Verhaltensmuster, die mein Leben, rückblickend betrachtet, nicht leichter, sondern unflexibel gemacht haben. Langweilig. Viel zu kontrolliert. Ich habe gemerkt, wie sehr man doch über sich hinauswachsen kann, wenn man neue Wege wagt, offen für Unbekanntes ist. Die Welt wird bunter. Das eigene Empfinden tiefer. Ob ich den Bruch bereue? Nein. Ich habe viel zu lange damit gewartet. Wie steht es nun um deine Prinzipien? Bist du bereit, die eine oder andere eingefahrene Norm zu brechen? Trau dich. Und du wirst sehen, es wird sich lohnen.

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