Enfant Sauvage: Petrichor
Zusammen mit seinem Cousin Jonathan kennt man Guillaume Alric als The Blaze, eine Electro-Pop-Band aus Frankreich. Das Duo beschallt vorwiegend die großstädtischen Tanztempel, als Solist widmet sich Guillaume der ländlichen Umgebung seiner Kindheit und macht so in etwa auf „Land-Musik“. Das ist dann beileibe keine romantische Volksmusik, aber der Anteil elektronischer Elemente tritt etwas zurück. „Louve“ setzt z.B. fast ausschließlich auf Stimme und ein elektrisches Piano, romantisch bleibt sein Stil auch hier. „Petrichor“ bietet also Musik zum Tanzen aber auch zum Träumen.
The KBCS: Color Box
Um Krypto-Forschern vorzubeugen: Das Quartett aus Hamburg verewigt lediglich die Familiennamen seiner Mitglieder im Bandnamen. Der Albumtitel kann ebenfalls ganz pragmatisch verstanden werden, denn die Songs leuchten wirklich in allen Farben des Wasserfarbenkastens -nur dass die Stimme fehlt. Störte aber schon Ihren Fan und Förderer, Thomas D von den Fanta 4 nicht, denn der dichte, samtig weiche Groove aus funky Gitarren und warme Keys über einem soliden, funky Beat ist einfach nur cool. Es gab mal in den 70ern eine Band namens The Section die das ähnlich souverän hinbekommen haben, aber die kennt eh kein Schwein mehr. KBCS sollte man hingegen unbedingt auf der Liste haben.
The Truffauts: Chez Simon
Es gibt sie noch, die frankophilen Franken aus Nürnberg. Und immer noch -auch auf dem inzwischen 13. Album- klingt die Band charmant, sexy, auch ein wenig verschlafen und romantisch wie einzigartig -zumindest aus deutschen Landen. Gesungen wird auf französisch und englisch, musikalisch sind natürlich die Postcard-Bands der 80er nah, aber auch der Post-Punk der späten Hüsker Dü bis hin zu Velvet Underground-Anleihen sind zu hören. Ein herrlicher Anachronismus den man auf einer leicht angekratzten Vinyl hören sollte.
Aeon Station: Observatory
Aeon Station ist das neue Projekt von Kevin Whelan von The Wrens. Darauf versammelt sind Songs und Skizzen, die er über einen Zeitraum von 14 Jahren zusammengetragen hat. Trotz der langen Zeit gibt es auf der Platte nicht wirklich Brüche, allerdings reicht die Stilbreite von der behutsamen, minimalistischen Akustik-Ballade bis zur üppig-opulenten, alles umarmenden Hymne, oder auch den knackigen Indie-Rock oder -Pop-Song. Wenn man will, kann man das Album auch als eine Tagebuchaufzeichnung des Künstlers über die letzten Jahre inklusive Umzug, Heirat, Kinderkriegen und vieles mehr lesen -und hören.
Ashley Shadow: Only The End
Die kanadische Singer/Songwriterin kann auf Ihrem zweiten Werk auf prominente Unterstützung zurückgreifen. Kein geringerer aus Bonnie „Prince“ Billy, oder halt Will Oldham revanchiert sich für die (Gesangs-)Hilfe, die Ashley Ihm bei vorangegangenen Einspielungen angediehen hat lassen. Ashley Shadows Gitarrenspiel ähnelt ein wenig das von Heather Nova in seiner angekratzten Zärtlichkeit. Ihr dunkles Vibrato und auch die stoisch angelegten Songs evozieren wiederum Vergleiche zu Christa Päffgen aka Nico, nur dass Ashley`s Stimme deutlich variabler und umfangreicher ist. Interessantes Werk zwischen Indie-Folk und psychedelischem Americana mit bluesigen Zwischentönen.
Pepe Deluxé: Phantom Cabinet Vol. 1
Das verrückteste Album des Jahres 2022 ist zwar schon Ende 2021 erschienen, es bedarf aber noch jetzt seiner Würdigung. Die Finnen drehen wirklich alles durch den Fleischwolf, was nur im Entferntesten mit Musik zu tun hat: Rock, TripHop, Jazz, Soul, Funk, Musique Concrete, Power Pop, Big Beat, Folk, World-Music, Avantgarde, Electro-Pop, Operette, Film- und Field Music, einfach alles von Abba bis Zappa. Dazu bedienen Sie sich der wohl verrücktesten Sammlung von Instrumenten, die es je auf einem Album - oder überhaupt - gab! Vom größten bis zum lautesten Musikinstrument der Welt, von Alexander Bells menschlichem Ohrschreiber bis zu einer tibetanischen menschlichen Schädeltrommel, vom ältesten Synthesizer der Welt bis zu da Vincis Trommelmaschine, von …
Aufgespürt in verschiedenen Museen, Universitäten und Privatsammlungen auf der ganzen Welt kollidieren sie hier mit „herkömmlichem“ Rock-Instrumentarium und erzeugen Sounds, die wohl die Meisten von uns noch nie gehört haben. Schräg, lustig, anstrengend, exotisch, verwirrend, romantisch, kakophonisch -und auf alle Fälle unterhaltsam, wenn man es nur zulässt.
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