Shovels & Rope: Manticore (Bertus)
Michael Trent und Cary Ann Hearst legten ihr aktuelles Album eigentlich rein akustisch an, beschlossen dann aber, ihm eine elektrifizierte Überarbeitung angedeihen zu lassen. Man hört den autobiographisch geprägten Geschichten über die Liebe, das Leben, gesellschaftliche Veränderungen und ein wenig mehr noch das akustische Skelett an, das Paar hat darüber aber ordentlich an der Post-Punk-infizierten (Indie-)Rock-Schraube gedreht und die Elektrische paritätisch neben die Wanderklampfe und ein polterndes Schlagzeug gleich noch mit dazu gestellt. Den sämigen Melodien und beherzten Duo-Gesängen steht das aber recht gut.
Dirty Sound Magnet: DSM-III (Hummus Rec)
Das Schweizer Trio frönt auf seinem Album dem Heavy-Rock der Früh-Siebziger mit all seinen Spielarten. Der Blues der härteren Gangart ist dabei vorherrschen, man gibt sich aber auch gerne mal funky oder psychedelisch. Dominant ist dabei immer die Elektrische, die auf alle möglichen Arten malträtiert oder auch mal Bottleneck-mäßig gestreichelt wird. Das macht ziemlich viel Lärm - manchmal auch um nichts- so dass die akustische, ein wenig an Led Zeppelin mahnende Instrumental-Skizze „Sunday Drama“ am Schluss angenehm heraussticht.
Dead Venus: Flowers & Pain (Edel)
Blumen & Schmerzen, Yin & Yang. Seraina Telli, Frontfrau, Sängerin, Komponistin, Keyboarderin und Gitarristin des Schweizer Trios, singt uns vom Leben und macht uns Mut, aufrecht und mit erhobenem Haupte hindurch zu schreiten. Ihr melodiöser Progressive Rock erfüllt die Erwartungen an das Genre, ob man die schrille Tonlage der „Venus“ goutiert oder nicht, muss jeder selbst entscheiden, markant ist sie allemal.
Dylan Dunlap: Stranger in My Head (Nettwerk)
Der Musiker hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Songs über psychische Probleme und die mentale Gesundheit zu sprechen, aber trotzdem dabei nicht die Hoffnung zu verlieren. Schließlich wurde er als Jugendlicher falsch diagnostiziert, weiß also von was er singt. Um diese schweren Texte zu konterkarieren, kombiniert er seinen Gesang mit eingängigen poppigen Melodien, denen förmlich die Sonne aus dem Allerwertesten lacht. Eine sanfte Falsett-Stimme kombiniert er dabei mit einem fröhlich galoppierendem Folk-Pop, der unbeschwerter nicht sein könnte.
Robert Glasper: Black Radio III (Loma Vista Rec)
Der vierfache Grammy- und Emmy-Preisträger, Komponist und Produzent hat mit Black Radio Geschichte geschrieben, denn es war das erste Album, das gleichzeitig in den Top 10 von vier verschiedenen Genre-Charts landete: Hip Hop, R&B, Urban Contemporary, Jazz und Contemporary Jazz, ebenso wie das Nachfolgealbum Black Radio 2. Die Marke Black Radio ist zu einem Synonym für schwarze Musikkultur geworden und hat Glasper an die Seite einiger der legendärsten Musiker gestellt - von den frühen Tagen mit J Dilla, Bilal und Yasiin Bey bis hin zu Auftritten an der Seite von Kendrick Lamar, Kanye West, Herbie Hancock, Erykah Badu, Snoop Dogg, Jill Scott, Brandy und anderen.
Wie seine Vorgänger feiert das neue Studioalbum die Freude, Liebe und Widerstandsfähigkeit der Schwarzen und enthält die mit einem Grammy ausgezeichnete Single "Better Than I Imagined" mit H.E.R + Meshell Ndgeocello und "Shine" mit D Smoke und Tiffany Gouché. Zu den Gästen von Black Radio III gehören außerdem Q-Tip, Jennifer Hudson, H.E.R. Yebba, Common, Ty Dolla $Ign, Esperanza Spalding, Ant Clemons, India.Arie und viele mehr.
Mavi Phoenix: Marlon (LLT Rec)
Marlon Nader, der Kopf hinter Mavi Phoenix ist ein Trans-Künstler, der offen dazu steht und dies auch in seinen Texten -teils sehr direkt und palaktiv- thematisiert. Songs zu schreiben sind für Ihn eine Art Befreiungsschlag, Heilung und Hoffnung zugleich. Seine Botschaften packt er in poppige Gitarren-Songs, die mal eher folky, mal funky und R-'n'-B-getränkt, aber auch mal ein wenig nach Glam-Rock oder Post-Punk klingen. Zentral bliebt dabei eben immer der Gitarren-Sound und seine etwas indifferent Stimme. In den besten Momenten blitzt hier sogar der ganz junge Bowie („Leaving“) durch, die Rap-geschwängerten Einlagen assoziieren Lil Nas X.
Sarah Shook & The Disarmers: Nightroamer (Thirty Tigers)
LGBTQ-Community und Country-Rock geht hier zusammen, was ja ein sensationelles Zeichen der Öffnung und Toleranz ist. Okay, richtigen Country spielt dieses Quintett natürlich nicht, aber mit Adam Kurtz hat man einen extra Pedal-Steel-Gitarristen in der Band -und das Instrument passt in diesem Falle auch recht gut zu Honky Tonk-Rock, Roadhouse-Blues, einem Walzer oder psychedelisch Getränktem und sogar dem Punk. Sarah Shook & The Disarmers ziehen alle Register und schunkeln sich souverän durch diesen von Grammy-Preisträger Pete Anderson (Dwight Yoakam, k.d. lang) produzierten Mix.
Kristofer Greczula: Live And Let Live (Cargo)
“Euphorisch” ist wohl das Adjektiv, mit dem man den Titelsong am besten charakterisieren kann. Das Lied birst förmlich aus allen Nähten und ergießt sich wie ein erquickender Sturzbach auf den Zuhörer. Die totale Kontemplation folgt mit „Leaving You For Another“ auf dem Fuße -meint man zumindest anfangs. Dann wächst auch dieser Song über sich hinaus und wird zur überschäumenden Hymne. Im Waschzettel der Plattenfirma werden Bowie und Prince (man möchte fast noch Freddy Mercury hinzufügen) genannt und in der Tat hat dieser Schwede von beiden ein wenig in seiner doch sehr eigenen DNA. Ein erstes Highlight des Jahres für Fans großer, emotionaler Pop-Musik.
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