My Idea: Cry Mfer (Cargo)
Der Legende nach haben Lily Konigsberg und Nate Amos nach den Aufnahmen zu Ihrem Debüt mit dem Saufen aufgehört. Der Interpretation des „warum“ sei hier freien Raum gelassen. Sie spielte zuvor jedenfalls in einer Punk-Kapelle (Palberta), er war Mitglied eines Dance-Duos (Water From Your Eyes). Vielleicht kommen solche Gegensätze ja auch nur betrunken zu einander. Jetzt als My Idea ist von der Vergangenheit nichts mehr zu spüren, man hört privat ja auch inzwischen die Musik von Ariana Grande oder Justin Bieber. In diese seichten Pop-Gefilde taucht das Duo zwar nicht ab, dafür sind diese niedlichen Lieder doch etwas zu windschief –„Not Afraid Anymore“ hätten auch die Moldy Peaches geschrieben haben - Pop bleibt es aber trotzdem, halt mit dem „Indie“ als Zusatz. Und ja, Spaß machen sie auch (denn bei den Aufnahmen war ja noch Alkohol im Spiel, was den herrlich versäuselten Gesang erklären könnte)!
St. Arnaud: Love And The Front Lawn (Fierce Panda)
Ian St. Arnaud ist ein Singer/Songwriter aus Edmonton/Kanada, der wie so viele traurige Themen wie Tod, Verlust oder Angst in euphorische Wohlfühlmelodien packt. Diese fallen hier vielleicht noch fröhlicher, noch beseelter, noch sonniger, noch kuscheliger aus wie bei den Kollegen. Im Grunde baut der junge Mann simple wie charmante Melodien, die Ihren Ursprung in den 70ern haben, verziert diese gerne mal mit einer Trompete, mit dem Xylophon, Shakern, einer Slide, jubilierenden Sha-La-La-Chören oder lässt locker den Bossa-Nova grooven. Wär die Erde eine gerechte, könnte der Mann damit einem Ed Sheeran Konkurrenz machen. So muss er sich halt eine Nische neben Jonathan Richman, Damien Jurado und Adam Green suchen.
Jono McCleery: Moonlit Parade (Rough Trade)
Der Londoner Singer/Songwriter und Gitarrist hat ein weiteres Meisterwerk abgeliefert. Völlig unaufgeregt wie von Ihm gewohnt, eingebettet in eine fantastisch und gefühlvoll agierende Band, voll den eigenen Fähigkeiten vertrauend ist hier nichts affektheischend, nichts falsch oder unecht. Die Produktion ist glasklar wie schlicht, Hi-Fi-Connaisseure werden begeistert sein. Sein weich fließender, Jazz-informierter, auf Dynamik setzender Folk-Rock assoziiert Vergleiche mit Roy Harper, John Martyn, Tim Buckley aber auch manchmal David Crosby. Zeitlos gut.
Malika Tirolien: Higher (Edel)
„Higher“, da denkt man doch erst einmal an Woodstock und Sly & The Family Stone. Mit dieser quirligen Rasselbande hat die Sängerin aus Guadeloupe mit Wohnsitz Montreal (leider) nichts zu tun, die Richtung, nämlich der Soul (und ein bisschen auch der Funk) eint die Beiden dann doch. Bekannt könnte die stimmgewaltige Dame durch Ihre Zusammenarbeit mit Bokante (dessen Michael League hat dieses Werk auch produziert) oder auch dem Snarky-Puppy-Hit, „I´m Not The One“ sein.
Als Solistin pflegt Sie die eher ruhigeren Töne, gibt sich Jazz-affin, flicht aber auch ohne große Bedenken französische Rap-Einlagen in das dichte Groove-Gefüge. Durchaus auf einer Stufe mit Meshell Ndegeocello oder Erykah Badu zu sehen.
Kendra Morris: Nine Lives (Cargo)
Aufgewachsen in Florida, lebt die Sängerin, die auch als bildende Künstlerin, Filmemacherin und Animatorin arbeitet in New York. Inspiriert von den Blaxploitation- und Musical-Filmen, dem orchestralem Soul und Pop der 60er, transformiert Sie diese antiquierte Melange in einen eleganten, zeitgemäßen Sound, der manchmal sogar an Amy Winehouse, Alice Russell und Joss Stone erinnert. Stimmgewaltig und mit einem großen Volumen gesegnet meistert Sie so gefühlvolle, Folk-inspirierte Torch-Balladen ebenso wie modernistischere, R-'n'-B-Stücke, schließlich arbeitete man ja auch schon mit Künstlern wie DJ Premier, 9th Wonder, MF Doom, Czarface, Ghostface Killah oder Dennis Coffey zusammen. Sehr fein!
BRTHR: Be Alright (Backseat)
Eigentlich sollte man tunlichst verschweigen, dass diese Kapelle aus Stuttgart kommt, den tiefsitzenden Americana- und Soul-Ansatz würde man nämlich eher nach Nashville oder Memphis verorten -und nach Irland, das aber nur, weil hier ein Mann namens Van Morrison nun schon seit Dekaden Geschichte mit seinem Northern Soul schreibt. Letzterer Vergleich drängt sich auf, zumal jetzt noch Posaune, Saxophon und Flöte zart über diese schlanken, relaxten, Laid-Back-Kompositionen (ja auch der große Schweiger aus Tulsa klingt durch) wehen. Dass ein Reggae auch nach Cowboy-Art funktionieren kann zeigt indes „Homeward Bound“. Cool!
Beachheads: II (Fysisk Format)
Die beiden Kvelertak-Mitglieder Marvin Nygaard und Vidar Landa haben kurzerhand ihren Band Merchandiser Børild Haughom ans Mikrophon gestellt und spielen mit Espen Kvaløy an den Drums seit 2013 zusammen ihre Vorliebe für catchy Garagen-Pop unter der Flagge der Beachheads aus, aber erst jetzt erscheint der zweite Wurf der Norweger. Der ist durchdrungen von schmissigen Melodien zum Stage Diven, im Cabrio in die untergehende Sonne zu fahren, oder einfach auch mal ein Bierchen zu viel mit Freunden zu trinken. Party Music mit der richtigen Mischung aus Brit-Pop, Post-Punk, Surf- & Indie-Rock, der mal ein wenig melancholisch wie auf „Change“, meist aber euphorisch jubelnd daherkommt. Wäre Ende der 90er riesen groß gewesen.
Daniel Rossen: You Belong There (Rough Trade)
Seit 20 Jahren ist Daniel Rossen Key-Songwriter, -Gitarristen und -Sänger der US-amerikanischen Bandinstitution Grizzly Bear, die Ihre verschachtelte Harmonien und vielschichtigen Songtexturen aus den Spät-60ern und Früh-70ern, von Künstlern wie Van Dyke Parks, Crosby, Stills, Nash & Young oder den Beach Boys ins Jetzt transformiert haben. Die erfolgreicheren Fleet Foxes haben ähnliches geleistet, Animal Collective noch eine Schaufel Experimentalismus draufgelegt und Rossen bewegt sich mit seinem Solo-Werk nun zwischen diesen ganzen wunderbar gedrechselten Stühlen. Als Gitarrist, steht die Sechssaitige noch etwas mehr im Mittelpunkt und darf sich hier auch gerne Richtung folkloristischer und jazziger Fingerübungen a la Bert Jensch oder Richard Thompson austoben. Die schwelgenden orchestralen Arrangements zeugen von Finesse und einem tiefen Verständnis für anspruchsvolle Rhythmik und Dynamik -Loudon Wainwright`s opulent-überkandidelte Kunst-Pop lässt grüßen, aber ab & an braucht man ja auch anspruchsvolle Kost.
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