Kae Tempest: The Line is a Curve (Virgin)
Kae Tempest ist nicht nur verwandt mit Kate Tempest, sie ist es selbst, definiert sich aber aktuell non-binär. Hätten wir das geklärt. Sie ist auch weiterhin eine Spoken-Word-Performerin, manche mögen Rapperin sagen, die Musik ist hier Nebensache und eher Untermalung. Bringt man Anne Clark und Sun Kill Moon zusammen, kommt man der Sache schon recht nahe. Gäste wie der Londoner Rapper Confucius oder die britischen Soulsängerin Lianne la Havas bereichern das düster-repetitive Klangbild.
FredAtlast: Banner of A Lost Belief (Small Matter Rec)
Mit Little Dragon ist Fredrik Wallin aus Göteborg seit Mitte der 90er Jahre unterwegs, jetzt legt er sein erstes Solo-Album vor. Das entstand in einer alten Holzwerkstatt und hört sich auch so an: erdig, locker abgehangen, unaufgeregt. Wallin schwadroniert als entspannter Crooner zu lässigem Indie-Pop mit Soul/Jazz-Zungenschlag, ein paar Bläser bereichern, das Rhodes-Piano brilliert, nur den Drum-Computer hätte er gegen echte Felle tauschen können. Ansonsten ist das ein unbekümmertes Hörvergnügen für die hellen Stunden des Tages.
Joshua Hyslop: Westward (Nettwerk)
Der in Vancouver lebende Singer/Songwriter hatte mit Angstzuständen und Depressionen zu kämpfen, die durch das Zusammentreffen von der erstmaligen Elternschaft, dem Tod zweier Freunde und natürlich einer nicht enden wollenden Pandemie ausgelöst wurden. Als Lösung, als Katharsis bot sich an, Musik zu machen. Auf seinem fünften Album fließen all diese Gefühle ein, ohne ein düsteres Klangbild zu hinterlassen. Heiter sind diese Lieder zwar nicht unbedingt, eher intim, verhalten, getragen und melancholisch und ja, wer will kann im Song, „How This Started“ dann doch eine Gothic-Note ausmachen. Ansonsten gospelt es ein wenig in diesem ruhig-bedächtigen Americana-Album, die Banjos plappern, die Lap-Steel weint, eine Trompete schafft Atmosphäre, die Gitarren perlen und der klare Gesang ist mehr gehaucht als gesungen. Al Steward, Simon & Garfunkel und James Taylor hören hier gerne zu.
Mansionair: Happiness, Guaranteed (Glassnote Rec)
Zweites Album des Trios aus Sydney, das in der Heimat ziemlich gehypt wird. Sänger Jack Froggatt wird mit seiner hohen, flehenden Stimme und seinem einnehmenden Äußeren zumindest bei den weiblichen Fans viel dazu beigetragen haben. Aber auch der mit ein wenig elektronischen Sperenzchen angereicherte Indie-Pop ist durchaus dazu angetan, die Massen aufhorchen zu lassen, versucht er doch in einer Liga mit Coldplay oder The Verve zu spielen. Und auch die Balance zwischen Hymne und Ballade stimmt, so dass wohl eine weitere Grammy-Nominierung ins Haus stehen könnte.
Quiet Arrows: Behind the Breastbone (Nettwerk)
Zum Titel seines neuen Werks sagt Samuel Robertson selbst: „Der Titel des Albums bezieht sich auf den physischen Raum in meinem Körper, in dem ich am deutlichsten spürte, wie diese Erfahrungen Gestalt annahmen - der Raum, der das Herz beinhaltet und die Seele verbirgt. In Zeiten der Freude ist dies der Raum, der Dankbarkeit verbreitet und Optimismus ausstrahlt. In Zeiten der Verzweiflung ist dies der Raum, der sich in sich selbst zusammenzieht und im finsteren Schmerz des Leids kristallisiert. Hinter dem Brustbein ist der Raum, in dem ich die Schönheit, die Sehnsucht und den Schmerz dieser vergangenen Zeit meines Lebens verarbeitet habe. Es ist der Raum, der diese Lieder zu Ausdrucksformen und Erklärungen dafür machte, wie sich diese Lebensphase verändert. Hinter dem Brustbein - ein verborgener, intimer, heiliger Raum, in dem wir die Kraft des Durchhaltens und die Quelle der Dankbarkeit finden."
Hinter dem Brustbein sind jedenfalls eine ganze Menge feiner, kleiner, minimalistischer Melodien eingelagert, die zart und etwas versponnen wie bei Sufjan Stevens frühen Werken daherkommen, aber dessen Hang zur Opulenz vermissen lassen. Manchmal ist es einfach auch nur eine Art Spieluhr-Melodie oder ein Cello und ein paar gedoppelte Stimmen, die eine heimelige Atmosphäre entstehen und Seele und Herz erblühen lassen. Sollte vom Arzt gegen Depressionen verschrieben werden (können).
Melody`s Echo Chamber: Emotional Eternal (Domino)
Melody Prochet aus Paris hat auch ihr neues Werk in Schweden unter der Mithilfe von Reine Fiske, dem Multiinstrumentalisten der schwedischen Rockband Dungen und Fredrik Swahn, der Musiker, Produzent und Tontechniker, der vor allem durch seine Arbeit mit der schwedischen Indie-Rock-Band The Amazing bekannt ist, aufgenommen. Die haben einmal mehr einen Tabla- und Geigenverzierten Dream-Pop-Petticoat für die Chanteuse genäht, die darin übergangslos in Englisch und Französisch ihre entrückte Prosa kundtut. Wer die himmelhoch hohe Stimmlage der Dame goutiert, und dazu ein wenig auf Stereolab & Konsorten steht, wird gerne in diese Wolkenkuckucksheime mitgenommen.
Patrick Watson: Better in the Shade (Cargo)
Hassen oder lieben. Patrick Watsons Stimme ist sicherlich dazu angetan die Gemüter zu spalten. Wenden sich die Einen mit Graus ob des Gejammers, jubelt die Jeff Buckley/Robert Wyatt/Scott Walker-Fraktion und goutiert diese hohe, filigrane, leicht kratzige und kurz vor dem Kippen agierende Stimme, die natürlich nichts anderes kann, als eben keinen Rock zu illustrieren. Kammer-Folk mit klassischen und Jazz-informierten Verweisen, eine Prise Psychedelic und alles bitte ganz langsam, bedächtig und zerbrechlich. Man muss sich schon Zeit und vor allem Ruhe nehmen, um diese Lieder schätzen und genießen zu können. Tut man das, entfalten sich gar märchenhafte Klanglandschaften.
Seratones: Love & Algorhythms (Bertus)
Sängerin AJ Haynes klingt manchmal ein wenig wie Skye Edwards auf Crystal Meth, manchmal gurrt sie aber auch ähnlich sexy wie die Morcheeba-Frontfrau. Musikalisch haben beide Kapellen auch einiges gemeinsam, bilden doch Soul und Funk die Grundlagen. Wo Seratone jedoch das Retro-Disco-Glitzermäntelchen anlegen, wollen Morcheeba eher im coolen Insider-Club zum Tanz bitten.
Das gilt für die erste Seite der Platte. Seite zwei wechselt dann den Fokus. Zum einen Richtung Rock –„Get Free“ würde auch Mother`s Finest gefallen - zum anderen verfliegt der ganze aufgemotzte Glitzer und Balladen wie „Dark Matter“ lassen Herz und Seele erblühen.
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