Tedeschi Trucks Band: I Am The Moon - II. Ascension (Universal)
Steht da was von Teil 2, „II. Ascension“? Genau! Und es wird auch noch einen 3. und 4. Teil dieser hervorragenden Reihe geben. „I Am The Moon“, so der Überbegriff, ist ein episches Unterfangen in vier Alben mit 24 Originalsongs, inspiriert von einer mythischen persischen Geschichte über ein unglücklich verliebtes Paar („Layla & Other Assorted Stories“ nannten das einst Eric und seine Dominos besagtes Werk) und emotional getrieben von der Isolation und Abgeschiedenheit der Pandemie-Ära. Zu jeder Platte erscheint zudem ein hübscher Film den man sich auf dem Youtube-Kanal der Band ansehen kann und sollte. Musikalisch geht des 12-köpfige Musikerkollektiv (gottlob) keine neuen Wege und glänzt jetzt in kurzer Zeit gleich viermal mit ihrem unnachahmlichen wie einnehmenden Mix aus Southern Rock, Soul, Gospel, Americana, Psychedelic und Blues. Würde man die Allman Brothers, Grateful Dead, Jefferson Airplane, Bruce Hornsby, It´s a Beautiful Day, Little Feat und die Muscle School Horns in einen Proberaum - eine Turnhalle wäre wohl sinniger - sperren, genügend Zeit, stimulierende Substanzen und Jonathan Wilson und Daniel Lanois als Produzenten verpflichten, das Ergebnis könnte nicht berauschender sein. Sicherlich das Projekt des Jahres.
Neil Young & Promise Of The Real: Noise and Flowers (Reprise)
Das emotionale Projekt dokumentiert die Europa-Konzerte des Jahres 2019, die Young zum Gedenken seines kurz vorher verstorbenen Managers Elliot Roberts spielte. Es ist als Doppel-LP, CD, aber auch als 2 x LP + CD + Blu-Ray Deluxe Edition erhältlich und zeigt seine neue Begleitband in entfesselter Spiellaune, egal, ob sie sich an Fuzz-getränkten Rockern oder gemütlichem Country-Stoff versuchen. Das Repertoire speist sich aus zeitlosen Hymnen („Mr. Soul“, „Helpless“, „Rockin' in the Free World“) ebenso wie aus selten gespielte Fan-Lieblingen aus den 70ern („Field of Opportunity“, „On the Beach“) oder Perlen aus den 90ern („From Hank to Hendrix“, „Throw Your Hatred Down“). Ein Fest nicht nur für Fans.
Snowy White: Driving On The 44 (Soulfood)
Markant perlende Klavierläufe - man denkt zunächst an Bruce Hornsby - eröffnen den 7-Minüter „Freshwater“. Und ja, Tasten-Virtuose Max Middleton (der wirkte bei den besten Platten der Jeff Beck Group und später bei Kate Bush, den Stones, John Martyn und vielen mehr mit und auch seine Solo-Werke sind von keinen schlechten Eltern) ist erneut Teil der superb agierenden Begleitband. Doch dann setzt die Gitarre des Meisters selbst ein und setzt wunderbar ökonomische, leichtfüßig fließende Highlights Song für Song. Snowy Whites Stil ist inzwischen so ikonisch wie das von Mark Knopfler, Eric Clapton, Carlos Santana oder Jerry Garcia (R.I.P). Mit Mark Knopfler verbindet ihn wohl am meisten, denn auch diese Songs strotzen vor Lockerheit und Laid-back-Feeling. Snowy White ist ein Meister-Gitarrist, der sein Instrument nicht als Waffe, denn als zweckdienliches Instrument als Teil des Ganzen einsetzt. Blues-Rock mit jazzigen Untertönen par excellence, Bravo!
Metric: Formentera (Thirty Tigers)
Viele Baleareninseln gelten ja als ewige Party-Meile mit Disco und eimerweise Alkohol. Formentera gehört da eigentlich nicht dazu, trotzdem eröffnet „Doomscroller“ als über 10-minütiger Hochgeschwindigkeits-Disco-Knaller, dass einem die Stroboskop-Blitze nur so um die Ohren segeln. Aber Metric wären nicht die Band von Emily Haines, wenn dieses Geknatter nicht plötzlich durch eine sanfte Klavier-Ballade mitten im Stück filetiert werden würde. Die ist so ergreifend schön, dass man das Drumherum fast vergessen könnte, mündet diese wiederum am Ende in eine sich steigernde Indie-Rock-Nummer. Man bleibt verwirrt zurück. Der Titel-Track selbst startet mit opulenten Streichern, entwickelt sich dann zum hübschen, gemütlich vor sich hin plätschernden Pop-Song mit üppigen Keyboard-Zutaten. Aber natürlich gibt es auch den typischen, etwas verspielten Power-Pop je nach dem mit Synthi- oder Gitarrenverzierung und einer wie immer klasse Sängerin. Unterm Strich sicherlich nicht das stärkste Metric-Album.
Acua: Is There More Past Or More Future (Papercup Rec)
Eine Antwort auf den Albumtitel bleibt das Trio aus Köln schuldig. Macht aber auch nichts, denn was auffällt ist ihr Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Musiklandschaft. So psychedelisch verhangen, ein wenig verspult wie verspielt und trotzdem druckvoll mit knackigen Riffs musiziert sonst niemand in deutschen Landen. Die Synthies surren, schwirren und oszillieren, der Bass eher lyrisch, das Schlagwerk agil und geschmeidig, der Gesang meist zweistimmig, somnambul-melancholisch, aber auch irgendwie wieder sexy. Dazu unerwartet Rhythmuswechsel und flugs noch eine Idee eingeschoben. Man könnte dazu eine Messe feiern oder sich aber einfach in den Strand fallen lassen.
Journey: Freedom (Frontier)
Wie Jazz-Schlagzeuger Narada Michael Walden zu diesen Rock-Dinosauriern kommt bleibt ein Rätsel, jazzige Rhythmen sucht man hier jedenfalls vergebens. Neal Schon und die seinen zelebrieren Stadion-Mainstream-Rock mit riesigen Melodiebögen, saftigen Gitarreneinlagen, viel zu viel Keyboard-Soße und halt wie gewohnt von allem ein wenig zu viel. „Darf´s a bisserl mehr sein“ fragte doch schon einst die Wurstfachverkäuferin und die ist Schons beste Freundin.
The Mountain Goats: Bleed Out (Cargo)
John Darnielle war es während des Lockdowns Langweilig. Er guckte alte Action-Filme -und ließ sich von ihnen zu 12 neuen Songs inspirieren. So geht es also ungewohnt heftig zu auf diesem 21. Album der Bergziegen. Gleich der Opener, „Training Montage“ fetzt opulent wie Meat Loaf als Indie-Fettkloß. Und nach einem kurzen Innehalten geht auch „Wage Wars Get Rich Die Handsome“ los wie Schmidt`s Katze und bleibt als Mitgröl-Hymne im Ohr. Der „Extraction Point“ ist dagegen fast elegisch und typischer Mountain Goats-Stoff: Darnielle`s Gesang schmeichelt das Ohr, die Melodien, die Bläser legen sich wie ein Wollmantel darum, doch ganz unten, da lauert doch irgendwie das Biest. Mit „Bleed Out“ und seiner perlenden Klavier-Figuren endet das Album versöhnlich und entspannt eher als Dramolett denn als Action-Movie. Starke Platte, einmal mehr.
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