Dawes: Misadventures of Doomscroller (Universal)
Bis dato im Ablagefach unter „Folk/Americana, etc“ geführt, schlägt die Kapelle um das Brüderpaar Taylor und Griffin Goldsmith auf seinem sechsten Longplayer ganz andere Töne an: Es wird funkig. Und auch ein wenig jazzig. Dies allerdings nicht im Sinne von – sagen wir mal – Sly & The Family Stone oder Herbie Hancock. Die Grateful Dead in ihrer "Shakedown Street"-Phase stehen hier Pate, gepaart mit der coolen Abgeklärtheit und Perfektion von Steely Dan. So darf ein Song auch mal die Neunminuten-Grenze reißen und Suiten-Charakter annehmen. Ein „Misadventure“, also ein Unglücksfall ist diese Platte sicherlich nicht, vielmehr ein weiterer Beleg über die Klasse dieser Band, denn neben dem Gesamtkunstwerk (und es ist ein von Jonathan Wilson gekonnt arrangiertes Kunstwerk), lassen auch die vielen kleinen solistischen Großtaten aufhorchen.
Monolithe Noir: Rin (Capitane Rec)
Antoine Pasqualini und seine Kollegen mögen es gerne metrisch und repetitiv. Der Gesang spielt dabei eher eine zweitrangige Rolle, es geht ums Erforschen, Experimentieren und Ausprobieren. Mal ist der Rhythmusteppich extrem monoton („La Source“), mal komplex und differenziert („Brik“). Egal auf welcher Basis auch immer, werden dann die diversesten Instrumente zu ungewöhnlichen Klängen und Melodiemustern verführt, die auf jeden Fall eines schaffen: zu überraschen. Monolithe Noir schöpfen aus einer Vielzahl von Einflüssen: Prog, Ambient, Electronica, Folk und sogar aus den verborgenen Schätzen italienischer Bibliotheksmusik. Kein leichtes Unterfangen, das.
John Moreland: Birds in the Ceiling (Thirty Tigers)
Hoopla, was rumpelt hier den so!? Mit „Sailor Mouth“ führt das Quintett aus Texas (das inzwischen in New York beheimatet ist) erst einmal in die Irre. Verzerrte Fuzz-Gitarren und ein Haufen sonstiger Lärm führen hier erst einmal in Richtung Grunge-Rock. Dieser wird dann aber rasch in Richtung verschlurftem Indie- und Showgaze-Rock aufgelöst. Songwriterin und Sängerin Blair Howerton und ihre Kapelle sind jetzt nicht gerade die Party-Säue, tasten sich vielmehr von Song zu Song, auch wenn die Gitarren im Hintergrund weiterhin ein bisschen zicken und murren. Eigentlich ist es der pure Schönklang – nur halt in der Rauputz-Variante. Ein wenig mehr Drive und Dynamik hätten dieser traumtänzerischen Melancholie ganz gutgetan.
Friendship: Love the Stranger (Cargo)
Dan Wriggins ist sicherlich kein begnadeter Sänger, nein, bei „What`s The Move“ hat man fast Mitleid, wie er sich da in den hohen Tönen quält, dafür vergisst man ihn so leicht auch nicht (die tieferen Lagen meistert er deutlich souveräner). Der Sound seiner Band, diese sehr nah am Country beheimateten Melodien, sind indes von einer seltsamen Schönheit. Irgendwie spröde, fast zerrissen, dann wieder sämig-rund und ja geradewegs lustig („Chomp Chomp“) und poppig. Man könnte jetzt Lambchop anführen und Kurt Wagner den Soul klauen, ihn dafür aber mit eine wenig mit Lagerfeuer-Folk infizieren – und dann gleich noch Field Recordings und ein wenig Sample-Gefrickel mit dazu packen. Dabei will die Band aber doch nach eigenen Aussagen wie Emmylou Harris And The Hot Band wie aus den 70ern klingen. Sorry Leute, dieses Ziel wurde verfehlt, Euer Debüt geht aber trotzdem (oder gerade deswegen) schwer in Ordnung.
She & Him: Melt Away - A Tribute to Brian Wilson (Universal)
„Zooey und Matt haben solch umwerfende Versionen unserer Songs gemacht. Die Harmonien sind wunderschön und genau richtig. Ich liebe diese Platte!“ sagt der Meister selbst zum Tribute-Album seiner Lieder durch M. Ward und Zooey Deschanel aka She & Him. Soll man ihm da widersprechen, dem sakrosankten Sänger und Songschreiber der Beach Boys? Besser nicht, denn die beiden haben ihre Sache wirklich gut gemacht und arbeiten sich zudem an eher unbekannterem Material ab. „Melt Away“ ist also weit davon entfern ein Best Of-Beach-Boys-Hit-Album zu sein.
The Wynntown Marshals: Big Ideas (Blue Rose)
Hat sich da jemand verschrieben? Wynton Marsalis heißt der Jazz-Trompeter, richtig? Oder aber in Edinburgh ist der typische englische Humor ausgebrochen und diese Spießgesellen haben ein wenig wortgespielt und einen Wynntown Marshal daraus gemacht. Aber auch egal, denn auch diese Musik hat mit Schottland wenig am Hut, b.z.w. am Stetson, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in Arizona, Texas und den Midlands sind diese Lieder verortet. Alt.Country, Americana, Roots-Rock haben sich die Jungs auf die Fahne geschrieben und so hören wir Verweise auf die Byrds, Flying Burrito Brothers und Poco bis hin zu Son Volt, den Jayhawks und Whiskeytown aber auch Wilco oder Tom Petty. Das aktuelle Album ist dabei etwas Balladen lastiger, Power-Pop und knackiger Rock steht eher in der zweiten Reihe.
Jeff Cotton: The Fantasy Of Reality (Madfish)
Kennt noch jemand Antennae Jimmy Semens? Nicht gerade ein geläufiger Name, doch dieser Mann spielte einst die Lap-Steel auf Captain Beefhearts Mega-Alben “Trout Mask Replica” und “Strictly Personal & Mirror Man”. Damals wie jetzt heißt der Mann im richtigen Leben Jeff Cotton, und der hat sich nach 50 Jahren Abstinenz aufgemacht, nochmals ein wenig Musik zu machen. Nach so einer langen Pause staut sich einiges an, so dass das Werk 22 Titel zählt. „Does It Work For You?“ fragt der Oldie gleich zu Beginn. Tut es, Mr. Cotton, dein Sprechgesang gepaart mit dem coolen Amalgam aus Blues, Rock, Captain Beefheart-Wirrwarr und der feinen Lap-Steel gehen voll in Ordnung. Der sympathische Langhaarträger lebt anscheinend auf Hawaii, denn exotische Aloha-Klänge färben später den nicht ganz ernst zu nehmenden, dann auch ins psychedelisch triftenden Mix. Eine liebenswerte, schrullige Scheibe eines neu zu Entdeckenden.
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