Oberpfalz
20.10.2022 - 18:23 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

Die Sofie aus Wien mit einem exquisit-charmanten Pop-Album für Connaisseur trifft auf die belesenen Hard-Rock-Recken von Titus Andronicus. Beide wühlen in der Vergangenheit.

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Bandaid Brigade: Sex is Terrifying (Membran)

Bandaid Brigade: Sex is Terrifying (Membran) Bild: MEMBRAN
Bandaid Brigade: Sex is Terrifying (Membran)

Zach Quinn von der legendären Punk-Hardcore-Band Pears und Brian Wahlstrom (Scorpios, Gods of Mount Olympus) bezeichnen ihren Sound selbst als „Yacht-Punk“, eine Kombination, die sich eigentlich gegenseitig ausscheidet. Eigentlich, denn irgendwie schaffen es die Jungs, diese gänzlich gegensätzlichen Genres doch unter einen Hut zu bringen. Vom Yacht-Pop kommen die eleganten Synthesizer-Sounds, und auch ein paar Melodien sind von da geborgt. Vom Punk kommen die straighten Gitarren und ganz einfach die Wucht und Direktheit des Vortrags. Außen herum angesiedelt ein wenig Indie- und Alternativ-Rock, ein paar Power-Pop-Strähnen hängen auch noch aus dem Hut. „Abacus“ ist ein gutes Beispiel für diesen unmöglichen Stilmix, wo wüstes Gitarren-Gewittere urplötzlich in einem feinen Klavier-Thema ausklingt. Oder „Kitchen Tile“, wo ein pumpendes Bass-Motiv auf verspielte Klingen-Gitarren der U2-Liga treffen -und am Ende kraftstrotzender AOR-Rock rauskommt.

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Titus Andronicus: The Will to Live (Cargo)

Titus Andronicus: The Will to Live (Cargo) Bild: Cargo
Titus Andronicus: The Will to Live (Cargo)

Benannt nach William Shakespeares berühmter Rachetragödie über den Römischen Kaiser Titus, klingt die Musik des Trios weder nach Tragödie noch nach Rache. Sänger und Songwriter Patrick Stickles, Liam Betson an der Gitarre, R.J. Gordon am Bass und Chris Wilson am Schlagzeug haben unter der Regie von Produzent Howard Bilerman (Arcade Fire, Leonard Cohen) eine typische Alternative-Rock-Platte eingespielt. Diese setzt auf viel Dynamik, rumpelt ordentlich bei den Gitarren, ohne dabei ein Grunge-Feedback-Feuerwerk zu zünden. Man könnte vielmehr von einer soliden Arbeit sprechen, die angenehm unprätentiös daherkommt und mehr mit den Hard-Rock-Helden der frühen 70er denn mit Nirvana am Hut hat. Und das Reibeisenorgan von Patrick Stickels ist allein schon hörenswert.

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Henry Franklin, Ali Shaheed Muhammad & Adrian Younge: Henry Franklin (JazzIsDead)

Henry Franklin, Ali Shaheed Muhammad & Adrian Younge: Henry Franklin (JazzIsDead) Bild: JazzisDead
Henry Franklin, Ali Shaheed Muhammad & Adrian Younge: Henry Franklin (JazzIsDead)

Die 14. Ausgabe dieser wunderbaren Reihe ist dem Bassisten Henry Franklin gewidmet. Der Musiker spielte schon mit Hugh Masekela, Stevie Wonder, Freddie Hubbard, Hampton Hawes und vielen anderen Größen und ist bekannt für seinen „singenden“, geschmeidigen Bass. Die hier vertretenen Kompositionen decken eine enorme Bandbreite des Jazz ab, mit Ausflügen in afrikanische Gefilde, Richtung Free Jazz und freien Improvisationen, Latin-Jazz und damit Anklängen an Charles Mingus, Ray Brown oder Chick Corea, eindrucksvolle Soli von Gitarre, Saxophon, Trompete und Flöte inklusive.

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George Fitzgerald: Stellar Drifting (Domino)

George Fitzgerald: Stellar Drifting (Domino) Bild: Domino
George Fitzgerald: Stellar Drifting (Domino)

Der Electronic-Künstler hält dieses Mal auch für alle Nicht-Electronic-Fans ein paar Leckerbissen bereit. Da wäre zum einen die Zusammenarbeit mit Panda Bear auf „Passed Tense“, das als Electro-Afro-Pop durchgeht, die Kollaboration mit London Grammar auf „The Last Transmission“, einem eher sphärischen Act der Kate-Bush-Liga, und „Rainbow And Dreams“, das SOAK featured und mit viel Plings & Plongs vom Dancefloor in die Raumstation führt. Ansonsten viel delikate, digitale Rhythmusarbeit mit einer Vielzahl Maschinen.

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Whosroman: Dreams (Independent)

Whosroman: Dreams (Independent) Bild: Independent
Whosroman: Dreams (Independent)

Wer ist denn nun dieser Roman? Ein Wahlberliner, so viel ist bekannt, der sich zunächst am HipHop und Rap versuchte. War dann doch nicht sein Ding, und bei den Eltern hörte man auch eher The Cure, Joy Division, B-52`s und den anderen 80er-Kram. Vor allem die Dunkelmänner und Kajal-Träger haben es ihm auf seinem Debüt angetan, zum Post-Wave mischt Roman dann noch ein wenig Power-Pop, so dass lediglich der Song, „9-5“ als Ballade daherkommt. Zusammen mit einer nicht ganz so ausdrucksstarken Stimme, dem immer gleichen Tempo und Themen wie Erwachsenwerden, die Liebe, Trennung, Zukunftsangst, Leistungsdruck und was halt einen 20-jährigen sonst noch so beschäftig mehr, hat dieser Indie-Rock doch noch recht viel Luft nach oben.

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Foreign Air: Hello Sunshine (Nettwerk)

Foreign Air: Hello Sunshine (Nettwerk) Bild: Nettwerk
Foreign Air: Hello Sunshine (Nettwerk)

Aufgenommen haben Jesse Clasen und Jacob Michael ihr Album ausgerechnet auf einer Gänsefarm in Virginia, dabei ist dieser Sound vom Landleben so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Urbane Klänge aus Electronics, Indie-Pop, Alternative-Rock bis hin zu Samples und HipHop bilden ein von allerlei Tasteninstrumenten und Drum-Computern geprägtes Klangbild, das eher an Alt-J denn an Americana erinnert. Am besten klingt das Duo, wenn es Digitales mit Analogem wie auf „Moving On“ kreuzt und dabei angenehm an die Zusammenarbeit von Danger Mouse mit Shins-Mann James Mercer aka Broken Bells erinnert.

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Sofie Royer: Harlequin (Rough Trade)

Sofie Royer: Harlequin (Rough Trade) Bild: Rough Trade
Sofie Royer: Harlequin (Rough Trade)

„Harlequin“ lässt die Leidenschaft der Wienerin und ehemaligen Los-Angeleno-Musikerin für die Opern- und Ballett-Traditionen ihrer Heimatstadt ebenso aufleben wie für die barocke Lyrik des Kabaretts. Wenn die Wurzeln von Sofies Debütalbum „Cult Survivor“ von Pop-Exzentrikern wie Gary Wilson, Todd Rundgren und Serge Gainsbourg inspiriert wurden, dann geht diese Platte noch viel weiter in die Geschichte zurück und nimmt Anleihen beim Zirkus und den Hofnarren. Zusammen mit Sofies Nostalgie für das Reality-Fernsehen der frühen Achtzigerjahre und die amerikanische Mall-Punk-Subkultur ergeben die Songs eine ebenso theatralische wie musikalische Montage seltsamer Charaktere, volkstümlicher Schauplätze und geheimnisvoller Chronologien, die sie in einen kaleidoskopischen Indie-Pop verpackt, der seine Inspirationen aus den 60er und 70er Jahren zieht, eine Vocoder-Stimme, Jazz- und Yacht-Pop-Anleihen zulässt, mal barock, mal nach Vaudeville klingt und auch mal dezent funky daherkommt.

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Jack In Water: The Year We Lost (Pop-Up)

Jack In Water: The Year We Lost (Pop-Up) Bild: pop up
Jack In Water: The Year We Lost (Pop-Up)

William Clapson aka Jack spielt mit dem Titel der EP auf das Corona-Jahr an, in dem er mangels Bewegungsfreiheit – er lebt in Spanien, und da wurden die Verbote und Auflagen deutlich rigider gehandhabt – zu Hause aufnehmen musst. Die Songs sind daher auf das Wesentliche reduziert, Gitarre und Keyboards sind meist genug, um die warme, weiche Stimme von Clapson und seine intimen Geschichten und Beobachtungen zu umrahmen. Ein minimalistisches Singer/Songwriter-Werk in der Tradition eines Nick Drake.

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