Oberpfalz
27.10.2022 - 10:58 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

Neben Klassikern wie Suede und Lambchop, gehört diese Ausgabe KünstlerInnen aus dem nahen Osten und Afrika, die mit exotischen Klangfarben verzaubern.

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Lambchop: The Bible (City Slang)

Lambchop: The Bible (City Slang) Bild: City Slang
Lambchop: The Bible (City Slang)

Mit dem 2017er Album “Flotus” beendete der ehemalige Parkettleger Kurt Wagner den Reigen phänomenaler Country-Soul-Alben, die 1995 mit „I Hope You Are Sitting Down“ seinen Anfang und sich bis mindestens „Nixon“ von Höhepunkt zu Höhepunkt hangelte. Dann kam Autotunes, und der Vocoder wurde en vogue. Auf „The Bible“ versucht er nun den Spagat zwischen Tradition und Moderne –was gelingt ... oder auch nicht. Ein Vocoder ist ja ein hübsches Vehikel, um ab und an einen Akzent zu setzen. Wird er derart exzessiv wie zuletzt auch auf der letzten Low-Veröffentlichung eingesetzt, kann das Gerät auch schon mal an den Nerven kratzen. Im Falle Wagners goutiert der Fan ja gerne diese sonore, warme Alt-Stimme, und die hätte man dann doch gerne in ihrer puren Pracht und nicht als verzerrtes Grummeln gehört. Und wenn er sich als entrückter Crooner in einer Piano-Ballade wie „Daisy“ übt, ist das inzwischen mehr Kunst (oder Jazz) als Soul. „Dylan At The Mouse Trap“ schwelgt nochmals richtig in Pedal-Steel-Warmwasser, und man wünscht sich die 90er herbei.

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Ben Shemie: Desiderata (Cargo)

Ben Shemie: Desiderata (Cargo) Bild: Cargo
Ben Shemie: Desiderata (Cargo)

Mit seiner Hauptband, den Suuns, ist Ben Shemie schon recht weit weg vom konventionellen Pop-Geschäft, auf Solopfaden wandelnd ändert sich dabei wenig. Allerdings, die Kompositionen sind bei aller Lust am Experiment und der freien Assoziation irgendwie zugänglicher geraten und werden durch einen dynamischen, repetitiv-fließenden Flow verbunden, der allerlei orchestralen Zierrat bereithält. Vocoder-Stimmen treffen auf dunkel pluckernde Rhythmen und werden von süßen Streichern umgarnt. Yin & Yang in einer Komposition. Thematisch befasst sich Shemie in den zehn Tracks mit der Geschichte einer wandernden Seele, die sich in ihrer eigenen dunklen Umlaufbahn verheddert und in einer Welt aus Sternenstaub und astralen Trugbildern nach einem Sinn sucht. Science Fiction für die Ohren.

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Suede: Autofiction (BMG)

Suede: Autofiction (BMG) Bild: BMG
Suede: Autofiction (BMG)

Süßer die Gitarren nie klangen. Nein, Suede wollen auf ihrem neuen Album nichts bewahren, schon gar nicht den Brit-Pop-Thron, den sie einst an Oasis verloren (und nun zurückerobern könnten). Brett Anderson leidet als Ian Curtis 2.0 an seinem auf die 60 zugehenden Alter mit all den damit verbundenen Problemen, und die Kapelle lärmt dazu, als stünden ihnen die Sex Pistols näher als die Beatles. Interpol sind nah, die Editors, Arcade Fire, Manic Street Preachers sowieso. Aber bei all dem Rock-`n`-Roll-Lärm und Post-Wave-Gedöns haben Suede natürlich auch nicht vergessen, dass sie mal in der Oberklasse der Hymnen-Schreiber mitgewirkt haben, „The Only Way I Can Love You“ ist hierfür das beste Beispiel. Eine Altherrenplatte, die klingt wie ein stürmisch-juveniles Debüt. Das muss ihnen erst mal einer nachmachen.

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Bruno Bavota & Chantal Acda: A Closer Distance (Cargo)

Bruno Bavota & Chantal Acda: A Closer Distance (Cargo) Bild: Cargo
Bruno Bavota & Chantal Acda: A Closer Distance (Cargo)

Hier der italienische Komponist und Klaviervirtuose, dort die niederländische Sängerin. Jeweils getrennt zu Hause aufgenommen, basieren diese zarten Folk-Skizzen demnach auch ausschließlich auf Tasten und Stimme, heißen „Sirens“, „Still I“ oder „Lullaby For Loved Ones“. Und genau das sind sie auch, „Lullabys“, also Wiegenlieder, die nur oder am besten des Nächtens alleine bei einem Glas Wein genossen werden sollten. Man muss sich dazu auf eine ätherische, äußerst fragile, freischwebende Feen-Stimme einlassen, Tasten werden eher gestreichelt denn angeschlagen.

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Alhaji Waziri Oshomah: World Spirituality Classics 3 (Luaka Bop)

Alhaji Waziri Oshomah: World Spirituality Classics 3 (Luaka Bop) Bild: Luaka Bop
Alhaji Waziri Oshomah: World Spirituality Classics 3 (Luaka Bop)

Alhaji Waziri Oshomah ist ein gläubiger Muslim und eine tragende Kraft in seiner Gemeinde. Er macht eine einzigartige Art von Tanzmusik, die mit lokalen Folk-Stilen, pan-nigerianischem Highlife und westlichem Pop verschmilzt und so einen einzigartigen Sound kreiert, der das Ethos des Miteinanders in Afenmailand, einem kleinen Bezirk in Nigeria, verkörpert. Seine Texte sind nachdenklich und philosophisch – sie greifen auf jüdisch-christliche und überlieferte Bilder zurück, um von Frömmigkeit und Ehrfurcht zu sprechen, und vermitteln islamische Werte wie Demut und Bescheidenheit auf eine Art und Weise, die jeder, unabhängig von seinem Glauben oder seiner Religion, verstehen kann. Alhaji Waziri Oshomah steht für einen nach allen Seiten offenen Islam, der den Tanz, die Freude und Liebe feiert, von den Taliban und Mullah-Brüdern würde er wahrscheinlich für seine Arbeit gesteinigt werden. So aber kann sich jeder an dieser bläsergetränkten, soul-infizierten Weltmusik erfreuen.

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Under The Reefs Orchestra: Sakurajima (Capitane Rec)

Under The Reefs Orchestra: Sakurajima (Capitane Rec) Bild: Capitane Rec
Under The Reefs Orchestra: Sakurajima (Capitane Rec)

Benannt nach dem berühmten japanischen Vulkan offeriert dieses Album acht spannende und, ja, bisweilen auch eruptive Instrumentalstücke im Spannungsfeld zwischen Post-Rock und Jazz. Es dominiert die Gitarre von Clément Nourry, Akzente setzt Saxophonist Marti Melia, der wie sein Kollege Jakob Warmenbol am Schlagzeug seinen Background in der Brüsseler Jazz-Punk-Kapelle Don Kapot hat. Das Trio zündet jetzt kein wildes (Free Jazz-)Feuerwerk, geradezu elegische Stücke wie „Ants“ oder orientalisch Angehauchtes wie im Titelsong bis hin zu Verweisen in Richtung (experimentellem) Yacht-Rock wie auf „Galapados“ sind zu hören. Eingängiger als King Crimson, poppiger als Morphine, weniger Jazz-betont als Sun Ra und von der Gitarrenarbeit fein wie etwa Marc Ribot.

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Tamino: Sahar (Virgin)

Tamino: Sahar (Virgin) Bild: Virgin
Tamino: Sahar (Virgin)

Tamino ist ja eigentlich eine Figur aus Mozarts Oper "Die Zauberflöte". Er ist ein Prinz, der von der Königin der Nacht beauftragt wird, ihre Tochter Pamina zu befreien und dazu eine ganze Reihe an Abenteuern zu bestehen hat, die dann unter dem Segen von Sarastro (dem einstigen Widersacher der Königin) in der Liebe mündet. Der belgisch-ägyptische Liedermacher, mit vollem Namen Tamino-Amir Moharam Fouad, ist der Sohn des berühmten Schauspielers Muharram Fouad und ist wohl deshalb zu diesem künstlerischen Vornamen gekommen. Ein schillernder Prinz ist er nicht, obgleich der schöne Mann auch als Modell tätig ist. Sehr intim, in sich gekehrt, minimalistisch und erratisch klingen diese Lieder, die Orient und Okzident in sich vereinen, denn die Oud, eine orientalische Laute, steht gleichberechtigt neben Klavier, Gitarre, Schlagzeug und anderen Instrumenten. Den jungen Mann als arabischen Tim Buckley zu bezeichnen, führt vielleicht ein wenig weit, da fehlt es am Stimmumfang und der -artistik, völlig aus der Luft gegriffen ist dieser Vergleich jedoch nicht. Die Platte entstand übrigens in Zusammenarbeit mit dem Radiohead-Bassisten Colin Greenwood.

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Liraz: Roya (Glitterbeat Rec)

Liraz: Roya (Glitterbeat Rec) Bild: Glitterbeat Rec
Liraz: Roya (Glitterbeat Rec)

Liraz ist das Kind sephardischer Juden iranisch-jüdischer Abstammung, die nach Israel auswanderten. Ihre Band setzt sich aus drei Frauen und drei Männern aus Teheran zusammen, aufgenommen wurde im Geheimen in einem Kellerstudio in Istanbul. Im Iran ist es Frauen generell verboten, überhaupt Musik zu machen, und der fröhlich-ausgelassene Electro-Pop unserer Protagonisten zusammen mit den nach Freiheit, Liebe und Gleichberechtigung schreienden Texten dürfte den iranischen Sittenwächtern nicht nur ein Dorn im Auge sein. Neben herkömmlichem Instrumentarium kommen auch Violine, Bratsche und die Tar, die iranischen Holzlaute mit Wespentaille, zum Einsatz. Gesungen wird auf Farsi (was wohl hierzulande kaum jemand verstehen dürfte), aber dass diese Platte überhaupt entstehen konnte, ist schon an sich beachtlich.

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