blackwave. - no sleep in LA
Die belgischen Musiker Willem Ardui und Jean-Valéry Atohoun sind nach Kalifornien gereist, um sich neue Inspirationen im Land des HipHop zu holen. So ganz aufgegangen ist das Unterfangen nicht, denn anstelle eines harten HipHop-Albums kredenzen die Jungs ein sämig-süffiges, soul-getränktes und streicher-versüßtes R-'n'-B-Werk mit Rap-Einlagen. Die einen wirds freuen, die anderen werden wohl eher zur Ami-Konkurrenz greifen.
Mimmi: Titanic (Broken Silence)
Teil zwei einer Trilogie der norwegischen Sängerin. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Habitat ist ein zentraler Punkt des Albums. Sei es die Frage nach der eigenen Identität, Heimat oder die Suche nach Liebe. Musikalisch ist die Künstlerin schwer zu fassen. Analoge und digitale Elemente halten sich in etwa die Waage. Es ist Pop, aber auch wieder nicht, denn dessen Eingängigkeit muss man hier suchen. Dafür wird man mit viel Spannung, Tempo- und Rhythmuswechsel geflutet. Es ist Soul, schon wegen der angedeuteten Gospel-Elemente, es ist aber auch Folk, und es ist auch zu einem kleinen Teil Art-Pop und Avantgarde im Stile einer Laurie Anderson. Und es hat das Pathos einer Kate Bush und die Zerbrechlichkeit und Fragilität einer Tori-Amos-Ballade. Mimmi Tampa entzieht sich jeder Kategorisierung und leuchtet als einsamer Stern am Pop-Firmament.
THUS LOVE – Memorial (Cargo)
Das Trio aus Vermont vereint drei Trans-Menschen, die ihre Geschlechterrollen offen leben und versuchen, das auch in ihrer Musik auszudrücken. In DIY-Manier im heimischen Studio eingespielt, springt gleich der Sound der quecksilbrig-klaren, ein wenig an Tom Verlain erinnernden Gitarre ins Ohr. Bass und Schlagwerk pumpen wie zu guten Punk-Zeiten, insgesamt wird ein waviges 80er-Sound-Designe gepflegt, Joy Division, die Simple Minds, aber auch Felt sind ganz nah.
Rival Consoles: Now Is (Erased)
Der in London lebende Musiker und Produzent Ryan Lee West aka Rival Consoles ist bekannt für seine experimentellen und treibenden elektronischen Klangwelten – und dafür, dass es ihm immer wieder gelingt, Synthesizer geradezu menschlich klingen zu lassen. Inspiriert von dem Wunsch, einen Sound zu kreieren, der möglichst organisch und lebendig klingt, ist in seinen Kompositionen stets seine Handschrift klar hinter den Maschinen zu erkennen. Ambient-Techno mit Seele.
Chorusgirl: Colapso Calypso (Cargo)
Eine Sammlung von Liedern über Krisen, Turbulenzen, Trauer, aber auch Resilienz und Loslassen präsentiert uns die deutsch-englische Künstlerin und Singer/Songwriterin Silvi Wersing. Zwischen Dream- und Noise-Pop pendelnd evozieren diese Lieder Anklänge an die Pixies, Lush, The Cure, The Breeders, The Bangles, die Alvvays oder Kim Deal. 80er Post-Wave reicht sich hier schon die Hand mit 90er-Grunge- und Indie-Rock, wobei die heftigen Ausschläge hier außen vor bleiben. Silvi Wersinger zeigt eher nicht die Zähne und lässt die Krallen (halb) eingefahren.
Andrew Combs: Sundays (Rough Trade)
Wenn ein Album direkt nach einem Nervenzusammenbruch geschrieben wird, ist dies meist ein kathartischer Prozess, der für den Künstler lebensrettend, für den Hörer enervierend ausfallen kann. Der Singer/Songwriter aus Nashville tut uns aber nicht weh, denn wenn die Stories auch düster sein mögen, der kurzgeschnittene Americana-Sound ist es mitnichten. Combs fällt schon mal vom Tenor ins Falsett (wunderschön auf „Anne Please“, wo sich ein einsamer, nachdenklicher Holzbläser dazu gesellt), seine fragilen Songs hätten auch Bonnie „Prince“ Billy eingefallen sein können. Wo früher Streicher und opulente Arrangement wüteten, ist jetzt eine vornehme Zurückhaltung angesagt. Dieser spartanische Minimalismus hat seine Reize, der eine oder andere „Aufwecker“ hätte dieser intimen, atmosphärisch dichten Scheibe trotzdem gutgetan.
Dillon: 6abotage (BPitch Control)
Man muss die markante rauchig-kicksende (Sprech-)Stimme der brasilianischen Wahlberlinerin Dominique Dillon de Byington schon mögen, um auch die sanften Beats von HipHop-Produzent Alexis Troy goutieren zu können, ein Piano wie noch taktgebend zuvor, sucht man hier nämlich vergebens. Es ist alles schön kuschelig, aber eben auch rein digital eingerichtet, der Sound, Trip-Hop, HipHop, verhaltener R'n'B. Eher eine Art-Pop-Installation als cooles Disco-Futter. Am Ende der Platte kommt das Fleetwood-Mac-Stück "Rhiannon" in einer komplett entschlackten Fassung (dafür aber mit analoger Kirchen-Orgel) zu verhaltenen Ehren.
Abraxas: Monte Carlo (Cargo)
Abraxas hieß mal eine wegweisende Platte von Carlos Santana – und dessen Latin Sound ist auch auf dem Debüt von Carolina Faruolo (ex-Los Bitchos) und Danny Lee Blackwell (Night Beats) präsent. „Monte Carlo“ beginnt mit „Sunrise State (Of Mind)“, wo ein hypnotischer Cumbia-Beat als Fundament für kosmische Gitarrenleads, verschwommene Chormelodien und Blackwells verführerischen Gesang dient. Von dort aus setzt das Album seinen stetigen Latin-Puls auf „Mañana“ fort, dem perfekten Soundtrack für fiebrige Nächte in Tanzlokalen, in denen man an Caipirinhas nippt und Zigaretten mit Fremden auf der Tanzfläche teilt. Auf seinen zwölf Tracks entfaltet „Monte Carlo“ eine Vielzahl exotischer Einflüsse, von den orientalischen Melodien und Gitarrentrillern auf „Sultan“ über den dub-beeinflussten Stomp und den brennenden Fuzz von „La Estampida“ bis hin zum anatolischen Psych-Funk des Albumabschlusses „Göbekli Tepe“.
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