Neil Young & Crazy Horse - World Record (Reprise)
Neil Young liebt die Erde – und die Autos. Beides bekommt der Umweltaktivist und Chronist unsere Gegenwart und Zukunft nicht nur auf dem locker-flockigen, recht gemütlichen, mit Klimper-Klavier arrangierten Opener „Love Earth“ gekonnt unter einen Hut. Man kann den Mann eh nur lieben (was man sollte), oder hassen, denn außer ein paar Ausrutschern in den späten 80ern und 90ern (man denke nur an das unsägliche „Trans“-Album), glänzt sein Oeuvre sondergleichen, pendeln lediglich zwischen ziemlich gut und sehr gut. „World Record“, produziert live im Studio von einer weiteren Legende, nämlich Rick Rubin, macht es sich zwischen diesen Polen bequem, genauso wie Young und seine bewährten Crazy Horse stilsicher zwischen Folk und kernigen Rock-Stücken changieren. Sicherlich bald ein Live-Klassiker dürfte dabei die 15-minütige Gitarren-Exkursion „Chevrolet“, „Break The Chain“ und das wunderschön optimistische Pärchen „I Walk With You“ und „The Old Planet“ (mit Mundharmonika) werden. Wieder mal fein gemacht, Papa Neil.
Okay Kaya – SAP (Cargo)
Kaya Wilkins ist eine norwegisch-amerikanische Multi-Künstlerin, die sich in Museen ebenso geborgen fühlt wie im Aufnahmestudio – oder im Meer. Wasser kommt nicht nur des Öfteren als Metapher vor, für Okay Kaya ist es das wichtigste Element in ihrem Leben. Zusammen mit einer Reihe an Gästen – unter anderem tummelt sich hier auch etwas artfremd ein Adam Green – erschafft die Künstlerin einen Art-R-&-B mit viel Synthies, blubbernden Bässen, trockenen Drums, Yacht-Pop-Gitarren auch mal einer Pedal Steel und erinnert mit ihrer Experimentierlust ein wenig an eine andere große New Yorkerin: Laurie Anderson. Im Prinzip steht diese wunderliche Lava-Lampe aber singulär in der Musikwelt.
Tom Petty & The Heartbreakers – Live At The Fillmore (Warner)
Im Jahr 2017 verstarb einer der besten Singer/Songwriter und Rocker der USA. Zehn Jahre zuvor spielten er und seine Heartbreakers fast einen Monat lang nonstop im legendären Fillmore Theatre in San Francisco, dem ikonischen Club der schon in den Sechzigern Musikgeschichte ob seines charismatischen Impresario Bill Graham schrieb. Diese Sternstunden liegen nun in diversen Formaten – unter anderem einer schön gestalteten 4er-Box – vor. Interessant bis komisch sind dabei die diversen Bühnenansagen, bemerkenswert hingegen, dass es auf den Alben mehr Fremd- als Eigenkompositionen zu hören gibt und sensationell, dass einige der Urheber als Gast mit von der Partie sind. So durfte Petty auf der Bühne Kollegen wie The-Byrds-Frontmann Roger McGuinn und die Blues-Legende John Lee Hooker begrüßen. Andere Highlights im Set sind Bob Dylans „Knockin’ On Heaven’s Door“, J.J. Cales „Crazy Mama“, „Time is On My Side“ von den Rolling Stones und weitere Songs von The Kinks, Everly Brothers, Bill Withers, The Byrds, Chuck Berry, Lynyrd Skynyrd und Booker T. & the M.G.’s. Zudem gibt es ausgedehnte Versionen der TP&TH-Songs „Mary Jane’s Last Dance“, „It’s Good To Be King” und den Morrison-Klassiker, “Gloria”. Da kann Weihnachten kommen!
DYLYN – The Sixty90’s (Nettwerk)
Gwendolyn Lewis aus Kanada ist alles andere als ein Pop-Sternchen, auch wenn man ihrem Debüt gewisse (Indie-)Pop-Qualitäten nicht abstreiten kann. Geprägt von den Sixties genauso wie den Nineties (die 80er hat sie eher ausgelassen) gelingen Power-Pop-Hymnen mit Ohrwurmcharakter ohne von der Stange oder schnöder Mainstream zu sein. Dabei besingt die Künstlerin ihre Dämonen, schwadroniert über Alkohol, Missbrauch, toxische Beziehungen oder mentale Gesundheit. Und dass es bei derart ernsten und bitteren Themen auch mal einen fette Gitarrenbreitseite aus der Hard-Rock-Liga braucht, versteht sich von selbst – um im nächsten Moment eine wunderbar schwülstige Ballade wie „You“ aufzulegen.
Old Fire – Voids (Cargo)
John Mark Lapham hatte vor Beginn des Albums mit diversen Schicksalsschlägen zu kämpfen. Beide Elternteile starben, eine Liebe ging zu Ende und dann war da ja auch noch eine Pandemie. „Voids“ klingt wie der passende Soundtrack dazu und das liegt nicht nur an den teils cinemaskopischen Sound-Landschaften. Ambient, Jazz, Avant-Country, Spoken Word, Nu-Folk, Drones, Lapham`s Musik ist offen und experimentell, aber neben den Instrumentals sind die Gastsänger*innen das Salz in der Suppe. Des Öfteren zu hören, kein geringerer als Bill Callahan (u.a. auch auf einem John-Martyn-Cover), zudem Adam Torres, Emily Cross und Julia Holter. Zudem hat der Mann eine ganze Heerschar an Musikern aus den verschiedensten Genres versammelt, wie etwa Pedal-Steel-Legende Bob Hoffnar, Keyboarder Christian Madden, Gitarrist Alex Hutchins, Ambient-Komponist Wayne Robert Thomas, Warren Defever von His Name Is Alive, Multi-Instrumentalist Thor Harris, Saxophonist Joseph Shabason, die Schlagzeuger Joe Ryan und Robb Kidd, Thomas Bartlett am Klavier, Semay Wu am Cello und Robin Allender an Tasten/Gitarren und viele mehr.
David Hope – ...and the sea (Tourbo Music)
Der irische Singer/Songwriter legt hier schon sein fünftes Album vor. Die eher düster-beklemmenden Geschichten scheinen autobiographisch geprägt zu sein, sind atmosphärisch dicht gestrickt und gehen unter die Haut. Bei aller Folk-Seligkeit und -Leidenschaft grätscht auch schon mal eine harsche E-Gitarre dazwischen, überhaupt ist dies keine Platte des traditionellen Irish-Folk, eher denkt man dabei an Grenzgänger wie John Martyn oder Roy Harper und ihren ausufernden, instrumentellen Experimenten. Das Timbre des Protagonisten hat wiederum etwas von der Rohheit eines Tom Waits.
Gebhardt – Geb Heart (Noisolution)
Dass ehemalige Schlagzeuger ganz passable Singer/Songwriter abgeben können, weiß man nicht erst seit Phil Collins oder Grant Hart. Der Motorpsycho-Drummer Håkon Gebhardt ist auch so ein Patron und nimmt zusammen mit seiner Frau hervorragende Platten auf, die Genre-technisch zwischen diversen Stühlen stehen. Es hat Indie-Rock (oder auch Pop), ein wenig Folk, seine psychedelisch verspielten Elemente und nicht nur durch die Ähnlichkeit der Stimme mit Stan Ridgway auch einen guten Schuss (Post-)Wave. Diese collagenhafte Mixtur passt gut zum Artwork, denn da hat sich der Mann gleichermaßen virtuos ausgetobt.
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