Sean Keel – A Dry Scary Blue (Rough Trade)
Der sechzigjährige Mathematik-Professor aus Texas betreibt das Musizieren lediglich als Hobby. Das ist so verständlich wie schade, denn würde er weniger Wert auf seine Zahlen legen, wir hätten sicherlich schon viel früher an dieser einzigartigen Stimme teilhaben können. Sie ist nicht schön, aber so authentisch, so weidwund, so eindringlich wie sonst nur die von Tom Waits. Diese intimen Country- & Folk-Balladen, meist nur innigst mit Stimme und Gitarre vorgetragen, berühren und nehmen in ihrer Schlichtheit gefangen. Wenn es dann doch mal etwas flotter wie im „Cool Old Man“ wird, erschrickt man sich richtig.
Vaya Con Dios - What's A Woman? (PIAS)
Es ist jetzt zwar schon ein wenig her, dass dieses Album erschienen ist, falls noch nicht geschehen, sollte man es sich noch zu Gemüte führen. Nur begleitet vom einfühlsamen William Lecompte am Piano, intoniert Vaya con Dios Sängerin Dani Klein die größten Hits und einige ihrer Lieblingslieder in diesen minimalistischen Klavier-Vokal-Interpretationen und filtert dabei die Essenz dieser Jazz-informierten Pop-Songs heraus.
Lostboycrow - Indie Pop (Nettwerk)
Chris Blair, der Typ hinter Lostboycrow tourte schon als support act für Künstler wie Grizzly Bear, Death Cab For Cutie, Ra Ra Riot oder wie We Are Scientists. Nimmt man jetzt noch den Albumtitel wörtlich, ergänzt ihn noch um „Rock“, kommt man der hier gebotenen Musikrichtung schon verdammt nah. Der Song-Schreiber von der Westküste ist vielleicht ob des meist guten Wetters dort durchaus optimistisch gestimmt (zudem outet er sich als großer Beach-Boys-Fan und zitiert auch mal die „Good Vibrations“) und schreibt dementsprechend locker-unbekümmerte Lieder die auch etwas Sonnenschein in unseren nasskalten Winter bringen könnten.
The Winston Brothers – Drift (Cargo)
Guter alter, analoger Funk gefällig? Instrumentale Funk-Highlights aus den 70ern neu entdecken? Isaak Hayes „Shaft Theme“ mal ins neue Jahrtausend transformieren? Da hätten wir was für Sie und das ist sogar -Wunder, Wunder- ein Eigengewächs aus dem sonst so reservierten, kühlen Hamburg. Und es sind auch keine Brüder, die Winston Brothers sind ein modulares Studioprojekt des Hamburger Multiinstrumentalisten und Produzenten Sebastian Nagel (The Mighty Mocambos, Bacao Rhythm & Steel Band) und des Schlagzeugers und Percussionisten Lucas Kochbeck (The KBCS, Bacao Rhythm & Steel Band, Hamburg Spinners). Diese beiden toben ihre Liebe zum guten alten Funk in modernistischem Gewand aus und schaffen eine ganze Reihe neuer Klassiker des Genres
Rural Tapes - Inner Space Music (Smuggler Music)
Wenn der Norweger Arne Kjelsrud Mathisen nicht gerade mit der Jangle-Band The No Ones, ein Projekt zusammen mit Peter Buck und Scott McCaughey von R.E.M. / Minus 5 sowie I Was A King-Frontmann Frode Strømstad unterwegs ist oder an Musik für Tanzaufführungen, Theater oder Kurzfilme schreibt, pflegt er sein Hobby als Rural Tapes. Aber auch hier unterstützen ihn Erstgenannte als auch The Dream Syndicate Frontmann Steve Wynn oder PJ Harvey-Saxophonist Terry Edwards. Das Resultat geht weit über die Referenzen der genannten Gäste hinaus, hat auch wenig mit klassischem Singer/Songwriter-Thum zu tun, verbindet vielmehr die Welten von Kraut-Rock, Ambient, lockerem Bar-Jazz, Filmmusik, Prog-Rock, Psychedelic, Electronic bis hin zum Yacht-Pop und amalgamiert so Genres die gegensätzlicher nicht sein könnten zu einem neuen Ganzen. Eine Überraschung folgt hier auf die andere und kaum hat man es sich ein wenig gemütlich eingerichtet, ertönt die nächste ach so interessante Wohltat. Für Quer-Hörer schon jetzt eines der Alben des noch jungen Jahres.
Tadhg Daly - Getting It All Wrong (V2)
Der Singer/Songwriter aus der Insel Jersey hat angeblich schon eine beachtliche Drogenkarriere hinter sich, dabei zählt der Singer/Songwriter gerade mal 20 Lenze. Und auch seinem flotten, aufgeräumten Pop-Rock hört man diese destruktive Vergangenheit in keiner Note an. Der Jungspund musiziert eher in den braven Sphären eines James Blunt, Ed Sheeran oder James Morrison, bekämpft darin aber seine Dämonen, das Liebesleid oder sagt der Oma Lebewohl.
King Tuff - Smalltown Stardust (Cargo)
Kyle Thomas ist von Vermont ins etwas wärmere L.A. gezogen und bildet dort mit Meg Duffy (Hand Habits) und Sasami Ashworth eine kreative Wohngemeinschaft, werkeln doch alle Bewohner an den Alben der anderen mit. Mit dem Sternenstaub der Kleinstadt ist ihm ein sonniges Indie-Rock-Album gelungen, das ob seiner Stimme ein wenig an Marc Bolan erinnert, ohne gleich Glam-Rock sein zu wollen. Das Album thematisiert vielmehr die Liebe, die Natur und Thomas erinnert sich viel seiner Jugend in ländlichen Gefilden -und strickt daraus dieses nahezu zärtliche Album. Mit früheren King Tuff-Alben, seinem Engagement bei den Stone Rockern Witch oder dem Garagen-Berserker Ty Segall hat das nun schon gar nichts zu tun.
Mark Wilkinson - Mariposa (Nettwerk)
Mit der hauchzarten Eröffnungs-Ballade "Belong" führt uns der australische Singer/Songwriter erst ein wenig in die Irre, denn gleich danach wird mächtig in die Fußstapfen von Künstlern wie Mumford and Sons, Mt Joy, oder den Lumineers getreten. Mit federnd-markantem Bass schaltet das "Paradise" wieder einen Gang zurück und auch das "Earthquake" ist alles andere als eruptiv, vielmehr stellt sich elegisches, Streicher-verziertes Akustik-Schwelgen ein. Im Titelsong wird nochmals die Akustikgitarre in den Vordergrund gerückt, ein Banjo gesellt sich hinzu, der Gesang gewinnt noch mehr an Intensität. Danach versteht man, warum der Künstler in Down Under schon zu den ganz großen Acts zählt. Jeder Kontinent hat halt so seinen James Blunt.
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