Oberpfalz
30.03.2023 - 09:44 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

OY nennt sich ein Musik-Projekt aus der Hauptstadt und es klingt auch verdammt nach urbaner Weltmusik. Malcolm Middleton debütiert als melodieseliger Solist, Yves Tumor richtet sich wieder mal zwischen allen Stühle ein.

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Lichen Slow - Rest Lurks (PIAS)

Lichen Slow - Rest Lurks (PIAS) Bild: Pias
Lichen Slow - Rest Lurks (PIAS)

Malcolm Middleton kennt man von Arab Strab, der famosen, schottischen Indie-Kapelle. Joel Harries’ als Zweiter im Bunde von Lichen Slow ist hier der große Unbekannte, kann aber schon auf diverse Soloalben und Songs mit dem Elektro-Duo Team Leader oder mit der Instrumental-Noise-Band 72% verweisen. Die Schnittmenge macht jetzt nicht den Sound von Lichen Slow aus, hier hat sich Middleton klar durchgesetzt. Eröffnet „Hobbies“ noch als sanfter Dream-Pop-Schmeichler (mit verwehter Bach-Trompete), stürzt man sich bei „Pick Over The Bones“ bereits in die erste Indie-Rock-Hymne. Frustration und Schmerz wird mit britischem Humor begegnet, was dann in Folkotronic-Songs wie „Preset“, völlig entschleunigte Akustik-Balladen wie „Pain Ctd“, herzzerreißendem Slow Core wie „Hopeless Cause“ oder in das atmosphärische „Garden Gate“ münden. Die Melodien sind melancholisch, die dazugehörigen Arrangements superb – ein feines Debüt.

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Yves Tumor - Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) (Warp)

Yves Tumor - Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) (Warp) Bild: Warp
Yves Tumor - Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) (Warp)

Der längste Album-Titel das Jahres ist dem Grenzgänger schon mal sicher. Und auch in punkto Originalität, Eigenständigkeit und Signature-Sound dürfte er in der Oberliga mitmischen. Electro-Pop, Industrial, Soul, grungiger Indie-Rock, Post-Punk, New Wave, Prog-Rock, Samples, bis hin zur liebevoll geschrammelten Akustik-Gitarre eines frühen David-Bowie-Glam-Rock-Stücks reicht die Palette. Die Stimmung ist dunkel, dystopisch, Großstadt-mäßig kühl und abgeklärt. Hinter jedem Riff, jeder Melodie lauert der Kanterpart, Überraschungen sind garantiert. Das ist vielleicht nicht immer ein Vergnügen, interessant ist es allemal.

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OY – World Wide We (Broken Silence)

OY – World Wide We (Broken Silence) Bild: Broken Silence
OY – World Wide We (Broken Silence)

Diskursive Einsätze, kritische Interventionen, positive Perspektiven – polyglotte Verhandlungen politischer und persönlicher Themen setzt das Duo aus Berlin konsequent um. Hip-Hop-Einflüsse, Anleihen an Jazz oder Soul, Club-affine Beats, avancierte Soundexperimente, Spoken-Word-Interludes mit Gospel-Chören und Pop-Appeal, Easy-Listening-Sounds und Yacht-Pop, üppige Streicher- und Bläser-Arrangements sind nur einige der Ingredienzien, die hier traumwandlerisch zu einem organischem Ganzen zusammenfinden. Verbunden mit einem politischen Ansatz kannte man das bis dato nur vom vielzähligen Musiker-Kollektiv Sault (und in den eher avantgardistisch-elektronischen Momenten von Laurie Anderson), jetzt machen ihnen Keyboarderin Joy Frempong und Drummer und Produzent Melodydreamer Konkurrenz, bzw. schaffen eine ebenbürtige Ergänzung. Live am 13. April 2023 in der Nürnberger Desi.

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The Blaze – Jungle (Believe)

The Blaze – Jungle (Believe) Bild: Believe
The Blaze – Jungle (Believe)

Wenn es um Electro-Pop geht, sind die Franzosen ja so etwas wie Weltmeister. Die Cousins, Guillaume und Jonathan Alric liefern als The Blaze Genre-treue Erfolgsgeschichten ab, die dieses Mal von der Introspektive in die Größe gehen. Ihr Dschungel ist natürlich der der Großstadt und nicht des Waldes und hier haben diese Lieder auch ihren Platz in der (Indie-)Disco gefunden. Man soll das Tanzbein schwingen und nicht das Hirn mit komplizierten Botschaften malträtieren. „This Is The Right Time” heißt es so schön in „Clash“ oder „My Love For You Is On Fire Today“ in “Madly” (alle Titel kommen übrigens mit nur einem Wort aus). Hat gereicht, um z.B. das nicht ganz so kleine Velodrom in Berlin ruck-zuck auszuverkaufen.

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US Rails – Live For Another Day (Blue Rose)

US Rails – Live For Another Day (Blue Rose) Bild: Blue Rose
US Rails – Live For Another Day (Blue Rose)

Lesen wir “Blue Rose”, wissen wir, es geht irgendwie um Americana, Blues, Country oder gut gemachten Rock`n`Roll der alten Schule. Die US Rails sind hier verlässliche Adepten. Die schönen Harmoniegesänge aus der "Crosby, Still, Nash & Young"-Schule treten zwar ein wenig in den Hintergrund (früher ja mal eine Trademark der Kapelle), dafür wird auf Platte Nr. 6 etwas heftiger in die Tasten und Saiten gehaut. Das klingt dann weder plump noch filigran, dafür recht atmosphärisch und dicht. In nur ein paar Tagen quasi live im Studio aufgenommen, preist auch diese Scheibe guten, handgemachten, ehrlichen Rock ohne jegliche Fisimatenten –Roots-Rock at it´s best.

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DIRK – Idiot Paradise (Mayway)

DIRK – Idiot Paradise (Mayway) Bild: Mayway
DIRK – Idiot Paradise (Mayway)

Die Belgier sind ja eher für intellektuellen Art-Pop und Bands wie Balthazar, dEUS, Warhaus oder Zita Swoon bekannt und zu Recht berühmt geworden. Dieser DIRK lärmt jetzt aber ganz unbourgeoise und hemdsärmelig mit dreckigen Fingernägeln und ungewaschenen Haaren direkt aus den Arbeitervierteln. Für den Slacker- und Garagen-Rock der 90er Jahre wird hier die Fahne gehisst und alle Pixies-, Weezer-, Fugazi- und Silverchair-Fans sind eingeladen, hier mal ein Ohr zu riskieren. Aber Vorsicht: könnte zu unkontrolliertem Hüpfen und heftigem Kopfschütteln führen.

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Ulrika Spacek - Compact Trauma (Cargo)

Ulrika Spacek - Compact Trauma (Cargo) Bild: Cargo
Ulrika Spacek - Compact Trauma (Cargo)

Frau Spacek eröffnet ihr neues Album mit einer seltsamen, kaputt leiernde Synthesizer-Coda. Die danach einsetzenden Gitarren klingen ähnlich schräg und zerschossen. Da sich die Texte mit existenziellem Ausrasten, Verdrängung, Drogenabhängigkeit und aufkommenden Selbstzweifeln befassen, passt dieser kaputte, aber auch sehr offene und experimentelle Indie-Rock bestens zum Inhalt. Es gibt aber auch Melodien, die leichter ins Ohr finden, auch wenn Rhys Edwards, Rhys Williams, Joseph Stone, Syd Kemp und Callum Brown immer einen Angelhaken mit dranbauen. Frau Spacek ist was für Quer-Hörer.

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The Rodeo – Arlequine (Modulor)

The Rodeo – Arlequine (Modulor) Bild: Modular
The Rodeo – Arlequine (Modulor)

Man verbindet mit französischer Musik meist die verschiedenen Pole Chanson (Brel, Piaf, Gainsbourg, Hardy) und Electro-Pop (Daft Punk, Air). Dorothée Hannequin, die Dame hinter dem irreführendem The Rodeo zählt klar zu ersteren, mit einem Rodeo und dem damit assoziierten Americana- oder gar Country-Sound wird hier nicht geflirtet. Es sind die 60er und 70er Jahre, der Pop von Serge Gainsbourg, der hier schon fast ins Schlager-hafte kippt. Nett, süß – aber wer will das in der populären Musik schon sein.

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