Oberpfalz
10.04.2023 - 12:02 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

Nick Waterhouse tritt in die Fußstapfen eines Van Morrison: Ihm gelingt einfach kein mittelmäßiges, geschweige denn schlechtes Album. Über Emiliana Torrini und Steve Mason gilt es, Ähnliches zu berichten.

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Fever Ray – Radical Romantics (PIAS)

Fever Ray – Radical Romantics (PIAS) Bild: PIAS
Fever Ray – Radical Romantics (PIAS)

Karin Dreijer, die eine Hälfte von The Knife meldet sich nach langer Abstinenz ausgerechnet mit einem Liebes-Album zurück. Wobei es hier eher um die Absenz von Liebe und all ihrer Untiefen, ihrer Verletzungen und Schmerzen geht. Gemütlich wird es bei dieser Romantik nicht, dafür sind diese Melodien zu düster, zu dystopisch, ja fast angsteinflößend. „Kandy“ geht als gelungene Mischung aus Peter Gabriel und Laurie Anderson durch und auch „Even It Out“, geschrieben für die Indie-Disco, hat wegen seiner Tribal Drums etwas von einer Gabriel-Produktion. Wer hier noch gut ins (Sound-)Bild passt ist Trent Reznor. Der hat, wie Bruder Olaf auch als Produzent mitgearbeitet. Außerdem saßen noch Atticus Ross, der portugiesische DJ und Produzent Nídia, Johannes Berglund, Peder Mannerfelt, Pär Grindvik und Vessel im Produzentenstuhl.

Video

London Brew - London Brew (Concorde Jazz)

London Brew - London Brew (Concorde Jazz) Bild: Concorde jazz
London Brew - London Brew (Concorde Jazz)

Hieß das nicht mal “Bitches Brew“, dieses ikonische Album von Miles Davis? Genau, und das feierte vor Kurzem sein 50. Jubiläum. Aus diesem Anlass zogen sich zwölf Londoner Musiker, Benji B, Raven Bush, Theon Cross, Nubya Garcia, Tom Herbert, Shabaka Hutchings, Nikolaj Torp Larsen, Dave Okumu, Nick Ramm, Dan See, Tom Skinner und Martin Terefe in die Church Studios zurück um diese Hommage an das Jahrhundertwerk in einer nur dreitägigen Session einzuspielen. Vier Vinyl-Seiten braucht es dazu, denn das Album ist gut 90 Minuten lang und birst vor jazziger Spielfreude und Improvisationslust.

Video

Blondshell – Blondshell (Rough Trade)

Blondshell – Blondshell (Rough Trade) Bild: Rough Trade
Blondshell – Blondshell (Rough Trade)

Aufgewachsen in Manhattan, hat die Singer/Songwriterin und Gitarristin in Los Angeles Klassische- und Jazz-Harmonielehre studiert. Hört sich jetzt erst einmal nach gehobener, bourgeoiser Pop-Musik an. Ist es aber nicht, denn melodieverliebter Lärm der Nirvana- und Hole-Schule wird präferiert, da können die Rolling Stones noch so als stilbildender Einfluss in der Adoleszenz hergehalten haben, Sabrina Teitelbaum mag es gerne etwas sperrig und eckig. Es gibt aber auch schon fast fragil-verträumte Akustik-Balladen wie das wunderschöne „Sober Together“, die in krassem Widerspruch dazu stehen. Diese starken Gegensätze sind es dann auch, die „Blondshell“ zu einem ebensolchen Debüt machen.

Video

Connor Selby – Connor Selby (Provogue)

Connor Selby – Connor Selby (Provogue) Bild: Provogue
Connor Selby – Connor Selby (Provogue)

Es ist schon verwunderlich, dass angesichts all dieser angesagten Musikrichtungen, immer wieder blutjunge Menschen zum Blues finden, zumal sie wie hier geschehen unter anderem in Dubai aufgewachsen sind. Wie kommt man dazu, heutzutage Eric Clapton, Sam Cooke, Muddy Waters, Ray Charles oder Billie Holiday zu vergöttern? Egal, Herr Selby, der Youngster, klingt zumindest nicht schwarz wie viele seine Vorbilder und altersweise kann man ihn sicherlich auch nicht nennen, den Blues, den guten, alten Blues verkörpert er aber mit jeder Note, die er seiner Gitarre entlockt. Dreimal hintereinander wurde er in UK nun schon zum „Young Artist Of The Year“ gekürt, was ihn auch ins Vorprogramm von The Who gebracht hat. Dabei ist er kein rockender Blueser wie Joe Bonamassa, der die Massen begeistert, Connor Selby ist im Gegenteil ein stiller Bewahrer traditioneller (Blues-)Werte.

Video

Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra – Racing The Storm (PIAS)

Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra – Racing The Storm (PIAS) Bild: Pias
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra – Racing The Storm (PIAS)

Der “Jungle Drum” wird wohl auf ewig der Signature-Song der Isländerin bleiben. Und ja, das war schon ein echter Hinhörer, der Sommerhit des Jahres 2009. Unglaublich lange her, immer noch im Gehörgang. Solche Hits sucht man auf diesem Album vergebens, dafür ist die Gesamtausbeute eine solide 2 geworden (würde man das deutsche Notensystem heranziehen). Ihr fantastisches, achtköpfiges Orchester aus Belgien ist gewitzt, steuert keinen Ballast, dafür schöne Farbtupfer bei. Die Stimme wie immer kreuz-sympathisch, die Melodien verführerisch zwischen Chamber-Pop und Slow-Mo-Disco, Dazu gesellt sich dieses typisch Isländische, diese Mischung aus Trap, Trip-Hop, Avantgarde und Kunst-Pop (die Frau Björk leider inzwischen zum Nervenaufreiben strapaziert), plus einem Schubser aus der Kate-Bush-Schublade („Hilton“). Wer sich hier auch freut: alle The Nits-Fans.

Video

Steve Mason – Brothers & Sisters (Domino)

Steve Mason – Brothers & Sisters (Domino) Bild: Domino
Steve Mason – Brothers & Sisters (Domino)

Mit der Beta Band hat es ja einst nicht ganz zum großen Ruhm gereicht. Warum? Weil die Welt halt doch immer wieder eine ungerechte ist. Und auch als Solist ist ihr Sänger eher semi-erfolgreich unterwegs. Das Liebesleid war halt auch noch nie sein Thema, Wichtigeres wie den Brexit oder die Ungerechtigkeit (da haben wir sie wieder) galt und gilt es zu verhandeln. Auf „Brothers & Sisters“ bleibt er diesem Ansatz auch mit seinem weltoffenen Musik-Mix aus hymnischem Brit-Pop, ein wenig Electronics, Dub, Weltmusik – der pakistanischen Sängers Javed Bashir hat einen Gastbeitrag – und Art-Folk treu. Das führt zu recht exotischen Instrumentierungen, polyrhythmischen Überschlägen von Mensch und Maschinen, allgegenwärtigen Chören und Arrangements, die üppig und schillernd ausfallen wie das Gefieder eines Paradiesvogels. Polit-Pop ohne Zeigefinger

Video

Nick Waterhouse - The Fooler (Pres)

Nick Waterhouse - The Fooler (Pres) Bild: Pres
Nick Waterhouse - The Fooler (Pres)

“The Fooler”, die sechste Platte des Crooners und Songwriters aus Kalifornien als Konzept-Album zu bezeichnen führt vielleicht ein wenig zu weit, aber es erzählt lose Geschichten über eine Stadt an der Westküste (L.A., Frisco, …?) und seiner Bewohner. Waterhouse ist dabei der charmante Conférencier und Zeremonienmeister, der seine Stories mit den Mitteln des R&B, Soul, Fifthies- & Sixties-Rock`n`Roll, Bossa Nova, Tango, Gospel, mit flirrenden Twang-Gitarren, Stehbass, Bläsern, Besenschlagzeug, kecken Girlie-Chören und Honky-Tonk-Piano erzählt. Da klingt ein Sinatra ebenso durch wie ein Lou Reed, Brian Ritchie, Howie Gelb oder Nick Cave. Die hohe Schule des Pop, mit Grandezza dargeboten – und darum schon jetzt ein Evergreen.

Video

Cecile McLorin Salvant – Melusine (Warner)

Cecile McLorin Salvant – Melusine (Warner) Bild: Warner
Cecile McLorin Salvant – Melusine (Warner)

Keck reckt die Künstlerin ihre spitze Zunge auf dem Cover-Artwork, auf der Rückseite sieht sie dagegen aus wie ein bunt gefärbter Pudel – und beides gibt Hinweise auf den Inhalt dieser Platte. Die US-Amerikanerin mit französisch-haitianischen Wurzeln ist ein Paradiesvogel, der sich im Folk, Blues und Jazz zu Hause fühlt und die Genres eloquent und stilsicher bedient, drei Grammy-Nominierungen zeugen unter anderem davon. In neun Liedern aus verschiedenen Jahrhunderten und fünf Eigenkompositionen erzählt sie die Geschichte der mystischen Sagengestalt Melusine, die sich als Halb-Schlange, Halb-Mensch am Ende in einen feuerspeienden Drachen verwandelt. Gesungen wird vor allem Französisch, dazu kommen Englisch, Haitianisch-Kreolisch und die südfranzösische Sprache Okzitanisch. Keine Schande, wer das nicht versteht, die exotische Musik kombiniert mit dieser einzigartigen Stimme sind ja das Erlebnis.

Video

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.