Empty Country – Empty Country II (Cargo)
Das neue Album von Joseph D'Agostino ist vor allem eines: gänzlich „Country-frei“, wenn er auch sonst durch die Stile prescht wie ein waidwunder Hirsch. Der ehemalige Cymbals-Eat-Guitars-Mastermind mag es weiterhin gerne verstörend. Hier ist er auch konsequent, denn jeder dieser Songs schlägt Purzelbäume und erfüllt sicherlich nicht die in ihn anfangs gesetzten Wendungen und Erwartungen. Verstörende Geräuschfetzen, seltsame Klänge aus buddhistischen Tempelglocken, Kuhglocken, Spielzeugklavieren und dergleichen mehr werden eingeflochten, die Lust am Experiment und am Dissonanten ist grenzenlos, egal ob er jetzt Americana versucht oder durch ein wildes Punk-Stück prescht. Und auch seine Stimme, ob überhöht oder dunkel phrasierend, weiß nicht immer zu verzücken. Warum dieser kunterbunte Experimentierkasten für große Kinder trotzdem eine ungemeine Faszination ausübt, weiß man auch am Ende des tollen Glam-Rock-Stückes "Cool S" immer noch nicht.
Bixiga 70 – Vapor (Glitterbeat)
Die vielköpfigen afro-brasilianischen Groove-Visionäre Bixiga 70 aus Sao Paulo legen ihr fünftes Album vor. Es bläst aus allen Ecken und Enden und auch die Perkussionsabteilung scheint erweitert worden zu sein. Der enorm fette Sound wird mit leicht technoiden oder auch psychedelischen Keyboard-Einschüben unterfüttert, bleibt aber immer extrem locker, tanzbar, jazzy und funky zugleich. Eine tolle Tanz-Platte jenseits gängiger Radio- oder Disco-Mucke.
Popa Chubby – Live At G. Bluey's Juke Joint NYC (Bertus)
Der Blues-Rock-Koloss bezeichnet seine Musik selbst als "The Stooges meets Buddy Guy, Motörhead meets Muddy Waters and Jimi Hendrix meets Robert Johnson” – und trifft damit natürlich ins Schwarze. Für diese Best-Of-, live im Studio eingespielte Scheibe hat er die alten Recken der Beast Band mit Mike Merritt (Bass), Mike Dimeo (Keyboard) und Stefano Giudici (Drums) reaktiviert, spielt neben eigenen Songs auch Cover-Versionen von „Hey Joe“, „Over The Rainbow“ oder „Sympathy For The Devil“. Ein Fest zum Fest, zumindest für Blues-Rock-Fans.
Wild Nothing – Hold (Cargo)
Jack Tatum, der Mann hinter Wild Nothing ist Vater geworden. Dieses Album ist aus dieser neuen wie verwirrenden Entwicklung entstanden. Basis bildet ein 90er-Synthi-Pop-Gerüst, auf dem Tatum seine innere Welt auf der Grundlage fröhlicher Synthesizer-Arbeiten durchquert. Er beschreibt seine selbstzerstörerischen Tendenzen (die tropische Art-Rock-Nummer „The Bodybuilder“), erforscht die menschliche Verzweiflung (das Anti-Jingle „Suburban Solutions“), feiert einen erneuerten Sinn für Spiritualität (auf einem sprudelnden, aber bedrohlichen Beat (in „Basement El Dorado“) und enthüllt Versprechen, die er seinem kleinen Sohn gegeben hat (der cineastische Albumabschluss „Pulling Down The Moon“). Die Einflüsse reichen von der düsteren Seite von Charli XCX bis zum Techno-Pop des Yellow Magic Orchestra, den Favoriten seiner Kindheit, The Chemical Brothers und Orbital, und dem zugänglichen Art-Rock der „So“-Ära Peter Gabriels. Mit Beiträgen von Molly Burch, Becca Mancari, Tommy Davidson von den Beach Fossils, Hatchie, seiner Frau Dana.
Miki Ratsula – i'll be fine if i want to (Nettwerk)
Ratsula ist ein finnisch-amerikanischer, nicht-binärer, in Kalifornien lebender Singer/Songwriter. Sein Leben als eben diese Person bestimmt auch den Inhalt seiner Lieder. Mit sanfter, hoher Stimme erzählt er diese Geschichten, wählt dazu einen leicht folkig, leicht souligen, stets euphorischen und positiv eingestellten Pop mit catchy Hooklines und Melodien, die auch im Radio funktionieren würden. Am Ende doch immer Songs, die das Leben feiern.
Mick Flannery – Goodtime Charlie (H`ART)
Irlands bestgehütetes Geheimnis mit einem amerikanischen Album. Bei uns kennt man (den stilistisch recht verwandten) Glen Hansard, in der Heimat räumt Flannery Doppel-Platin ab. Und auch das achte Album macht klar warum (wenn man es sich denn endlich anhören würde). Gleich der Opener, „Neon Tonight“ ist ein echter Rocker mit Saxofon-Einlage und auch „Good Time Charlie“ macht mit heulenden Chören klar, wo der Bartl den Most holt. Dass Flannery die herzbrechende Ballade ebenso beherrscht, zeigt das intime „Machine“. Zwei anmutige Duette mit Anais Mitchell und Valerie June runden dies atmosphärisch dichte Album ab.
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