Bombino – Sahel (Partisan Rec)
Omara “Bombino” Moctar, wie der Nigerianer mit vollem Namen heißt, entstammt dem Volke der Tuareg. Und schon wissen wir, mit was wir es hier (wahrscheinlich) zu tun haben: dem von bei uns schon bekannteren Bands wie Tamikrest oder Tinariwen gepflegten, so genannten „Wüsten-Blues“. Wobei dieser Elemente traditioneller afrikanischer Volksmusiken, Folk, Rock und sogar Funk und Soul mit implizieren kann. Ein guter Vertretet aus westlicher Sicht ist hier die Kapelle Khruangbin. Nachdem Bombino schon mit so namhaften Produzenten wie Dan Auerbach (The Black Keys) oder David Longstreth (Dirty Projectors) zusammengearbeitet hat, fiel seine Wahl dieses Mal auf David Wrench (David Byrne, Frank Ocean, Caribou, Goldfrapp, The xx, Sampha). Gucken wir mal, ob es auch mit dem Kollegen für eine weitere Grammy-Nominierung reicht.
Deeper – Careful! (Sub Pop)
Klingt irgendwie vertraut nach längst vergangenen Tagen. Hier mischen sich Post-Punk mit Indie-Rock, New Wave und Garage anno 1990. Mal schlägt man mehr in Richtung des einen, mal in Richtung des anderen Pols aus, werden Erinnerungen an die Talking Heads ebenso geweckt wie an Television, The Cure oder New Order. Immer bleiben diese Songs aber recht nüchtern, trocken, distanziert und minimalistisch. Dezente Heiterkeit und Nahbarkeit kommt auf, wenn in „Frame“ ein Saxofon zu tröten beginnt.
Peter Broderick & Ensemble 0 – Give It to the Sky: Arthur Russell's Tower of Meaning Expanded (Indigo)
Ganz schön sperriger Titel, wenngleich er auch alles aussagt. Aufgenommen vom Komponisten und Producer Peter Broderick und dem zwölfköpfigen Ensemble 0 aus Frankreich, handelt es sich dabei um eine erweiterte Neuinterpretation von Arthur Russells minimalistischer Orchesterkomposition „Tower of Meaning“, die erstmals im Jahr 1983 veröffentlicht wurde. Mit ihrer umwerfenden, insgesamt 80 Minuten langen Hommage hauchen Broderick und Ensemble 0 dem Stück neues Leben ein und verknüpfen diesen minimalistischen Meilenstein mit etlichen verlorenen Songideen aus dem Nachlass des US-amerikanischen Cellisten, Komponisten, Sängers und Soundvisionärs. Das komplette Album, das so gut wie ohne Overdubs auskommt, wurde live in einem kleinen Theater im Südwesten Frankreichs eingespielt.
Jeremy Dutcher – Motewolonuwok (Cargo)
In der Sprache seines Volkes ist der indigene Singer/Songwriter Jeremy Dutcher ein „Two Spirit People“, also homosexuell. Nicht nur vor diesem Hintergrund fällt einem beim Hören sofort der Kollege Anohni ein, genauso intensiv, eindringlich und Gänsehaut-heischend ist diese emotional tiefschürfende Musik. Streicher hat es, Klaviere, akustische Gitarren, Chöre, viel Zierrat und immer wieder diese epochale Stimme. Die Stücke heißen „Pomawsuwinuwok Wonakiyawolotuwok“, „Skicinuwihkuk“, aber auch „Ancestors Too Young“ oder „Together We Emerge“, d.h. Dutcher singt hier seinen Schmerz, aber auch seine Zuversicht erstmals auch in der Sprache der Kolonialisten und Mörder seines Volkes. Große Kunst!
Ella Fitzgerald – North Sea Jazz Festival Series, 1979 (Bertus)
Nach der sehr feinen Reihe mit Mitschnitten vom noch berühmteren Montreux-Jazz-Festival, macht die Grand Dame, die Queen of Jazz, den Anfang dieser neuen, nur auf Vinyl erhältlichen Serie, der auch Aufnahmen von Dizzy Gillespie, Buddy Rich, Ray Charles oder Jan Akkermann folgen sollen. Die Erfinderin des Scat-Gesangs war 1979 auch schon gut in ihren Sechzigern, die Drei-Oktaven-Stimme war aber immer noch von einer unheimlichen Leichtigkeit und Improvisationslust geprägt. Ihre Begleiter an diesem Abend waren Paul Smith am Klavier, Keter Betts am Bass und Mickey Roker am Schlagzeug; eine Trio-Besetzung mit der Kraft einer Big-Band. Und die weiße, 180-Gramm-Vinyl-Ausgabe klingt zudem superb.
Corinne Bailey Rae – Black Rainbows (Thirty Tigers)
Die Karibik-Schönheit mit Sitz in UK stieg einst von Null auf Eins in die Album-Charts ein. Dann wurde es ruhiger um die „neue Billie Holiday“. Das neue Album, eine Art Gesamtkunstwerk über ihre eigenen Wurzeln und die Geschichte der Afroamerikaner ist ziemlich viel gleichzeitig. Da hört man den gewohnt gepflegten Soul-Pop, da hat es Jazz-Anleihen, aber vor allem hat es viel Kunst, viel Experiment und leider auch viel Lärm um nichts. „Erasure“ sticht hier auf der Negativskala mit seinem Noise-Feuerwerk besonders hervor, aber auch das folgende „Earthlings“ ist ziemlich schräg. Schade eigentlich, hatte doch der sphärische, Ideen-schwangere Opener, „A Spell, A Prayer“ sehr verheißungsvoll begonnen. Überambitioniert ist hier wohl die richtige Vokabel.
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