John Vincent III - Songs For The Canyon (Universal)
Der Musiker packte Gitarre und Freundin in einen Van und fuhr während der Pandemie acht Monate lang kreuz und quer durch Amerika. Dies ist quasi sein persönliches American Songbook. Sound-technisch hätte es auch in der goldenen Zeiten des Folk, Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger erscheinen können, wo die bahnbrechenden Werke von Joni Mitchell, Nick Drake, Jackson Browne, James Taylor oder Randy Newman erschienen. Gitarre und/oder Klavier geben den (guten) Ton an, dazu gesellen sich ab & an ein paar Streicher, dezentes Schlagwerk und ein paar Harmony Vocals. Das genügt den ehrlichen, introspektiven wie poetischen Roadmovies voll und ganz.
Amos Lee - Honeysuckle Switches (Thirty Tigers)
Im Untertitel heißt diese Platte noch, „The Songs Of Lucinda Williams“ – und man weiß, was man bekommt. Lee, der mit Hiphop und R 'n' B aufgewachsen war, wurde vor allem durch die Musik von Tom Petty und eben Lucinda Willams Americana-mäßig „sozialisiert“. Diese Verbeugung vor der Grande Dame des Americana ist so aufrichtig wie tief -und „leider“ auch etwas überraschungsarm. Man kann nicht sagen, dass Lee neue Facetten zum Werk fügt, eher interpretiert er als Americana-Künstler eine andere Americana-Künstlerin. Das macht er gut und solide, die unterschiedliche Färbung liegt schon alleine der Stimme geschuldet.
Dirty Sound Magnet - Dreaming in Dystopia (Wild Thing)
Das Schweizer Trio ist ein typisches DIY- und Indie-Pflänzchen, wie man es inzwischen nur mehr recht selten findet. Hier regiert noch das Chaos, das Unfertige, das Wilde und Ungestüme, die Experimentierlust. Gitarren werden geknechtet, gequält, aber den sechs Saiten werden auch gar himmlisch-psychedelische Klänge entlockt. Dazu darf dann ein Gast die Klarinette blasen. Mal wird es orientalisch, mal der frühe Syd Barett zitiert, mal die fantastischen Polyphonic Spree. Langweilig wird es hier jedenfalls nicht, es ist die ideale Querhörer-Scheibe, Musik für Leute, die den gängigen Radio-Mist hassen wie die Pest. Erschienen ist die saubere Platte auf dem australischen Wild-Thing-Label und darum sei noch auf andere, ähnliche Grenzgänger verwiesen: die King Gizzard And The Lizard Wizard. Der Dirty Sound Magnet ist die eher tranquille Variante dieser Berserker.
Beirut – Hadsel (Pompeii Rec)
Hadsel ist ein Dorf in Nord-Norwegen, wohin es Zach Codon aus dem heißen Albuquerque/New Mexico dazu noch im Winter aus diversen Gründen hin verschlagen hatte. Im Gepäck ein paar Instrumente und Bandmaschinen, vor Ort einen Orgel-Freak und eine Kapelle mit derselbigen. Erste Demos entstanden, fertiggestellt wurde das Ganze in Heimarbeit in der Wahlheimat Berlin. Und: man hört förmlich den Norden mit seinen Lichtern und Stürmen. Und man hört vor allem diese Ruhe, diese Erhabenheit und Schönheit einer Kirche. Waldhörner und Trompeten, zu sakralen Chören gedoppelte Stimmen, Bariton-Ukulele, diverses Geklöppel, modulare Synthesizer, die Gitarre spielt keine Hauptrolle. Die Songs sind von einer barocken Schönheit durchzogen, mäandern mehr als dass sie klingen, Codon`s Stimme, ein warmes Fließ. Besinnliches für die Faschingszeit.
The Rural Alberta Advantage – The Rise & The Fall (Membran)
Die Kapelle um Nils Edenloff aus Toronto startet hymnisch und impulsiv mit einem jubilierendem Folk-Rock aus der Mumford & Sons/Lumineers-Schule. „Lifetime“ versucht sich dann zunächst als fragile Ballade, wird im Zwischenteil dann aber doch wieder von einem Schlagzeugfeuerwerk zugeballert. „10ft Tall“ ergeht es ähnlich, nur dass sich hier das Klavier von Amy Cole ebenfalls seinen Weg bahnt. Die Akustische rückt in „AB Bride“ in den Vordergrund, Cole flötet süß im Background und Paul Banwatt entdeckt, dass man Felle auch ein wenig zärtlicher behandeln kann. Das hat er dann aber bis zum „Lullaby“ auch schon wieder vergessen und so prägt dieses quirlig-wuchtige Schlagzeugspiel den Sound dieser im Ganzen doch recht feinen Platte.
The Gaslight Anthem - History Books (Thirty Tigers)
Als Brian Fallon seine Band 2015 auf Eis legte (und danach eine äußert erfolgreiche Solo-Karriere startete) dachte wohl jeder, das wars jetzt. Wäre das nicht ein andere Jersey Boy, bekannt als Bruce Springsteen gewesen, der den Meister dazu bewegte, es doch nochmals als Kapelle zu versuchen. Zum „Dank“ ist er auf dem Titeltrack zu hören. Indes, man hat weder der Band-Historie noch dem Solo-Werk neue Aspekte hinzugefügt. Die „History Books“ sind Traditionspflege vom allerfeinsten und die geht vom gepflegten Post-Punk-Erbe bis zu heimeligen Wohlfühl-Balladen wie etwa „Autumn“. In wieweit man dabei Fallons biblischen Erweckungen folgen mag, möge jeder selbst entscheiden, wobei Melodien wie auf „Michigan, 1975“ verteufelt gut verfangen können. Bob Dylan musste da ja auch mal durch.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.