The Strumbellas – Part Time Believer (The Orchard)
Die Kanadier kennt man seit ihrem Hit „Spirit“ auch in Deutschland. Zu Hause sind sie eine feste Größe, dekoriert mit diversen Juno-Awards. Das verwundert wenig, denn anscheinend braucht jede Nation ihre Lumineers oder Mumford & Sons. Vor einem euphorischen Folk-Rock mit netten Geschichten und himmlischen Melodien, die sofort ins Ohr gehen, kann man sich halt auch schlecht verschließen. Dass sich der alte Frontmann Simon Ward aus dem Rampenlicht der Band zurückgezogen hat, aber nach wie vor Songs schreiben wird, hat man nicht gemerkt, Jimmy Chevau als sein Nachfolger macht seine Sache hervorragend. Man kann die Menschenmassen vor der Bühne richtiggehend beim Mitsingen dieser Lieder vor dem geistigen Auge sehen. Gute-Laune-Pop für den Alltag.
Edgär – Edgär Is Dead (Riptide Rec)
Französische Rock- und Pop-Musik erkennt man fast immer gleich nach den ersten Takten. Sie ist irgendwie leichter, charmanter, schwereloser und exquisiter, mit einem Hauch Frivolität. Edgär sind hier anders. Die Jungs aus Amiens legen sich gleich bei „Time“ ordentlich ins Rock-Geschirr und lassen es ganz uncharmant krachen. „It´s Gonna Be Alright“ schaltet dann einen Gang zurück und geht Richtung Brit-Pop ab, bei „Summary Land“ geht diese Fahrt weiter, und wir sind schon fast in Liverpool angekommen. Der „Backseat Boy“ startet als U2-Hymne, um dann als feiner Kinks-Song weiterzumachen. Wir sehen, viel Frankreich steckt in diesen Liedern nicht mehr, dafür klingelt bei so mancher Insel-Band das Ohr.
The Bevis Frond – Focus On Nature (Cargo)
Singer-Songwriter Nick Saloman stellt philosophische Betrachtungen über die Welt an. Das macht er wortgewandt und recht klug. Die Vielfältigkeit der Welt spiegelt sich dann auch in seinen musikalischen Arrangements wieder. Die reichen vom englischen Folk-Rock („Happy Wings“) über Post-Punk („Empty“), psychedelische Gitarrenexkursionen („Wrong Way Round“), Pink Floyd'schem („Mr Freds Disco“), Genesis verehrendem („Hairstreaks“), zärtelnde Led-Zeppelin-Akustik-Balladen („Brocadine“), bis hin zu harschem Grunge oder auch mal einer Hendrix-Gedächtnis-Gitarre. Saloman ist ein versierter Kenner der Rock-Historie und filtriert dieses Wissen in wunderschöne wie spannende Gitarren-Songs.
Liam Bailey – Zero Grace (Big Crown Rec)
Nach einem Ausflug in die Industrie (Polydor) ist der britisch-jamaikanischer Musiker wieder im Heimathafen von Big Crown gelandet und hat sein aktuelles Album auch gleich vom Label-Gründer Leon Michels (El Michels Affair) produzieren lassen. Bailey bedient zwar sämtliche Reggae-Klischees, er versteht es aber auch, den traditionellen Sound zu erweitern. Neben dem herrlich altertümlichen "Dance With Me", einem mitreißender Two-Stepper, der an die unglaublichen Soul-Platten erinnert, die in den frühen Reggae-Tagen aus Jamaika kamen, baut er eine warm-wummernde Orgel in „Boy“ ein, so dass California-Feeling aufkommt. „Disorder Starts At Home“ ist ein schon fast Reggae-freier Folk-Song, der Trauer-Marsch „Mercy Tree“ überrascht mit ungewöhnlichen Sounds und hat erstmals Bläser im Angebot und der akustische Rausschmeißer, „Light Up The Darkness“ eine einfache, aber wunderschöne Melodie. Eine Reggae-Platte für Reggae-Hasser, für Liebhaber sowieso.
Brown Horse – Reservoir (Loose Music)
Das gemischte Sextett aus Nordengland klingt eher nach den Staaten denn nach beschaulichem England. Sofort fällt die klagende Stimme von Sänger Patrick Turner ins Ohr, gleich danach die verzerrten E-Gitarren, die ein wenig nach Crazy Horse klingen. So viel zum Opener „Stealing Horses“. Der Titel-Track fischt in ähnlichen Gewässern, nur wird der Rocker hier zur wehmütigen Ballade und erneut geben sich Banjo und Heul-Gitarren die Klinke in die Hand. „Everlasting“ ist ganz bei sich selbst, erstmals bekommen die Tasten auch etwas mehr Gewicht, bevor es bei „Bloodstain“ wieder gehörig rockt und kracht. Gut gemachter, melodiöser Gitarren-Rock zwischen Drive-By-Druckers, Nathaniel Rateliff und Neil Young. Diesen extravaganten Sänger muss man allerdings mögen.
The Pineapple Thief – It Leads To This (Kscope)
Bruce Soord (Gesang, Gitarre), Jon Sykes (Bass), Steve Kitch (Keyboards) und Gavin Harrison (Schlagzeug) zeigen einmal mehr, dass sie zu den aufregendsten und vor allem eigenständigsten Protagonisten des Prog-Rock gehören. Wo man andernorts ständig an Yes, Genesis, King Crimson und Konsorten erinnert wird, hat dieses Quartett seinen eigenen Weg und Sound gefunden. Das 13. Werk eröffnet wunderbar leise, fast zärtelnd mit dem Klavierstück „Put It Right", bevor bei ,,Rubicon" erstmals der metallische Hammer geschwungen wird. Auf der gesamten Platte halten sich die eher ruhigeren und eher rockigeren Songs in etwa die (melancholisch-dystopische) Waage, wobei die intimen, kontemplativen Stücke am meisten berühren. Hier kann Soord auch seine Extraklasse als Sänger am besten ausspielen.
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