Oberpfalz
22.04.2024 - 17:52 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

Dino Brandão engagiert sich, Tusks verliert sich und Astrel K derangiert sich.

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Dino Brandão – Self-Inclusion (Rough Trade)

Dino Brandão - Self-Inclusion (Rough Trade) Bild: Rough Trade
Dino Brandão - Self-Inclusion (Rough Trade)

Der farbige Schweizer Singer-Songwriter und Selfmade Man befasst sich viel mit sich selbst, seinen Ängsten und Zwängen und übt Gesellschaftskritik. Vor allem der (Post-)Kolonialismus mit all seinen irren Auswüchsen hat es ihm angetan. Billigfleisch-Importe nach Ghana („So the clucking gone, no more chicken run. And your father’s been quite into sugarcane rum”), das Geschäft mit Trinkwasser (“No evolution happens when you’re thirsty / (Tout le monde) fuck Nestlé!”), oder der (gestohlene) Reichtum der westlichen Welt (“Where does all our wealth come from? Co-co-colonial love. Nothing to be proud of”). Wer jetzt Angst vor dem erhobenen Zeigefinger in Verbindung mit starrem Polit-Rock hat, kann sich beruhigt auf die Tanzfläche begeben oder auf die Couch flacken. Dino Brandão erzählt seine Geschichten nicht ohne Humor und doppeltem Boden, er kleidet sie auch in flotte Afro-Pop und/oder Westcoast-Folk-Jäckchen, so dass diese wichtigen Botschaften zwar ankommen, aber das mit hohem Spaßfaktor.

Video

X Ambassadors – Townie (Virgin)

X Ambassadors – Townie (Virgin) Bild: Virgin
X Ambassadors – Townie (Virgin)

Bald zehn Jahre ist es jetzt schon wieder her, seit „Renegade“ die Radio-Landschaft flutete. Die Band zog bald danach vom Bundesstaat New York in die gleichnamige Metropole um, widmet das aktuelle Album aber nunmehr der Kleinstadtidylle, bzw. auch deren nicht ganz so lieblichen Seiten. Vom Indie-Rock ist dabei wenig geblieben, es passt dazu ja auch eher die minimalistische, akustische Folk-Ballade („Your Town“), die aber durch Sam Harris wuchtig schmetterndes Organ genügend Substanz bekommt um auch im Stadion bestehen zu können. Wer bei solchen Liedern an Mumford & Sons, bei „I`m Not Really Here“ an Fleetwood Mac und beim quirligen „Rashad“ an die Lieblings-Indie-Band seiner Wahl denkt , ist nicht schief gewickelt. So dicht und atmosphärisch wie einst bei U2.

Video

Tusks – Gold (One Little Independent Rec)

Tusks – Gold (One Little Independent Rec) Bild: One Little Independent Rec
Tusks – Gold (One Little Independent Rec)

Stoßzähne hat Emily Underhill wirklich nicht, die Londoner Künstlerin liebt eher sphärisch mäandernde Klanglandschaften, die vor allem am Synthesizer entstehen, mal ein akustisches Klavier, verhallte Background-Chöre, die dann polyrhythmisch untermauert werden können („Adore“). Gitarren spielen bei diesem interessanten Electro- & Dream-Pop keine Rolle, dafür reizt sie die Möglichkeiten der Tasten und dazugehörigen elektronischen Hilfsmittel mit viel Können und Gespür zum Detail aus. Ihre elegischen Klanglandschaften schillern dabei in selten gesehenen Farben. Für Fans von Sigur Rós, Explosions In The Sky oder auch Marika Hackman.

Video

Caravan Palace – Gangbusters Melody Club (Lone Diggers)

Caravan Palace – Gangbusters Melody Club (Lone Diggers) Bild: Lone Diggers
Caravan Palace – Gangbusters Melody Club (Lone Diggers)

Die Mucke im Melody Club könnte tanzbarer nicht sein. Das Pariser Trio – Arnaud de Bosredon, Charles Delaporte und Sängerin Colotis Zoe – beschäftigen sich zwar durchaus mit ernsten Themen unserer Daseinsbewältigung, packen diese aber in fröhlich-flotte Melodien und Rhythmen aus Electro-Beats, Hip-Hop, Funk, Soul, House, Big Beat, Pop und Swing. Das klingt dann, als würden Matt Bianco auf das Moka Efti Orchestra treffen und das Ganze von Moby remixen zu lassen. Die Transformation von 30er Jahre-Big-Band-Sound in die Haute Couture des Pop gelingt mit französischem Charme und einem Lächeln auf den prall geschminkten Lippen. Lebensfreude pur!

Video

Bodega – Our Brand Could Be Yr Life (Cargo)

Bodega – Our Brand Could Be Yr Life (Cargo) Bild: Cargo
Bodega – Our Brand Could Be Yr Life (Cargo)

Die New Yorker Band hatte das Album eigentlich schon mal vor vielen Jahren aufgenommen, es jetzt aber restauriert und in überarbeiteter Form nochmals über Chrysalis veröffentlicht (da es einst eh kein Schwein interessiert hatte). Ob das jetzt unbedingt nötig gewesen wäre, sei dahingestellt, denn man bekommt zwar gut gemachten Indie Rock aus den 80ern mit Anklängen an R.E.M., ein wenig Shoegaze, Slacker-Rock und „Disco-Punk“, aber das ist alles schon ein wenig in die Jahre gekommen und kann sich kein Alleinstellungsmerkmal erspielen. Interessant wird es, wenn Sängerin Nikki Belfiglio Ben Hozie am Mikro ablöst oder zumindest ergänzt.

Video

Astrel K – The Foreign Department (Cargo)

Astrel K – The Foreign Department (Cargo) Bild: Cargo
Astrel K – The Foreign Department (Cargo)

„The Foreign Department“ ist das zweite Album von Astrel K, dem Soloprojekt des in Stockholm lebenden britischen Exilanten Rhys Edwards. Diejenigen, die mit Edwards' Arbeit bereits vertraut sind, werden ihn wahrscheinlich als Frontmann der kultisch großartigen Ulrika Spacek kennen, und da er bei beiden Projekten als Hauptsongwriter fungiert, finden sich viele der gleichen Merkmale seines kathartischen, elliptischen Songwritings auch hier. Es sind keine Melodien, die sofort ins Ohr gehen, Edwards denkt und komponiert um drei Ecken, wenn auch teils opulenten Streicher- und Bläserarrangements, inspiriert von Mercury Rev oder auch Leonard Cohen, die Wogen etwas glätten. Es geht somnambul und schwer psychedelisch zu in diesen seltsamen, Indie-Art- und Kammer-Folk-Oden, bei der jede Schublade klemmt.

Video

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.