Oberpfalz
26.04.2024 - 11:18 Uhr

Frisch gepresst: Neue Musik aus allen Stilrichtungen und Ecken der Welt

Wie man ein Best Of-Album interessant gestalten kann zeigen Texas im Verbund mit Spooner Oldham, wie man der alten Tante Soul frisches Leben einhaucht Michelle David & The True-Tones

Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch. Bild: Schober, Hubert
Ob Plattenteller, CD-Player oder Spotify-Playlist: Wir haben neue Musik für euch.

Morgan Harper-Jones – Up To The Glass (PIAS)

Morgan Harper-Jones – Up To The Glass (PIAS) Bild: PIAS
Morgan Harper-Jones – Up To The Glass (PIAS)

Wer gerne wissen möchte, wie es sich als Mitt-Zwanzigjährige anfühlt im englische Rochdale aufzuwachsen, der ist hier gerade richtig. Unerwiderte Liebe, der Tod der Großeltern, Zukunftsängste, das ganze adoleszente Programm eben. Die britische Singer/Songwriterin eröffnet ihr Debüt zunächst als zaghaftes Folk-Album, macht aber gleich danach, auf „Boombox“ klar, dass sie auch Indie-Pop, ja gar -Rock kann. Ihre Texte sind autobiographisch, sie erzählt von sich selbst und das macht sie auf eine sehr intime, persönliche Art, greift z.B. bei „Loose A Tooth“, besagten Song über die Großeltern, eine Metapher über einen verlorenen Zahn auf. Wer Laura Marling, Julien Baker oder auch die frühe Joni Mitchell (vor allem im zweiten ruhigeren Teil der Platte) steht, darf hier ohne Reue reinhören.

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Coma – Fuzzy Fantasy (City Slang)

Coma – Fuzzy Fantasy (City Slang) Bild: City Slang
Coma – Fuzzy Fantasy (City Slang)

Coma verschmelzen Tanzmusik mit einer Indie-Sensibilität, reich an Melodie und Melancholie. Sie mögen ihre Wurzeln zwar fest in der sagenumwobenen Kölner Clubszene haben, aber ihr sprudelnder, grooviger Synthie-Pop verwischt die Grenzen und schreitet weit darüber hinaus. Nach einer Reihe von Veröffentlichungen auf Kompakt Records, veröffentlichten Marius Bubat und Georg Conrad 2019 ihr letztes Album „Voyage Voyage“ bereits auf City Slang. Auf dem Album gab es zum ersten Mal Songs mit Strophe, Bridge und Refrain zu hören – ein Novum bei Coma, und dennoch: Es pulsierte und zog einen sofort in den Bann. So haben auch die neuen Songstrukturen ihre Wurzeln fest im Club-Sound huldigen aber einem hedonistischen Synthi-Pop, der wie in „Disconnected“ mit Klingel-Gitarren, die Hochzeiten des New Wave feiert.

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Ellison – Somewhere in Oslo (Weareonit)

Ellison – Somewhere in Oslo (Weareonit) Bild: Weareonit
Ellison – Somewhere in Oslo (Weareonit)

„Hier sind die Vor- und Nachteile einer Band“, heißt es in einer SMS von Lisa Glemming an ihre Freundin Karethe Eriksen. Das war die Geburtstunde des norwegischen Duos, das heute unter dem Namen Ellison gemeinsam Musik macht. Existenzialismus, rebellische Kreativität und Freundschaft stehen im Mittelpunkt ihrer Musik. Im Zentrum steht (natürlich) der Harmoniegesang des Duos, „Cars, Thieves & Carousels“ klingt demnach auch gleich nach Simon & Garfunkel. Das folgende, rockigere „Lover“ assoziiert unbedingt die besten Momente von Fleetwood Mac, das grelle „Television Sound“ Blondie. Hört sich jetzt ein wenig nach planlosem Gemischtwarenladen an, diese Stimmen bündeln aber all diese Songs gekonnt unter dem Namen Ellison.

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Would – Be Okay To Not Be Okay (Devil Duck)

Would – Be Okay To Not Be Okay (Devil Duck) Bild: Devil Duck
Would – Be Okay To Not Be Okay (Devil Duck)

Matze Schwettmann ist eigentlich der Hauptsongschreiber der (Grunge-)Rockband Palila. Da der Singer/Songwriter und Gitarrist aber auch eine zartere Seele hat, wurde das Projekt Would ins Leben gerufen. Hier sind jetzt all diese Lieder gelandet, die sich in einem mehr folkigem und poppigem Setting einfach wohler fühlen. Klar gibt es auch hier E-Gitarren, aber die akustischen dominieren, das Tempo ist eher balladesk und entspannt. Was geblieben ist: diese seltsam verknotete, leicht heisere, etwas nölige und von daher umso charakteristischere Stimme des sympathischen Protagonisten, der auf Einflüsse von Neil Young bis Elliot Smith verweist.

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Texas & Spooner Oldham – The Muscle Shoals Sessions (PIAS)

Texas & Spooner Oldham – The Muscle Shoals Sessions (PIAS) Bild: PIAS
Texas & Spooner Oldham – The Muscle Shoals Sessions (PIAS)

Ihren Zenit hatte Texas, die Band aus Schottland, Anfang der Zweitausender Jahre hinter sich gelassen, Songs wie „I Don’t Want A Lover“, „Sommer Son“ oder „Say What You Want“ haben sich aber nicht zuletzt wegen ihrer Frontfrau Sharleen Spiteri für immer in die DNA des Rocks eingraviert. Der Songwriter, Produzent und Keyboarder Spooner Oldham, der 2009 in die Rock 'n' Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, prägte Klassiker wie “When a Man Loves a Woman”, “Mustang Sally” und “I Never Loved a Man (The Way I Love You)”. Nachdem er 1967 Memphis verlassen hatte, tat sich Oldham mit dem Sänger Dan Penn zusammen, wo die beiden zu einem der besten Songwriter-Duos des Landes wurden. Gemeinsam schrieben sie unter anderem Hits für Aretha Franklin (“Do Right Woman”), die Box Tops (“Cry Like a Baby”) und Janis Joplin (“A Woman Left Lonely”). Nach dem Ende der bahnbrechenden Ära des Southern Soul komponierte Oldham auch noch für andere Artists, darunter Neil Young, Bob Dylan, Jackson Browne und die Everly Brothers. Northern Soul & Rock trifft hier also auf Southern Soul, die Texas-Stücke werden entkernt, Oldham platziert in den Zwischenräumen sein warmes Klavierspiel und so gereichen auch die beiden Coverversionen, “Would I Lie To You” von Charles and Eddie und “Save The Last Dance” von den Drifters auf diesem Best-of-Album der Sonderklasse zu einem wohlig-warmen Ohrenschmaus.

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Michelle David & The True-Tones – Brothers & Sisters (Record Kicks)

Michelle David & The True-Tones – Brothers & Sisters (Record Kicks) Bild: Record Kicks
Michelle David & The True-Tones – Brothers & Sisters (Record Kicks)

Die niederländische Deep-Funk-Institution hat es dieses Mal auf den Soul in all seinen Schattierungen abgesehen, Hauptsache er klingt schön nostalgisch und vintage. Stell Dir irgendein Best-of-Album aus der goldenen Ära des Soul vor und versehe es mit einer analogen State-of-the Art-Produktionstechnik und „Brothers & Sisters“ erklingt in den allerschönsten Tönen und schillerndsten Soul-`n`-Funk-Farben. Die Instrumentierung der Band, die von groovenden Basslinien, Gospel-Feeling und Michelle Davids kraftvollem Gesang geprägt ist, wird im Studio zu einem eindrucksvollen, kompakten Klangteppich. Der Einsatz von Bläsern auf dem Album verleiht den Songs eine dynamische Dimension, die den ohnehin schon fesselnden Sound der Band noch vielschichtiger macht und ein Gefühl von Größe vermittelt. Die akribische Produktionsarbeit – von Paul Willemsen und Onno Smit – stellt sicher, dass jede Nuance ihres Live-Sounds eingefangen wird – und der ist ober-groovy! Anspieltipp: „If You Don`t Try“.

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