Oberpfalz
18.04.2024 - 12:43 Uhr

OTon: Der ganz normale Bahnsinn

Mit dem Zug nach Belgien. Was kann da schon schiefgehen? Eine ganze Menge, musste Nils Ganzmann auf seinem Weg zur EU-Kommission nach Brüssel feststellen. Über langsames Internet, technische Defekte und müde Volontäre.

Zugfahren könnte so schön sein. Symbolbild: Marijan Murat/dpa
Zugfahren könnte so schön sein.

Ich steige in einen ICE nach Brüssel. Eigentlich meide ich Züge so gut es geht. Für eine Reise zur EU-Kommission nach Brüssel zusammen mit anderen Volontären aus Bayern und Baden-Württemberg mache ich eine Ausnahme. Ich will der Schiene eine faire Chance geben. Vielleicht bin ich zu Unrecht ein bekennender Verfechter des Automobils. Vielleicht ist es ja wirklich so, wie in der Werbung dargestellt: Sonnendurchflutete Abteile, schnelles Internet und zuverlässige Verbindungen.

Ich setze mich auf meinen Platz, fahre den Tisch vor mir nach unten und klappe meinen Laptop auf. Bis der Zug in Brüssel ankommt, soll es drei Stunden dauern. Ideal, um an Texten zu feilen. Wenn da nicht das langsame Internet wäre, das bei jeder Fahrt durch einen Tunnel komplett ausfällt. Egal, zum Musikhören reicht es, denke ich mir. Ich schließe meine Augen und öffne sie erst wieder, als eine Durchsage die Musik durchbricht. Aus dem Lautsprecher schallt eine blecherne Stimme: “Sehr geehrte Damen und Herren. Der ICE nach Brüssel fährt ab Aachen wegen eines technischen Problems nicht weiter.”

Um mich herum bricht Panik aus. Die Fahrgäste zücken ihre Handys und suchen hastig nach Anschlusszügen. Eine Gruppe junger Erwachsener sucht gemeinsam nach dem schnellsten Weg in die belgische Hauptstadt. “Lass uns doch über Maastricht fahren, dann kommen wir eine halbe Stunde früher an”, versucht ein Mann mit gelbem Pullover seine Gruppe zu überzeugen. Ich habe meine Kopfhörer abgesetzt und blicke enttäuscht aus dem Fenster. Der Zug rollt in den Aachener Bahnhof.

Jetzt weiß ich wieder, warum ich gerne Auto fahre. Reinsetzen und losfahren, egal wann, egal wohin. Als ich aus dem Zug steige, treffe ich auf andere Volontäre, die ebenfalls am Programm der EU-Kommission teilnehmen. Sie haben bereits einen Plan ausgeheckt. “Lasst uns einen Regionalzug nach Lüttich nehmen. Von dort fahren wir dann weiter nach Brüssel”, sagt eine Volontärin aus Regensburg. Einen besseren Vorschlag gibt es nicht. Wir quetschen uns in einen vollen belgischen Regionalzug und überqueren die Grenze.

Bis Lüttich sind es zwölf Stationen. Der Zug fährt durch belgische Dörfer, wird dabei von Autos überholt. Nachdem wir anfangs noch darüber geredet haben, warum wir ein Volontariat machen, ist es im Abteil still geworden. Jeder von uns starrt auf die Anzeigetafel und hofft, dass Zeit dadurch schneller vergeht. Tut sie nicht. Wir steigen ein letztes Mal um und kommen mit drei Stunden Verspätung in Brüssel an. Die Stadt erkunden will an diesem Abend niemand mehr. Wären wir doch bloß mit dem Auto gefahren.

Info :

OTon

Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.