Ich lege meine Waren auf das Transportband, sie laufen auf die Kasse zu. Durch zwei Trenner gebe ich jedem zu verstehen: Diese Waren gehören zu mir. Der junge Mann, dessen Aufgabe es unter anderem ist, die Sachen gleich über den Scanner zu ziehen, grinst mich bereits allwissend an. Er weiß genau, dass er gleich neue Informationen bekommt, mehr über mich erfährt - für meinen Geschmack viel zu viel.
Denn Einkäufe können ganz schön persönlich sein. Eigentlich kann man aus jedem Produkt Folgehandlungen oder sensible Schlüsse ziehen. Glauben Sie nicht? Starten wir doch mit dem Klassiker: Klopapier. Oder werden wir spezieller mit den Beispielen: Glasreiniger. "Wird auch mal Zeit, dass er wieder seine Fenster putzt", denkt er sich dann bestimmt, der junge Mann an der Kasse - also vermute ich. Und so geht es immer weiter. Paniermehl? Schnitzel. Fünf-Minuten-Terrine? Wenig Zeit. Kaffeebohnen? Vollautomat. Haferflocken? Fitness. Billiger Rotwein? Soße. Teuerer Rotwein? Schnösel. Kotbeutel? Hund. Weichspüler? Waschmaschine. Babybrei? Nachwuchs. Drei Packungen Chips, zwei Mal Salzstangen und Nüsse-Mix? Freunde, vielleicht ein Spieleabend. Zigaretten? Süchtig. Kaugummi? Mundgeruch. Tomatensoße? Spaghetti. Holzbriketts? Grillen. Magnesium-Brausetabletten? Mangel. Pflaster? Aua. Deo? Schweiß. Antifalten-Creme? Eitel. Pflanzendünger? Garten, mindestens größerer Balkon. Kürbis? Suppe. Basilikum? Pesto. Kamillentee? Erkältung. Apfelmus? Kaiserschmarrn. Staubsaugerbeutel? Saugt noch altmodisch mit Kabel dran. Benjamin-Blümchen-Torte? Kindergeburtstag. Blumenstrauß? Lieb oder vorher gar nicht so lieb. Sonnencreme mit LSF 50? Urlaub. 120 Liter fassende Müllsäcke? Großer Abfalleimer. Schuppenshampoo? Eh klar. Hafermilch? Öko. Gratinkäse? Überbacken.
Meine Waren sind nun bei dem jungen Mann an der Kasse angekommen. Schweigend und irgendwie desinteressiert zieht er die Produkte über den Scanner. "Vielleicht macht er sich ja doch keine Gedanken über meinen Einkauf, zieht Schlüsse, analysiert, verurteilt und zieht Fazits", denke ich mir. Erleichterung. Ich zahle, gleich ist es geschafft. "Alles nur Einbildung." Der Supermarkt-Mitarbeiter übergibt den Kassenzettel und blickt mich direkt an."Danke für den Einkauf." Dann beginnt er breit zu grinsen.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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