Der Elektrotechnik-Meister aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach ist Chef eines Familienbetriebes, seine Verärgerung fasste er in nur einen Satz: "Was muss man eigentlich tun, um so eine kostenlose Werbung in Form einer drittel Seite zu erhalten?", wollte er in seiner Mail von mir wissen. Es ging ihm um den Artikel "Zwei beste Freunde aus Schmidmühlen verwirklichen ihren Traum" auf der Kreisseite der AZ/SRZ-Ausgabe vom 6. Februar.
Berichtet wurde dort über einen 45- und einen 39-Jährigen, die seit ihrer Schulzeit befreundet sind und jetzt gemeinsam ein Unternehmen gegründet haben. Es ist bereits der vierte Versuch, sich selbstständig zu machen. Nun in einer Branche, "die aktuell durch die Decke geht", wie in dem Artikel steht. Stichwörter: nachhaltige Energieversorgung, hundertprozentige Eigenversorgung, Photovoltaik, Stromspeicher, eigene Notstromversorgung. Die beiden Firmeninhaber seien "sehr optimistisch", erfährt der Leser, "denn das Thema dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien beschäftigt derzeit nahezu jeden Hausbesitzer".
Verständnis für den Leser
Ich antwortete dem verärgerten Elektrotechnik-Meister, dass ich seine Kritik gut verstehen könne, und schrieb ihm: "Auch mich stört dieser Artikel, ich hätte ihn so nicht veröffentlicht, sondern wäre das Thema anders angegangen." Zunächst stelle sich in diesem Fall aber die Frage: Ist diese Berichterstattung vielleicht sogar ein Verstoß gegen den Pressekodex? "Aufschluss darüber geben kann hier ein Blick auf die Ziffer 7, in der es um die Trennung von Werbung und Redaktion geht", erläuterte ich und teilte weiter mit: "In der Richtlinie 7.2 (Schleichwerbung) heißt es wörtlich: ,Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.'
Artikel anders aufziehen
Um Schleichwerbung handelt es sich hier meiner Meinung nach dennoch nicht, da an nachhaltiger Energieversorgung/Eigenversorgung vor allem zurzeit ein öffentliches Interesse und ein grundsätzliches Leserinteresse besteht. Und es ist hier natürlich kein Cent an uns geflossen, das möchte ich ausdrücklich hervorheben.
Um den Eindruck der Schleichwerbung, der bei Ihnen wohl entstanden ist, von vorneherein zu vermeiden, hätte man den Artikel meiner Meinung nach anders aufziehen müssen. Zum Beispiel mehr an den beiden Personen und an der Tatsache, dass diesen der Weg in die Selbstständigkeit bereits dreimal misslungen ist, sie aber trotzdem einen vierten Versuch wagen. Das habe ich auch der Redaktionsleitung in Amberg gesagt und bin bei ihr auf Verständnis gestoßen. Weisungsbefugt den Kollegen gegenüber bin ich freilich nicht, das ist auch richtig so, die Redaktion muss eigenverantwortlich entscheiden. Der AZ/SRZ-Redaktionsleiter, das sei zum Schluss noch kurz angemerkt, kann Ihre Verärgerung beziehungsweise Verwunderung nachvollziehen."
In Deutschland gilt: Medien dürfen redaktionellen Inhalt und Werbung nicht vermischen. Festgeschrieben ist das in allen Landespressegesetzen. "In der Praxis müssen sich aber immer wieder die Gerichte mit der Grenzziehung befassen. Denn so einfach sind die Grenzziehungen nicht, gehört es doch zum Informationsauftrag der Medien, über Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen zu berichten", wissen die Presserechtler der Initiative Tageszeitung (ITZ) und betonen im ITZ-Onlinelexikon zum Thema Schleichwerbung: "Es ist kaum möglich, über die Signierstunde eines berühmten Autors in der Buchhandlung zu berichten, ohne den Anlass, die Präsentation eines neuen Romans, zu erwähnen. Wenn das Autohaus dem Wohlfahrtsverband ein abgelegtes Dienstfahrzeug schenkt, kann der Lokalredakteur an diesem Thema kaum vorbei und dabei schlecht die Marke des Fahrzeugs und den Namen des Autohauses verschweigen. Und auch die Übergabe der großzügigen Computerspende an eine örtliche Schule ist ein Thema für die Lokalzeitung, die dabei das großzügige Wirtschaftsunternehmen nicht unerwähnt lassen kann."
Das sagt der Bundesgerichtshof
Wichtig sei nur, dass die Sachinformation im Vordergrund steht und nicht mit übermäßig lobenden Aussagen über das Unternehmen, seine Leistungen und Produkte vermischt ist. Schleichwerbung liege dann vor, wenn - so habe der Bundesgerichtshof entschieden - neben der Informationsabsicht eines Berichts der "Zweck der Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs" eine wesentliche Rolle spiele.
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Fall aus der Spruchpraxis des Presserats. Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung veröffentlichte einen Artikel unter der Überschrift "Aldi verkauft dieses Kult-Produkt aus den 80ern - aber nur für zwei Tage". Im Mittelpunkt des Beitrags: ein Eis, das Aldi für die Aktion in sein Sortiment aufgenommen hatte. Dabei wurde auch mitgeteilt, dass es das Eis bei Rewe und Edeka im Dauersortiment gebe. Der Viererpack bei Aldi sei aber einen Euro billiger. Schleichwerbung, meinte ein Leser.
Eine Sache der Pressefreiheit
Die Rechtsvertretung der Zeitung wies hingegen auf ein starkes öffentliches Interesse an diesem Beitrag hin. Die Leserschaft verlange nach Infos zu besonderen Produkten oder Verkaufsaktionen. Es sei eine Sache der Pressefreiheit, über den Verkaufsstart bestimmter Artikel zu berichten, wenn dies nicht überwiegend werbend geschehe. Der kritisierte Bericht gehe auf einen aktuellen Anlass zurück, nämlich die Sonderaktion von Aldi Süd. Die Redaktion habe sachlich und neutral berichtet und dabei herausgestellt, dass es sich bei den Eissorten um Kultobjekte aus den 80er Jahren handle.
Am Ende werde im Bericht auch noch darauf hingewiesen, dass diese Eissorten in anderen Supermärkten wie Rewe und Edeka während des ganzen Jahres ebenfalls zu bekommen seien. Die Rechtsvertretung kam zu dem Schluss, dass es sich nicht um kennzeichnungspflichtige Werbung handle.
Der Beschwerdeausschuss des Presserats sah keine Verletzung der Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten) und erachtete die Beschwerde als unbegründet. Die Berichterstattung sei von einem öffentlichen Interesse gedeckt. Sie überschreite nicht die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2. Für einen Teil der Leser sei es interessant, zu erfahren, dass das Eis im Rahmen einer zeitlich begrenzten Aktion bei dem Discounter Aldi deutlich günstiger angeboten wird als bei den Mitbewerbern. Das Produkt werde im Beitrag auch nicht mit werblichen Attributen belegt. "Daher ist die Berichterstattung unter presseethischen Gesichtspunkten akzeptabel", befand der Beschwerdeausschuss.
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