Schleichwerbung ein Verstoß gegen den Pressekodex

Oberpfalz
20.05.2022 - 08:27 Uhr

Eines vorweg: Werbung hat in redaktionellen Beiträgen nichts zu suchen. Ein Leser sagt jedoch, er entdecke in unserer Zeitung immer wieder mal „Lobeshymnen“ auf Firmen der Region.

Auf diese Magazin-Doppelseite richtete ein Leser seinen kritischen Blick. War sie Werbung für ein Architekturbüro?

Eine Doppelseite im Magazin der Wochenendausgabe 30. April/1. Mai über das Tirschenreuther Architekturbüro Brückner & Brückner nahm Leser G. S. zum Anlass für eine "generelle Frage". Ab und zu, so schrieb er mir, würden in unserer Zeitung "auch Lobeshymnen über andere große Unternehmen der Region" wie zum Beispiel Witron und Cube erscheinen. "Etwas polemisch gefragt: Wo hört für den ,Neuen Tag' kritiklose Berichterstattung auf und fängt Werbung an? Wie entscheiden Sie, welchen Unternehmen Sie großformatige, freundliche Berichte widmen?", wollte der Leser wissen. Wobei er auf eine entsprechende Rückfrage von mir einräumte, dass er keine Artikel zu Cube beziehungsweise Witron nennen könne, "das liegt schon zu weit zurück". Vorab teilte ich G. S. mit, dass ich bei der Architekten-Geschichte keine Schleichwerbung erkennen kann.

Nachdem Brückner & Brückner mit ihren Bauten und Projekten seit mehr als zwei Jahrzehnten die architektonische Landschaft der Oberpfalz prägen, hatte sich Autorin Maria Oberleitner unter der Überschrift "Die Kraft der Heimat" dem Schaffen der Brüder gewidmet. Oberleitner bat sie, ihre Lieblingsprojekte vorzustellen. Das Büro wählte acht aus, "die die Vielfalt der Bauaufgaben und der Oberpfälzer Architektur zeigen sollen", wie es im sich auf zwei Zeitungsseiten erstreckenden Text hieß.

Es waren dies das Haus Johannisthal in Windischeschenbach (das Bildungshaus der Diözese Regensburg), das Büro- und Verwaltungsgebäude der Ziegler-Group in Plößberg, die Burg Falkenberg, die ehemalige historische Fronfeste in Tirschenreuth, das Kulturzentrum CeBB in Schönsee, die Heusterzbrücke über die Tirschenreuther Waldnaab sowie die Wegkapelle und die Himmelsleiter im Waldnaabtal. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind von öffentlichem Interesse. Und genau das ist der Punkt.

Veröffentlichung so in Ordnung

Dieses öffentliche Interesse rechtfertigt einen Beitrag über die wichtigsten Projekte des Architekturbüros. Der Deutsche Presserat spricht dann von Schleichwerbung, wenn redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, "über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser" hinausgehen oder "von dritter Seite" bezahlt beziehungsweise durch geldwerte Vorteile belohnt werden. Das war natürlich bei dem Brückner-Artikel nicht der Fall.

"Wirtschaftsberichterstattung ist eine ureigene Aufgabe aktiver, auf umfassende Informationsvermittlung ausgerichteter Medien", halten Soehring/Hoene in ihrem Standardwerk "Presserecht" fest. Die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit gebietet laut Pressekodex, "dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein."

Gehört zum Informationsauftrag

Es ist Aufgabe einer Redaktion, diese klare Trennung immer zu praktizieren. Denn "werbliche Botschaften, die sich in redaktionelle Teile einschleichen, nehmen viele Mediennutzer nicht mehr als Werbung wahr, sondern als Aussagen oder gar Empfehlungen der Redaktion, die eine höhere Vertrauenswürdigkeit genießt als jede Werbeaussage des Unternehmens selbst", geben die Presserechts-Experten der "Initiative Tageszeitung" (ITZ) zu bedenken. Juristisch würde es sich dann um redaktionelle Werbung handeln - und diese sei ohne Kennzeichnung eben verboten.

Auch die ITZ-Juristen betonen, dass es zum Informationsauftrag der Medien gehöre, über Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen zu berichten. "Wichtig ist nur, dass die Sachinformation im Vordergrund steht und nicht mit übermäßig lobenden Aussagen über das Unternehmen, seine Leistungen und Produkte vermischt ist", heben sie hervor. Bei der Berichterstattung über Witron oder Cube hatte die Redaktion das nach meiner Erinnerung beachtet. Leser möchten erfahren, was solche Unternehmen tun, was dort passiert, denn schließlich sind sie ja große Arbeitgeber in der Region. Ob es sich dann um "Lobeshymnen", "kritiklose Berichterstattung" oder "freundliche Berichte" handelt, von denen Leser G. S. spricht, liegt im Auge des Betrachters.

Abschließend zu einem Fall, den der Presserat auf dem Tisch hatte. Eine Chemikerin kreiert einen neuen Likör und möchte ihn vermarkten. Die Regionalzeitung berichtet über die Frau, ihre Idee und deren Umsetzung. Lokale in der Stadt, in der der Likör ausgeschenkt wird, werden ebenso genannt wie ein Geschäft, in dem man ihn kaufen kann. Ein Leser sieht in der Berichterstattung Schleichwerbung für das Getränk und beschwert sich beim Presserat.

Der Chefredakteur des Blattes teilt mit, dass die Redaktion von einem Leser auf die Neuerung hingewiesen worden sei. Wegen des lokalen Bezuges habe man die Entstehungsgeschichte des Liköres interessant genug gefunden, um darüber zu schreiben. Da es nach vergleichbaren Veröffentlichungen oft zu Leseranfragen komme, habe man die Bezugsquellen gleich mit erwähnt.

Als Leserservice zu werten

Die Zeitung habe das Trennungsgebot nicht verletzt, urteilte der Presserat. Die Berichterstattung über ein Produkt, das von Menschen vor Ort entwickelt wurde, sei von öffentlichem Interesse. Der Text überschreite nicht die Grenze zur Schleichwerbung. Die Hinweise auf die Lokale, in denen das Getränk ausgeschenkt wird, und den Laden, in dem es zu kaufen ist, seien nicht zu beanstanden und als Leserservice zu werten.

Weiden in der Oberpfalz29.03.2019
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