Für Valerie Sternberg war der Weg in die Politik nicht vorgezeichnet. Sie studierte VWL und hätte eine Karriere in der Wirtschaft vor sich gehabt. Doch das Brexit-Votum in Großbritannien schockierte Sternberg, dass sie zu dem Schluss kam, etwas tun zu müssen: „Wenn so viele Menschen der EU derart kritisch gegenüberstehen, müssen wir etwas ändern, so dass sie Teil der EU sein wollen.“
Sternberg schloss sich der Bewegung Volt Europa an, war zeitweise deren Co-Präsidentin, kandidierte bei der Bundestagswahl 2021 für die Kleinpartei als Direktkandidatin im Wahlkreis Berlin Mitte.
Für ihre Entscheidung, in die Politik zu gehen, habe sie von Familie und Freunden große Unterstützung erhalten, aus dem näheren Umfeld habe es aber auch Vorbehalte gegeben, erzählt die 29-Jährige. „Warum willst du als junge Frau mit gutem Abschluss in die Politik gehen?“, hieß es. Für Sternberg ist die politische Arbeit sinnstiftend und erfüllend. Sie sei aber auch sehr anstrengend, räumt sie ein.
Parteitage als Herausforderung
Parteitage, die sich über ein ganzes Wochenende ziehen, seien für Frauen mit Kindern schwer mit der Familie vereinbar. Sie sei auch ohne Kinder teils an den Rand ihrer Kräfte gekommen. Aber: „Wenn man das Sitzfleisch nicht hat und bei bestimmten Debatten nicht dabei ist, ist man weg“, hat Sternberg festgestellt.
Politikerin Eva Kappl (Die Linke), 1998 geboren in Schwandorf, bestätigt Sternbergs Beobachtungen. Das Netzwerkeknüpfen bei Bundesparteitagen sei extrem wichtig – und das gehe oft erst abends an der Hotelbar so richtig los. „Frauen fallen dann oft raus, weil sie nach Hause zu den Kindern müssen.“
Kappl war zeitweise Gleichstellungsbeauftragte ihrer Partei in Bayern. Der Anspruch an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei in ihrer Partei sehr hoch, sagt Kappl – und verweist auf die weibliche Doppelspitze aus Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow auf Bundesebene. Gerade auf Orts- und Kreisebene gebe es aber noch einiges zu tun. Vor allem dort, wo noch kaum Frauen aktiv sind, falle es jungen Frauen schwerer, sich zu engagieren. Dann sei es wichtig, die potenziellen Nachwuchs-Politikerinnen persönlich anzusprechen und zu ermutigen, sich das ein oder andere Amt zuzutrauen. „Männer denken eher, das krieg ich schon hin“, sagt Kappl. „Frauen haben öfter die Befürchtung, sie seien nicht kompetent genug.
Unterschiedlicher Umgang
Bei der Wahrnehmung von Frauen in der Politik spielten die Medien eine zentrale Rolle, waren sich die Diskutantinnen einig. Es sei „absurd“ gewesen, wie unterschiedlich mit den drei Kanzlerkandidaten umgegangen wurde, meinte Sternberg. Mit Annalena Baerbock (Grüne), der einzigen weiblichen Kandidatin, sei „unfassbar hart“ ins Gericht gegangen worden – egal, ob es darum ging, ob sie mit zwei Kindern für den Posten gewappnet ist, wie ihre Stimme klingt oder ihre Outfits aussehen.
Hier hakte Helga Lukoschat ein. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF) und engagiert sich für den Führungsnachwuchs von Frauen. Lukoschat meinte, es sei schon ein Fortschritt, dass sich Baerbock nicht wie Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Hosenanzügen „uniformiert“, sondern sich ihrer Persönlichkeit nach kleidet.
Institutionell habe sich in den vergangenen Jahren doch einiges gewandelt, stellte die Politologin fest. Durch die Elternzeit und das Elterngeld würden mehr Männer in die Kinderbetreuung involviert, Merkels Kanzlerschaft habe natürlich ausgestrahlt und durch die „Me too“-Debatte sei eine größere Sensibilität gegenüber Sexismus entstanden. Gerade in sozialen Netzwerken beobachte sie allerdings, dass Frauen beim Thema Aussehen eher wieder in stereotype Rollen gedrängt werden.
Während die Podiumsdiskussion noch lief, waren die Online-Medien am Dienstagabend voll mit der Berichterstattung über Baerbocks Antrittsbesuch in Moskau. Auf Twitter ein großes Thema: Der graue Mantel mit dem auffälligen Dreiecks-Kragen, den die deutsche Außenministerin trug.
Junges Europa
- Der Verein Junges Europa an der Uni Regensburg wurde 1999 gegründet.
- Der Verein möchte den in Deutschland geführten Europa-Diskurs verbessern und Europa fassbarer machen.
- Dafür lädt der Verein regelmäßig zu Podiumsdiskussionen mit spannenden Gästen zu unterschiedlichen Themen ein.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.